Kultur/Medien

ORF-Stiftungsrat: Diskussionen um Newsroom und zentralen Chefredakteur

Die Frage, wie der neue, zur Besiedlung anstehende multimediale Newsroom organisiert sein soll, beschäftigt weiterhin den Stiftungsrat. ÖVP-Vertreter Thomas Zach bekräftigte nach der Sitzung des obersten ORF-Gremiums am Donnerstag erneut seine Ablehnung der Funktion eines zentralen Chefredakteurs. Er sieht sich darin "aufgrund der Meinungsäußerungen dort" eins mit einer breiten Mehrheit. "Das ist eine klare Absage.“

ORF-Chef Alexander Wrabetz geht in seiner Planung derzeit von einem "Newsroom-Management“ aus, das auch Technik, kaufmännische und rechtliche Belange umfasst und mit einem Leiter als Teil eines Führungsteams organisiert sein soll. Das soll Meinungsvielfalt und Binnenpluralismus garantieren, wie Wrabetz jüngst vor Journalisten ausführte. In diesem Newsroom auf dem Küniglberg werden alle wesentlichen Info-Bereiche von Fernsehen, Radio und Online bis Sommer 2022 zusammengezogen.   
 

Neuaufstellung

Die aktuelle Diskussion darüber sieht Zach als Folge dessen, dass die ORF-Spitze darin „immer noch vor allem ein Bau- und Umzugsprojekt sieht. Ist es aber nicht. Es ist die größte Veränderung für ORF-Information seit Jahrzehnten. Das ändert die Strukturen und Arbeitsweisen von einer Vielzahl von Mitarbeitern grundlegend. Das muss gut vorbereitet sein – und das ist es im Moment ganz sicher noch nicht“, kritisiert der Leiter des bürgerlichen Freundeskreises, der die Mehrheit im Stiftungsrat bildet. Als Konsequenz dessen stehe das Thema auch beim nächsten Treffen im Juni – dem letzten Stiftungsrat vor der ORF-Chef-Wahl im Sommer - erneut auf der Agenda.

Zach mahnt in diesem Zusammenhang erneut die entsprechende Beteiligung der Mitarbeiter ein. "Es ist völlig unrealistisch zu glauben, man könne eine solche grundlegende Neuaufstellung der Zusammenarbeit der Mitarbeiter von oben herab verordnen. Das kann nur schief gehen.“

Wettbewerbsfähigkeit

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", sieht den Newsroom auf einem guten Weg, dass aber noch viele Aufgaben im Detail geklärt werden müssen. Lederer betonte, dass bei der Rekrutierung auf Multimedialität geachtet werden müsse. Dafür brauche man nicht zuletzt auch Begleiter und Coaches für die Auszubildenden, die dieser Aufgabe gerecht werden. Das Kollektivvertragsniveau bereitet ihm Sorge, es sei nicht wettbewerbsfähig. "Es ist wichtig, dass wir die Besten bekommen und diese die besten Bedingungen vorfinden", so der Stiftungsrat.

"Sehr sensibel" reagiert der SPÖ-"Freundeskreis" auf die "heute klar angesprochene audiovisuelle Konkurrenzsituation" zu Netflix und Co. Der ORF-Player müsse starten und eine für die vollständige Entfaltung nötige Gesetzesnovelle noch vor Sommer kommen. Was auch ohne Gesetz umsetzbar ist, solle möglichst rasch etabliert werden. Das würde für Bindung beim jungen Zielpublikum sorgen und die Verhandlungsposition gegenüber der Regierung stärken, meinte Lederer.

Stiftungsrat Lothar Lockl (Grüne) ortete bei der Geschäftsführung ein "klares Bekenntnis zu Pluralität und Vielfalt". Erfreut zeigte er sich darüber, dass der ORF in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf die Suche und Ausbildung von jungen Mitarbeitern legt. Das bereits angekündigte Traineeprogramm des ORF, mit dem viele "natürliche Abgänge" in den nächsten Jahren kompensiert werden, solle nur ein erster Schritt sein, dem noch weitere folgen. Den heimischen Medienstandort sieht er "wie auf einer Eisscholle, die schmilzt". Es brauche geeignete Rahmenbedingungen, aber auch eigene Anstrengungen, um Jüngere zu erreichen.

Herausforderungen

Für ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der mit einer Wiederkandidatur im Sommer liebäugelt, ist das größte Medienunternehmen des Landes "in allen Bereichen auf Kurs", wie er in einer Aussendung nach der Sitzung festhielt. Man habe trotz der herausfordernden Corona-Situation den Sendebetrieb abgesichert, die Marktführerschaft im Radio-, TV- und Online-Bereich gehalten und ein drohendes Verlustszenario von 75 Millionen Euro abgewendet. Das Publikumsvertrauen befinde sich auf einem Rekordniveau.

Das "Plattformzeitalter" sieht Wrabetz endgültig angebrochen. "In den USA wurden Streaminganbieter erstmals stärker genützt als traditionelle Broadcaster. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt", so der ORF-Generaldirektor. Es sei "unerlässlich", gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen, damit nationale Medienmärkte bestehen könnten.

Schwarze Zahlen

Laut vorläufigem Jahresabschluss für 2020 erzielte die ORF-Muttergesellschaft ein operatives Ergebnis von 7,7 Millionen Euro. Das operative ORF-Konzernergebnis beläuft sich auf 22,3 Millionen Euro. Die Umsatzerlöse der ORF-Muttergesellschaft lagen im Vorjahr bei rund 966 Millionen Euro - davon rund 645 Millionen Euro aus Programmentgelten und 200 Millionen aus Werbung. Letztere stabilisierten sich im zweiten Halbjahr, nachdem sie zuvor zurückgingen.

Gezielte Einsparungen und eine Konzentration der Ressourcen in der Information sowie zahlreiche weitere Programminitiativen in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Bildung, Sport und Filmen und Serien hätten dem ORF - hier vor allem ORF2 - Rekordreichweiten. Dadurch konnten im zweiten Halbjahr der Rückgang der Werbung gebremst und die Werbeerlöse stabilisiert werden.