"Shakespeare war ordinärer als ich"
In der Karl-Farkas-Gasse 19 in Neu Marx, wo nebenan noch der Cirque du Soleil mit "Kooza" gastiert, startet Michael Niavarani im Herbst ein ambitioniertes Projekt: Er macht aus Shakespeares Tragödie "Richard III." eine Komödie und installiert dafür eine Art Globe Theatre in der unter Denkmalschutz stehenden Marx Halle.
KURIER: Warum tun Sie sich das an, ein neues, eigenes Theater. Sind Sie wahnsinnig?
Michael Niavarani (lacht): Ja. Ich spiele, wie absurd, Shakespeare, oder versuche es zumindest. Und ich schreibe auch das Stück noch selber.
"Richard III."
Ja. Ich habe aus der leichtfüßigen Tragödie eine schwere Komödie gemacht.
Wie kam’s dazu?
Ich war ein Shakespeare-Verweigerer bis vor einem Jahr. In der Schule hat er mich gelangweilt. Ich hab’s nicht verstanden. Die Figuren reden auch so kompliziert. Aber dann habe ich im Londoner National Theatre "Edward II." von Christopher Marlowe gesehen und fand das unglaublich spannend und lustig.
Da haben Sie Ihre Liebe zu Shakespeare entdeckt?
Ja, ich fand das Buch "No fear Shakespeare" mit den parallel abgedruckten Texten im alten und im heutigen Englisch. Dann habe ich "Macbeth", "Othello", "Was ihr wollt" ... vier, fünf Stücke in wenigen Tagen gelesen. Und ich erkannte: Nicht Shakespeare ist der Trottel. Ich bin der Trottel, weil ich es nicht verstanden habe.
Vielleicht lag’s an der Übersetzung von Schlegel und Tieck?
Warum starten Sie am 7. 10. ausgerechnet mit "Richard III."?
Da gibt es die Szene, bei der die beiden Mörder im Tower Clarence umbringen sollen. Ich habe beim Lesen Tränen gelacht über die zwei Typen, die sich nicht trauen den abzukrageln. Mitten in der furchtbaren Tragödie kommen zwei Komiker vor. Da hatte ich die Idee: Man müßte die ganze Geschichte von Richard III. aus der Sicht dieser zwei grundgütigen Menschen – des Kochs Frederick Dighton und des Schusters William Forrest – erzählen. Eigentlich hat sich das Stück mich ausgesucht – und nicht umgekehrt: ich das Stück.
Sie spielen den Schuster, der in allerlei Hofintrigen gerät. Wobei Richard III., wie wir heute wissen, gar keinen Buckel hatte, nicht einmal hinkte. Das war nur von den Tudors inszenierte Negativpropaganda.
Genau. Wir haben die Originalfiguren aus dem Shakespeare-Stück. Richard ist ein wirklich schlimmes Monster. Und ein Monster brauchen wir.
Und sonst?
Es wird eine grauenvolle Komödie. Mit Mord. Folter. Drei Huren. Zwei kleine Prinzen im Tower. Einem Heiratsantrag. Einer alten, grantigen Königin. Wein und Bier, einer feuchten Pflaume und einer verzweifelten Flucht. Einer Schlacht bei Bosworth. Drei abgeschnittenen Köpfen und echtem Theaterblut. Schön gekleideten Edelleuten, dreckigen Fingernägeln und einer Liebeserklärung an die Freundschaft. Ich glaube, man kann mit dem Stück auf komödiantische Weise die Seele der Menschen berühren.
Was bringt die neue Spielstätte, die nach dem Vorbild des Londoner Globe Theatre in die historische Industriehalle – die Marx Halle – gebaut wird?
Das Globe hat eine sehr intensive, sehr echte und sehr realistische Art zu spielen. Das hat mich irrsinnig fasziniert. Auch wir dürfen da nicht Theater spielen wie auf einer Guckkastenbühne mit Bühnenbild, sondern müssen echte Situationen durchleben für das Publikum.
Derzeit entwickeln Sie gerade in einer Art Stand up Comedy Ihr neues Solo "Homo Idioticus". Warum drängt der Kabarettist auf die Theaterbühne?
Ich habe ja als Schauspieler begonnen und in einem Kellertheater in sechs Jahren 36 Stücke gespielt. Ich kam erst dann zum Kabarett und habe das Theater vermisst. Ich dachte mir: Es wäre schön, wieder einmal eine Figur zu spielen.
Wie soll die Koproduktion von Hoanzl und Niavarani funktionieren?
Wir finanzieren uns selber. Toi, toi, toi. Es ist ein Privattheater, wie einst Shakespeare und seine Haberer ins Globe investiert haben. Wir hoffen, dass genug Leute kommen. Wenn nicht, dann überlegen wir uns nachher, was wir machen. Wir haben Vertrauen ins Leben.
Was wird sonst in der Marx Halle passieren?
Wahrscheinlich werde ich auch mit meinem neuen Solo hier auftreten, sobald es fertig ist. Wir spielen nach zwei abgesagten Vorstellungen "Reset – Alles auf Anfang" noch einmal und planen auch andere Theaterstücke und Kabarettabende hier.
Und Ihr drittes Buch ist in Arbeit?
Ja. Wieder ein Kurzgeschichten-Band oder ein historischer Roman aus der Shakespeare-Zeit über einen Engländer: Anthony Shirley hat sich in Europa als persischer Gesandter ausgegeben und als großer Betrüger allen erzählt, was sie hören wollten, um Geld zu kassieren. Er sagte dem Papst, dass der persische Kaiser katholisch werden möchte. Darauf schickte der Papst Karmelitermönche nach Persien. Und deshalb gibt es in Isfahan auch so viele Kirchen.
Ab 7. 10. Shakespeare in der Marx Halle
Globe Wien in Neu Marx Mit dem Globe Wien (3., Karl Farkasgasse 19) entsteht in Neu Marx ein neuer und in seiner Form in Österreich einzigartiger, temporärer Theaterraum. Inspiriert in Form und Ausstattung von Shakespeares historischem Globe Theatre (1599 in London eröffnet), bietet das Globe Wien einen zeitgemäß ausgestatteten Raum im Stil des berühmten Elisabethanischen Vergnügungszentrums. Mit einem speziellen Bühnen- und Raumkonzept von Art for Art wird das Globe Wien in der Marx Halle errichtet – für 600 bis 1050 Besucher in Sitzreihen bzw. Logen.
Stück Die unglaubliche Tragödie von Richard III. Eine Komödie von Michael Niavarani frei nach William Shakespeare Produktion: Niavarani & Hoanzl GmbH. Regie: Vicki Schubert Mit Hemma Clementi, Pia Strauss, Michael Pink, Manuel Witting, Oliver Rosskopf, Georg Leskovich, Bernhard Murg und Michael Niavarani
Termine & Karten 7. –11., 14. –18., 20.–24., 27. – 30. Oktober; 2., 7. + 8., 12. + 13., 19. + 20., 29. + 30. November (20 Uhr) Vorverkauf: www.oeticket.com 01/96096 www.wien-ticket.at 01/58885