Kultur/Medien

"Germanen-Voodoo-Ökonomie" und alles ziemlich "retro": Die Elefantenrunde

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*


Wenn alle TV-Duelle geschlagen sind, alle Argumente ausgetauscht, die Themen, die die Österreicher angeblich am meisten interessieren, besprochen sind – dann kommt noch die „Runde der Spitzenkandidaten und Kandidatin“, vulgo Elefantenrunde.

Das große Tröten war aber nicht mehr zu vernehmen. Irgendwie schien die Luft aus den Elefantenrüsseln schon etwas draußen. Und neue oder gar unerwartete Themen landeten nicht mehr auf dem Moderationstisch, der noch immer an eine aufputschende Limonade und deren Dosen erinnerte.

Redezeit

Am meisten Spannung versprach noch der Blick auf die Redezeituhr. Im ersten Teil hat Grünen-Chef Werner Kogler hier sein Konto ziemlich überzogen. Kein Wunder, ging es da doch um das Thema Budget, dann ums Hochwasser und den Klimaschutz. Hierbei sei so viel weitergegangen wie noch nie, sagte Kogler. Einsparmöglichkeiten sieht er, no na, bei umweltschädlichen Dingen. Er sehe nicht ein, dass "dicke Diesel-SUVs noch steuerlich begünstigt werden", sagte der Vizekanzler . Auch bei Straßenprojekten könne man sparen, also keine "Autobahnen betonieren“, wodurch nur neue Transitrouten mit heimischem Steuergeld subventioniert würden.

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer nahm sich im ersten Teil deutlich zurück, er schien sich etwas Redezeit aufsparen zu wollen. Das Budget solle vor allem durch Wirtschaftswachstum saniert werden. Es solle Steuergutschriften geben, das belaste das Budget nicht.

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Seriös

SPÖ-Chef Andreas Babler sagte, er wolle „keine neuen Steuern …“. Bis zu diesem Satzteil wären Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Nehammer wohl noch einverstanden. Aber es ging weiter: … keine neuen Steuern, die Klein- oder Mittelverdiener und -verdienerinnen treffen, sondern ausschließlich die Spitzenverdiener. 70 Prozent der Bevölkerung sehe er bei einer Vermögenssteuer auf seiner Seite. Nehammer schüttelte mit dem Kopf.

FPÖ-Chef Herbert Kickl will "einen seriösen Kassasturz" machen. Sofort einsparen könne man aber das gemeinsame europäische Luftabwehrsystem Sky Shield, die Ukraine-Unterstützung könne man sofort einsparen, auch kein Geld mehr für den Asylbereich. Was die Verwaltung betrifft, könne man sich bei anderen Staaten viel abschauen.

Hier also lohnt sich plötzlich wieder der Blick aufs Ausland.

Meinl-Reisinger machte wieder einmal Werbung fürs Einsparen in den Strukturen, trotzdem brauche es „Investitionen im Land“, während sie bei Bablers Vorschlägen erneut „Retro“-Politik ausmacht.

Kogler fand das nicht ganz seriös und geißelte zudem Kickls "Germanen-Voodoo-Ökonomie".

So viel zum Thema „seriöser Kassasturz“. Meinl-Reisinger hatte sich zu Beginn tatsächlich für den anständigen Wahlkampf bedankt. Anders, als in früheren Wahlauseinandersetzungen habe es keine „Schlammschlachten" gegeben.

Der zuhörende Kanzler

Das blieb auch bei der Elefantenrunde so. Nehammer meldete sich nach vierzig Minuten wieder einmal zu Wort und sagte tatsächlich, er habe „gerne zugehört“. Er erinnerte an die beeindruckende Arbeit der Helfer in den Katastrophengebieten, aber auch an die Hilfsgelder aus Katastrophenfonds und von der Europäischen Union. Die Bodenversiegelung sei in NÖ nicht das Thema gewesen. Der „Schwamm“ Wienerwald sei eben voll gewesen. Er wolle die Flutkatastrophe nicht „als Beweis für“ etwas sehen. Dann aber sagte er im Widerspruch dazu: „Es ist der Beweis dafür, dass der Klimawandel tatsächlich stattfindet, es ist der Beweis dafür, dass Starkregenereignisse häufiger vorkommen.“ 

Ist es jetzt der Beweis für etwas, gegen etwas oder für gar nichts? Das wurde nicht klar.

Moderatorin Alexandra Maritza Wachter kommentierte: „Es ist ein Momentum, um sich anzuschauen, ob genug passiert, das ist es.“ Nehammer sprach indes weiter. Das Klima müsse global angegangen werden. Österreich könne dafür die entsprechenden Technologien liefern.

Nun wollten ihn die Moderatorinnen einbremsen, Nehammer sagte: „Wie gesagt, ich habe die wenigste Redezeit bisher verbraucht“.

Moderatorin Susanne Schnabl kommentierte mit einem breiten Grinsen. „Sie holen aber trefflich auf.“

An Babler erging dann die Frage, warum die SPÖ nicht für Tempo 100 aus Autobahnen eintrete, eine Maßnahme die wirklich alle treffe. Der SPÖ-Chef wirkte etwas fahrig und ging nicht wirklich darauf ein. Er kritisierte ÖVP und FPÖ dafür, warnende Stimmen als „hysterisch“ einzuordnen. Plötzlich sprach er wieder über Körperschaftssteuern, die zu gering seien. Alle Studien von namhaften Expertinnen und Experten würden ihm recht geben. Er sei dagegen, zu sagen: "Der freie Markt regelt alles." 

Fragende Gesichter, warum Babler das jetzt sagte.

„Es war eine Verteidigung auf einen Angriff auf retro“, sagte Babler. 

Diese Verteidigung war auch etwas retro. Denn der „Angriff“ war ungefähr eine halbe Stunde davor erfolgt.

Meinl-Reisinger: „Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, sich hier abzuarbeiten.“

Ja, man fragte sich tatsächlich, warum sich Babler an den Neos abarbeitete – wo die Politikwissenschaft wenig Wählerschnittmengen zur SPÖ beobachtet.

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Reizthema Migration

Nach einer Stunde dann das Reizthema Migration.

Jetzt erwartete man die große Kickl-Show. Doch der FPÖ-Chef blieb ruhig im Ton, auch wenn er ein gewohnt düsteres Bild zeichnete. Die EU müsse zur Besinnung kommen, mit dem Migrationspakt würde nur der Status quo verwaltet. Es gab den gewohnten Problemaufriss. In Wien würden viele Eltern Kinder nicht mehr in öffentliche Schulen schicken wollen. Schuld sei die Islamierung, daher gelte es die „Festung Europa“ zu bauen. Gegen „islamistische Gegengesellschaften“ – eine interessante Wortschöpfung. 

Immer wieder schaute er in Richtung Nehammer. Der schüttelte aber den Kopf. 

Moderatorin Schnabl griff das auf und erinnerte daran, dass die FPÖ der ÖVP am Tag zuvor fast ein „Heiratsangebot“ unterbreitet habe: „Bauen wir gemeinsam eine Festung“.

Nehammer beeindruckte das nicht. Er offenbarte nun, wofür er sich die Redezeit ausgespart hatte. Kickl habe als Innenminister „gar keine Maßnahme verlängert, die nach der Migrationskrise 2015 wichtig gewesen wäre“. Man sehe, dass Kickl „sehr geschickt Reizworte in seine Aussagen“ hineinbringe, aber „der tatsächliche Lösungsgehalt, dass den Menschen Sorgen genommen werden, ist dann nicht vorhanden.“ 

Die „Asylbremse“ sei erst unter ÖVP-Innenministern dann wieder angezogen worden. Die „Schlepperverhaftungsrate“ sei gestiegen. 

Nehammer kennt also auch ein paar Reizworte.

Nehammer zeigte die Komplexität des Außengrenzschutzes auf, man brauche Aslyverfahren in sicheren Drittstaaten. Sozialleistungen sollen erst nach fünf Jahren Aufenthalt bezahlt werden. 

Schnabl und Maritza Wachter bezweifelten nun, ob das so einfach verfassungskonform durchsetzbar wäre.

Nehammer verwies auf Beispiele in Europa. Plötzlich erwähnte er dann die Abschaffung der Kalten Progression, mit dem mittlerweile schon standardmäßigen Zusatz: „den schleichenden Lohnfraß“.

Auch dieser Einschub war etwas retro. Er bezog sich auch auf Meinl-Reisinger und deren Anspruch, die Reformkraft in Österreich zu sein.

 

Hüter der Neutralität

Beim Thema „Äußere Sicherheit“ betätigten sich dann die meisten – außer der Neos-Chefin - als Hüter der Neutralität. Vor allem Babler tat sich hier als Oberhüter hervor – die SPÖ erinnert sich offenbar an die ältere Wählergruppe. Auch Zweifel an der Ausgestaltung von „Sky Shield“ hat Babler.

Kickl zauberte ein Taferl hervor, das illustrieren sollte, dass Österreich mit seinem Aktionsradius im Rahmen von „Sky Shield“ den russischen Raketen erst dann gefährlich werden könne, wenn Russland schon längst die Nato beschieße, „dann sind wir bitte im nächsten Weltkrieg“.

Diese Sichtweise ist kreativ. Natürlich wären solche russischen Angriffe geeignet, einen Weltkrieg auszulösen. Aber ohne eigene Luftabwehrsysteme würden die Raketen ja dennoch ungehindert in unserem Land einschlagen. Hier endet offenbar der Wille zur „Festung Österreich“.

Nehammer bezichtigte Kickl der „Angstmache“ und betonte die Bedeutung der Luftverteidigung auch für „die innere Sicherheit“.

Nun wurde dann doch noch ziemlich durcheinander geredet.

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Die Koalitionsfrage

Zum Schluss starteten die Moderatorinnen den aussichtslosen Versuch, Klarheit über Koalitionspräferenzen zu bekommen.

Überraschung: Keiner wollte sich richtig festlegen.

Nehammer betonte noch einmal, Kickl auszuschließen, weil sich dieser in „Verschwörungstheorien“ verliere und sich radikalisiere. 

Die FPÖ schloss er weiterhin nicht aus, aber er wolle nicht sagen, mit wem er in einem netten Austausch stehe, „weil die hätten’s dann nicht leicht gerade in der FPÖ“.

Kickls radikale Antwort auf den Vorwurf der „Verschwörungstheorien“: "Viel schlimmer sind Politiker, die sich gegen die eigene Bevölkerung und gegen die Demokratie verschwören." Nehammer habe ihn insgesamt als Person ausgeschlossen, sagte Kickl „am besten soll ich mich in Luft auflösen, aber Herr Nehammer, diesen Gefallen werde ich Ihnen nicht machen.“

Nehammer übte sich ein bisschen in Staatslehre, den Regierungsbildungsauftrag erteile immer noch der Bundespräsident. Dass das bisher immer zunächst die stimmenstärkste Partei gewesen sei, sei kein Widerspruch. Er präzisierte nun seinen Vorwurf der „Verschwörungstheorien“. Kickl habe die WHO als „nächste Weltregierung gebrandmarkt“, jene Organisation, welche die Kinderlähmung und andere Seuchen ausgerottet habe.

Babler wich der Koalitionsfrage komplett aus und schien lieber noch ein paar Punkte unters Volk bringen, die er bisher noch nicht untergebracht hatte – sogar, horribile dictu - die Kulturpolitik (!). Diese wird ja höchst selten als Wahlkampfschlager eingesetzt. Er sei „ein stolzes Kind einer Arbeiterfamilie“, obwohl das viele nicht gern hören wollen.

Jetzt wissen wir das auch noch.

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Redezeit

Die Redezeituhr tickte unerbittlich. Rund zwei Stunden hatte man schon diskutiert.

Nehammer hatte sich nun mit 19:04 Minuten Redezeit an die Spitze gesetzt. Es folgten Kickl mit 18:47, Babler mit 17:53. Etwas abgeschlagen waren Kogler und Meinl-Reisinger mit rund 15:50 Minuten.

Die Neos-Chefin landete immerhin noch einen Punkt. Es heiße in der Politik nicht „The Winner takes it all“, sehr wohl sehe sie aber "Männer, die darum rittern, dass auf der Visitenkarte Bundeskanzler steht“. Dabei gehe es um eine Regierungsmehrheit, die den Stift in die Hand nehme, um die Geschichte Österreichs weiterzuschreiben. 

Sie malte eine Neuauflage einer schwarz-blauen Regierung - „Ibiza 2.0 mit Festungsfantasien und Weg Richtung Orban“ - an die Wand. Das wolle sie nicht, ebenso wenig eine Regierung des „bleiernen Stillstands  von Jahrzehnten“ unter Schwarz-Rot. 

Damit will sie klarerweise abwenden, dass sich viele Bürgerliche und Liberale noch dazu entscheiden, im Zweifel die ÖVP zu stärken. 

Kogler betonte noch einmal, zu seiner Umweltministerin Leonore Gewessler zu stehen und brachte seinen wichtigsten Claim: „Klimaschutz, auch Naturschutz, gibt es in der echten Ausformung nur mit den Grünen.“ Er hoffte auf eine Aufholjagd – und hatte für den Noch-Koalitionspartner noch ein paar Spitzen. Kogler erinnerte an die aktuellen Koalitionen auf Landesebene mit der FPÖ. Einen Unterschied zwischen Kickl und Udo Landbauer (in NÖ) sehe er nicht, „dieses Seminar schauert‘ ich mir an.“ Auch in Burgenland schiele man auf die Blauen. Die Grünen würden hier für eine „ehrliche Brandmauer“ stehen, „damit die Rechtsextremen nicht in die Regierung kommen“.

Politiker ohne Eigenschaften

Als Abschlussfrage wurde erneut ein aussichtslos scheinender Versuch unternommen – nämlich „eine Eigenschaft, die Sie ausmacht, um dieses Land künftig zu regieren“.

Von Kogler zu erhoffen, sich kurz zu halten, ist tatsächlich optimistisch. Er wollte noch auf das Regierungsprogramm („Verantworung für Österreich“) eingehen, und nannte dann aber doch zwei Eigenschaften: „Immer weiter kämpfen und wieder aufstehen.“

Babler: „Keine Abgehobenheit, sondern Respekt vor Menschen, vor ihren Bedingungen, in denen sie leben, und Augenhöhe, und Politik hat Verantwortung, Bedingungen zu verändern und Aufbruch.“

Das waren dann drei Eigenschaften – oder waren es vier?

Nehammer, nach einer kurzen Vorrede: „Verantwortungsbewusst und redlich zu handeln“

Kickl: „Demut gegenüber dem Wählerwillen in Kombination mit Durchsetzungsstärke.“

Vielleicht wäre das der Moment gewesen, um an die berittene Polizei zu erinnern, die nie eingeführt wurde. Aber so ein Zwischenruf hätte auch nicht zu der gesitteten Diskussion gepasst.

Meinl-Reisinger war noch dran. Sie sagte, sie sei „ein Kind der Zuversicht“, sie glaube „an die Tatkraft eines jeden einzelnen Menschen“, und - nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ach … und Freude.“

Sie sei „wirklich dankbar für diesen Wahlkampf und die vielen freudvollen Begegnungen“.

Friede, Freude - und ein größer werdender Kuchen? Jetzt kann gewählt werden.