Regierung verabschiedet strenge Regeln für den ORF
Die Regierung hat sich auf eine ORF-Digitalnovelle geeinigt: Am Mittwoch präsentierten Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer die Eckpunkte. So darf der ORF künftig sowohl online-only als auch online-first produzieren, weiters wird es auf ORF.at künftig 70 Prozent Bewegtbild und 30 Prozent Text geben, wobei die Textbeitragszahl pro Woche auf 350 beschränkt wird. Die Sieben-Tage-Beschränkung für Abrufe in der TVthek fällt.
Das Online-Angebot des ORF soll sich trotz des „harten Sparkurses“ von 325 Mio. Euro (u.a. durch Einschnitte bei Privilegien und stärkere Transparenzregelungen) und Werbeeinschränkungen erweitern. „Denn wir wollen, dass der ORF mehr junge Menschen mit einem attraktiven Online-Angebot erreicht“, so Raab.
Dies sei möglich, da durch den neuen ORF-Beitrag, der zwar geringer ausfällt als die GIS, mehr Menschen einzahlen werden. Wie bereits angekündigt, gibt es mit dem „ORF-Beitrag“ ab 2024 eine Haushaltsabgabe anstatt der gegenwärtigen gerätegekoppelten GIS-Gebühr.
15,30 Euro für den ORF
Der ORF-Beitrag wird 15,30 Euro betragen, wobei die Höhe für drei Jahre eingefroren wird. Derzeit sind noch 22,45 Euro pro Haushalt und Monat fällig, wobei noch Länder- und Bundesabgaben hinzukommen. Letztere entfallen mit der künftigen Regelung wie auch die Umsatzsteuer. Bisher von der GIS ausgenommene Haushalte bleiben auch weiterhin gebührenbefreit. Nebenwohnsitze sind künftig ausgenommen. Für Unternehmen kommt eine Staffelung. Für Unternehmen mit 50 Mitarbeitern sei ein ORF-Beitrag fällig, bei 100 Mitarbeitern zwei ORF-Beiträge, erklärte die Medienministerin.
ORFSport bleibt - vorerst
ORF Sport+ bleibt bis 2026 als linearer Fernsehkanal bestehen und soll dann ein rein digitaler Kanal werden. Zusätzlich kündigte Raab einen Kinderkanal für den Onlinebereich an, welcher „qualitativ hochwertig“ ausfallen soll. Weitere Kanäle bleiben dem ORF im Digitalen verwehrt.
Im Radio- und Digitalbereich gibt es künftig stärkere Werbebeschränkungen für den ORF, die pro Jahr ca. 25 bis 30 Millionen Euro ausmachen sollen. Insgesamt soll es für den ORF laut Raab zu einem „Nullsummenspiel“ kommen. Die Einbußen bei den Werbeeinnahmen sollen durch Mehreinnahmen beim ORF-Beitrag kompensiert werden. Dem ORF sollen durch den ORF-Beitrag künftig 710 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stehen.
RSO ist gesichert
Das Bestehen des Radio Symphonie Orchester (RSO) ist unterdessen bis 2026 durch Bundesmittel gesichert, bis dahin soll eine tragfähige Lösung für die Zukunft erarbeitet werden. „Durch die Finanzierung des RSO über eine Beihilfe bis einschließlich 2026 ist die unmittelbare Zukunft des Orchesters gesichert - für den darüber hinausgehenden Zeitraum ist das politische Bekenntnis der Bundesregierung ebenso unmissverständlich“, freute sich Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) in einer Aussendung: „Das RSO bleibt bestehen - und das ist gut so.“
Während die geplanten Kanäle für Sport- bzw. Kinder und Jugendliche auch vermehrt auf Social Media oder YouTube veröffentlicht werden dürfen, herrscht ein „Channel-Verbot“ für andere Sparten, wie Raab auf APA-Nachfrage betonte. Was die TVthek betrifft, wird es eine Staffelung geben: So dürfen Eigen- und Koproduktionen des ORF bis zu sechs Monate abrufbar sein; Nachrichten, Sendungen zu politischer Information sowie Sendungen über Sportbewerbe bis zu 30 Tage. Sendungen mit zeit- und kulturgeschichtlichem Inhalt (etwa Dokumentationen) bleiben genauso wie Inhalte für Kinder unbegrenzt abrufbar.
Maximal 350 Meldungen
ORF.at soll „audiovisueller und moderner“ werden, die Textbeiträge sollen künftig nicht sehr in die Tiefe gehen, sondern Überblicksberichterstattung bieten. 350 Textbeiträge dürfen es künftig pro Woche sein. Derzeit sind es laut Raab in etwa 900, die 400 Videobeiträgen gegenüberstehen. ORF.at solle nicht in Konkurrenz zu Tageszeitungen stehen, sondern das Angebot ergänzen. Für Maurer war es wichtig, „die Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass es bestmöglich ist, den öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrzunehmen“. Der ORF gehöre „uns allen und soll auch alle Generationen erreichen“, so Maurer. Die bisherigen Regelungen hätten es dem ORF erschwert, bei der sich rasend entwickelnden Digitalisierung mitzuhalten. „Wir bringen dieses Angebot ins 21. Jahrhundert.“
Transparenz wird Auflage
Auferlegt wird dem ORF von der Regierung ein Transparenzbericht. Dieser legt etwa die Gehälter von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern und deren Nebenbeschäftigungen offen. Ab einem Jahresbruttogehalt von 170.000 Euro ist eine namentliche Veröffentlichung vorgesehen. Diverse „Privilegien“ werden beschnitten - etwa im Bereich der Wohnungszulagen, Sonderpensionen und Abfertigungen.
Das Gesetzesvorhaben soll demnächst in Begutachtung gehen. Bis Jahresende muss zumindest die Neuregelung der ORF-Finanzierung fixiert werden, da dies ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis vorsieht.
Reaktionen gemischt
Der ORF begrüßt die Neuregelung seiner Finanzierung und die Digital-Novelle. „Mit der Entscheidung für einen ORF-Beitrag (Haushaltsabgabe) ist eine wesentliche Grundlage für eine zukunftssichere Weiterentwicklung des ORF geschaffen“, erklärte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann in einer Aussendung. Die Finanzierung des ORF und seine Unabhängigkeit seien „nachhaltig abgesichert“. Die Digitalnovelle bezeichnete Weißmann als „Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern“, damit könnten nun „die Angebote für das Publikum in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden“. Das Ergebnis sei vor allem im Sinn des Publikums, der ORF werde so digitaler, österreichischer aber auch für jeden zahlenden Haushalt günstiger. Die Neuregelung der ORF-Finanzierung ändere nichts an der Tatsache, dass der ORF auch weiterhin sparsam wirtschaften und die Finanzierungslücke von rund 300 Mio. Euro bis 2026 aus eigener Kraft schließen müsse.
Von einer „medienpolitischen Fehlentwicklung“ sprach am Mittwoch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in einer ersten Reaktion auf die Einigung der Regierung. „Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen - insbesondere als Marktführer im Digitalbereich - droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt“, warnte VÖZ-Präsident Markus Mair. Es gelte, für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen und die Medienvielfalt im Auge zu behalten. Der VÖZ fordert weitere Gespräche im Zuge des Begutachtungsverfahrens und werde sich hier nach Kräften gegen eine weitere Wettbewerbsverzerrung einsetzen. „Aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage steht die Medienvielfalt in Österreich auf dem Spiel“, mahnte Mair.
Unzufrieden zeigte man sich auch beim Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Das Gesetzespaket stärke nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF, wurde in einer Aussendung kritisiert. Dieser solle nicht nur weitreichende Online-Freiheiten erhalten, auch sein Budget werde deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet werde. Dass dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten aller privaten Medien in Österreich signifikant beschränkt würden und die Lebensgrundlage privater Radio- und TV-Sender noch stärker unter Druck gerate, nehme die Regierung offenbar in Kauf. „Der ORF ist bereits mit Abstand der größte Medienanbieter Österreichs, nicht nur im Rundfunk, sondern auch im Online-Bereich. Die geplante Stärkung seiner Dominanz schadet der Medienvielfalt in Österreich, vor allem mit Blick in die Zukunft“, so VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm.
SPÖ: Vertane Chance
Kritisch fielen auch die Reaktionen der Opposition aus. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried ortete massive Schwächen und insgesamt eine vertane Chance. Es fehle ein Zukunftskonzept über die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meinte er. Bei der Haushaltsabgabe vermisste er eine soziale Staffelung. Auch von der FPÖ kam ein „klares Nein zur ORF-Zwangssteuer“. Darüber hinaus führe die Digitalnovelle zu einer Besserstellung des ORF gegenüber privaten Medienunternehmen, wodurch die Medienvielfalt bedroht werde, so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Sein NEOS-Gegenüber Henrike Brandstötter vermisste eine Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags und kritisierte, dass die Regierung sich gegen eine Gremienreform, gegen die Abschaffung der Landesabgabe und gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute entschieden habe.