Soul-Legende Aretha Franklin ist tot
Sie hat für Martin Luther King gesungen und – vor etwa zwei Millionen Menschen – bei der Amtseinführung von Barack Obama im Jahr 2009.
Mit 18 Grammy Awards, 73 Hits in den US-Charts und mehr als 75 Millionen verkauften Tonträgern war sie eine der Allergrößten der Popmusik. Ein vokales Kraftpaket mehr als ein halbes Jahrhundert lang.
Franklin – unerreichtes Vorbild für alle Mary J. Bliges und Alicia Keys – hatte dieses absolut Ungekünstelte, tief Erdige im Ausdruck, der Leiden und Leidenschaft enthält, und manch schmachtend schweren Seufzer vor machtvoll strahlenden Ausbrüchen.
Sie veredelte „I Never Loved a Man (The Way I Love You)“ von Carole King zu einer Hymne an die Weiblichkeit. Nach dem ersten Hit war ihr Otis-Redding-Cover „Respect“ (1967) ein Statement der politischen, sozialen und sexuellen Emanzipation. Er gilt bis heute als Beginn und Quintessenz, als Gründungsdokument und Höhepunkt moderner Soulmusik.
Posse als Politstatement
Dabei war’s nichts weiter als die Klage eines verheirateten Mannes, der von seiner Frau anständig behandelt werden möchte, wenn er nach Hause kommt, wo „honey“ doch all sein „money“ bekommt. Niemand hätte gedacht, dass das schlichte Lied einmal zur Hymne der Bürgerrechts- und Frauenbewegung werden würde. „Ich habe gerade meinen Song verloren“, soll Otis Redding gesagt haben, „dieses Mädchen hat ihn mir weggenommen.“
Tatsächlich hat „Respect“ die in Memphis, Tennessee, geborene Tochter eines Baptistenpredigers, die noch minderjährig erste Plattenaufnahmen gemacht hatte und schon mit 14 und 16 Mutter geworden war, zu einer Symbolfigur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gemacht und früh zur „Queen of Soul“ geadelt. Mit Songs wie „Chain of Fools“, „I Say a Little Prayer“ und „Amazing Grace“, dem Sklavenlied, das als inoffizielle Nationalhymne Amerikas gilt, auch unter Weißen.
Was die Franklin einzigartig macht, verrät bereits ihr Debütalbum für Atlantic „I Never Loved A Man The Way I Love You“ (1967). Der Titelsong: Pathos pur. Bei „Dr. Feelgood“ werden spirituelle und sexuelle Ekstase eins. „Don’t Let Me Lose This Dream“ ist unbeschwerter Pop. Alles vokal intensiv bis zum Gehtnichtmehr, sinnlich-gedämpft in den Tiefen und makellos klar in den Höhen. Sie habe den Gospel, die Kirchenmusik der Afroamerikaner, nie verlassen. Er sei ihr angeboren, sagte sie.
Und Ray Charles meinte: „Es gibt Sänger, und es gibt Aretha. Sie überragt alle. Andere sind gut, aber Aretha ist sagenhaft.“
Als erste Frau wurde Aretha Franklin in die Hall of Fame des Rock ’n’ Roll aufgenommen. Und das Rolling Stone-Magazin kürte sie im Jahr 2010 unter 100 Anwärtern zur „größten Sängerin aller Zeiten“.
Idol für Generationen
Schon seit einiger Zeit hörte man Beunruhigendes über ihren Gesundheitszustand, über eine Krebserkrankung.
Jetzt ist Aretha Franklin mit 76 Jahren in Detroit gestorben. Zuletzt hatte sie – das Idol mehrerer Sängerinnen-Generationen – mit Stevie Wonder an einem neuen Album gearbeitet.
„Etwas Qualvolles, ein unausgesprochener Schmerz umgab sie wie die Glorie ihrer musikalischen Aura“, hatte das Produzenten-As Jerry Wexler bei Atlantic Records in den 70ern über den zeitlebens unter Lampenfieber, Essstörungen und extremer Flugangst leidenden Superstar gesagt. Der hatte eine kulinarische Vorliebe für Schweinefüße und „fettige Hamburger“ und speckte zwischendurch 38 Kilo ab.
Nach einem furiosen Comeback in „Blues Brothers“ gab es Duette u. a. mit George Michael, Elton John und den Eurythmics. Und über Celine Dion, die angeblich vor Konzerten einen Tag lang schweigt, um ihre Stimme zu schonen, amüsierte sie sich. „Einen Tag? Soll das ein Scherz sein?“, witzelte sie, „ich schaffe höchstens 30 Minuten. Das reicht.“