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Dänen lügen nicht

Politische Debatten finden in Österreich meist nach dem gleichen Muster statt. Die weltanschaulich Geneigten einer Seite duellieren sich mit der anderen Seite. Es geht um die Besteuerung der Kapitaleinkünfte. Eine ÖGB-Expertin schrieb an dieser Stelle, Kapitaleinkünfte wie Dividenden und Veräußerungsgewinne sollten wie in Dänemark mit 42 % besteuert werden. Sie hätte hinzufügen müssen, die dänische Erbschaftsteuer wäre auch zu übernehmen.

Es geht um die Frage, ob Veräußerungsgewinne von Wertpapieren dann nicht zu besteuern sind, wenn sie über einen bestimmten Zeitraum gehalten werden um so einen Aufbau von Vermögen fürs Alter zu ermöglichen. So ein System gibt es in vielen Staaten. Der ÖGB meint, das wäre ungerecht und nütze nur den Vermögenden. Aber wie steht es dann mit den Altersversorgungen, die sich Gewerkschaften selbst erkämpft haben, wie die Zusatzpensionen der Dienstnehmer der Stadt Wien, vereinbart mit der Pensionskasse VBV? In dem System wird beim Ansparen gar nichts besteuert. Wer so anspart, ist ein Vermögender, der nicht einmal einen Verlustausgleich über die Jahresgrenze hat, sollte er Veräußerungsverluste eingefahren haben. Das haben die Dänen in ihrem Steuerrecht.

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Das dänische Steuersystem wäre dann gerecht, wenn man sich auch ein Beispiel am dänischen Staatssystem nehmen würde. Dort gibt es keine Selbstverwaltung wie die Sozialversicherungsträger, weil es keine Pflichtmitgliedschaftsorganisationen wie die Kammern gibt. Es gibt auch keine Länder, keine Lohnnebenkosten. Die Gemeinden wurden seit 2007 von 271 auf 98 reduziert und jede gehört zu einer der fünf Regionen. Jede Gemeinde bestimmt die eigene Einkommensteuer, die zwischen 22 und 25% beträgt, und von staatlichen Behörden erhoben wird. Finanzausgleich gibt es keinen. Die Einkommensteuer des Zentralstaates beträgt 15 % ab einem Einkommen von DKK 588.900 und darunter von 12.09 %. Die Körperschaftsteuer beträgt 22 %. Kapitaleinkünfte werden bis zu einem Einkommen von 61.000 DKK mit einem Satz von 27 % und darüber mit 42 % besteuert. Es gibt eine Grundsteuer, die vom Wert des Grundstückes, nicht jedoch des Gebäudes berechnet wird und eine Arbeitsmarktabgabe von 8 %, die nur Arbeitnehmer bezahlen.

Liebe Gewerkschafter, gerne kann die Erhöhung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte in Betracht gezogen werden, wenn auch das übrige System Dänemarks ein Vorbild ist. Etwa die Tatsache, dass es im dänischen System keine Verpflichtung gibt, Betriebsräte freizustellen. Nur die eine taugliche Maßnahme für nachahmenswert zu propagieren, jedoch alle anderen für die Bürger und Unternehmen vorteilhaften Umstände unerwähnt lassen, ist wohl einseitig. Man kann sich das alles vor Ort erzählen lassen, denn die Dänen lügen nicht.

Gottfried Schellmann ist Wirtschaftsexperte und Steuerberater in Wien