Kultur

Michael Heltau (vielleicht) zum letzten Mal auf der Burg-Bühne

Er hat die Theaterlandschaft jahrzehntelang geprägt wie kein anderer. Und auch nachdem er seine Profession, das Spielen, das „Darstellen von Menschenkindern“ wie er es nennt, offiziell an den Nagel gehängt hat, blieb Michael Heltau der Bühne treu. Mit seinen längst legendären Soloabenden hat er gemeinsam mit den Wiener Theatermusikern das Publikum, das immer auch „sein“ Publikum war, verzaubert.

Nun aber soll endgültig Schluss sein. Am 7. Dezember (um 17 Uhr) präsentiert Heltau den CD,-und DVD-Mitschnitt seines letzten Programms „Einen blauen Ballon möcht’ ich haben“ auf der Bühne des Burgtheaters und spricht bei diesem Anlass mit Regisseur David Schalko. Das Thema? „Wir werden es sehen!“

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Der KURIER traf den agilen Jahrhundertschauspieler in „seinem“ geliebten Burgtheater zum Gespräch. Einige Kostproben aus der Gedankenwelt eines Mannes, der unendlich viel zu sagen und zu geben hat. Michael Heltau über ...

... seinen Abschied und die Frage nach dem Warum  Es gibt dieses wunderbare Zitat im ,Rosenkavalier‘: „Versteht Er nicht, wenn eine Sach’ ein End“ hat? Und für mich hat die Sach’ jetzt ein End. Ich durfte so viele beglückende Abende erleben, irgendwann sollte man loslassen. Und zwar dann, wenn es am schönsten ist. Mit meinem letzten Programm, dem ,Blauen Ballon‘, das ich allein konzipiert habe, habe ich den Zustand erreicht, der einem idealen Abend nahe kommt. Ein besseres Adieu gibt es ja nicht.

... die Frage der Wehmut

Nein, ich empfinde keine Wehmut. Ich wurde im Leben so reich beschenkt, dass dieses Gefühl der Wehmut unfair, undankbar wäre. Und ich will nicht undankbar sein. Außerdem geht das Leben ja weiter. Ich schwänze ja das Leben nicht. Das hab’ ich nie getan und das werd’ ich auch in Zukunft nicht tun.

... die Möglichkeit eines Comebacks Vielleicht trete ich noch irgendwo auf, vor weniger Leuten, in einem anderen Rahmen. Man soll nie etwas ausschließen. Ich bin ja für Abenteuer zu haben. Und ich bin verführbar. Aber eigentlich sag’ ich jetzt zum Abschied leise Servus.

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... die Wahl von David Schalko als Gesprächspartner für das große Finale Weil ich hoffe, dass er möglichst wenig über mich weiß und mir daher Fragen stellt, die jene, die viel über mich wissen, nicht stellen würden. Es wäre ja viel zu einfach, mit einer Kollegin, einem Kollegen, der von mir so unendlich geschätzten Karin Bergmann oder einem Journalisten zu plaudern. Bei David Schalko weiß ich nicht, was passieren wird. Das wird ein Gespräch ganz ohne Netz. So etwas mag ich gern.

... das Theater von heute Man vergisst heute so oft, worum es eigentlich geht: Um das Stück. Ein gutes Stück, egal, ob von Goethe, Schiller, Kleist, Lessing, Shakespeare oder Brecht – das ist ja schon ein Goldklumpen an sich. Ein Goldklumpen, den Schauspieler dann nur zum Glänzen bringen müssen. Um mehr geht es nicht. Das Theater heute verschanzt sich allzu gern hinter einer gigantischen Bühnenmaschinerie, hinter dem Performativen. Das hat auch Peter Handke sehr schön in seiner Dankesrede bei der Nestroy-Gala gesagt. Und auch ich halte es eher mit Peter Brook, der szenisch den ,leeren Raum‘ propagiert hat. Übrigens auch so ein Theatermagier, wie es ein Giorgio Strehler war.

... über beglückende Momente auf der Bühne  Da gab es so viele. Alles mit Giorgio Strehler, mit Andrea Jonasson. Aber ganz früh auch mit Fritz Kortner, mit Gustav Manker oder mit der Wessely, der Thimig, der Bleibtreu, der und der und der ... da sind so viele Namen, so viele Erinnerungen. Und die meisten davon sind schön.

... über die Sprache Das Kostbarste! Die Sprache erst macht den Menschen aus. Obwohl auch Tiere und Pflanzen miteinander kommunizieren. Aber die Sprache ist in Gefahr. Wir leben heute in einer Zeit der Verknappung, der hemmungslosen Lautstärke. Das Brüllen ist wieder in Mode gekommen. Auf der Bühne und vor allem in der Politik. Wir leben in besorgniserregenden Zeiten, weil wir das Zuhören verlernen. Ich muss doch nicht brüllen, um etwas zu sagen. Im Gegenteil. Eine kleine, winzige Nuance, ein fein gesetzter Zwischenton kann sehr viel mehr aussagen, als diese hirnlose Brüllerei. Ich hätte übrigens Shakespeare oder Pinter immer gern auf Englisch gespielt. Ja, es gibt hervorragende Übersetzungen. Aber ein Shakespeare im Original ist eben noch einmal etwas anderes.

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... die Musik  Mein große Liebe, wobei ich nicht zwischen E- und U-Musik unterscheide. Das ist ja vertrottelt. Es gibt nur gute und weniger gute Musik. Sind die Beatles schlechter als Mozart? Ist Jacques Brel schlechter als Richard Strauss? Nein, sie sind nur anders. Deswegen habe ich auch, mit Loek Huisman, meine Soloprogramme gemacht, um dieses Kastldenken zu überwinden. Das hat auch etwa mit Stil zu tun.

... seine Wünsche Dass man wieder einen Ton miteinander hat. Einen, der diese Bezeichnung auch verdient. Und mehr Herzensbildung.

Kurzbiografie

Michael Heltau wurde am 5. Juli 1933 in Ingolstadt geboren und ist seit 1968 österreichischer Staatsbürger und „leidenschaftlicher Wiener“. Heltau studierte am Reinhardt-Seminar und war bald an allen großen Bühnen im In-und auch Ausland zu sehen. Stationen in Österreich waren u. a.: Volkstheater, Theater in der Josefstadt und das Burgtheater, dessen Doyen und Ehrenmitglied er auch ist. Nach seinem Rückzug als Schauspieler entwickelte Heltau meist gemeinsam mit seinem Partner Loek Huisman seine eigenen musikalisch-literarischen Soloprogramme, die Kultstatus erlangt haben. Heltau war auch in zahlreichen Film-und Fernsehproduktionen zu erleben. Es gibt viele Tonträger mit ihm und Bücher über ihn. Heltau lebt in Wien.

Blauer Ballon

CD- und DVD-Präsentation am 7. Dezember (Beginn:17 Uhr) im Burgtheater. Im Anschluss: Gespräch mit David Schalko. Kostenlose Zählkarten gibt es an der Kassa des Burgtheaters.