Wolf: "Sehr bemüht" um eine Kogler-Antwort auf die Kellernazi-Frage
Von Peter Temel
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends *
Die Verabschiedung „von allen, die via 3sat dabei waren“, erfolgte am Mittwochabend schon nach dem zweiten ZiB2-Beitrag, „weil das Gespräch mit dem Vizekanzler doch deutlich länger geworden ist als geplant“, sagte Armin Wolf.
Fast zwanzig Minuten lang sprachen Wolf und Grünen-Chef Werner Kogler über das Koalitionsklima.
Gleich die erste Antwort Koglers, auf die Frage Wolfs, warum die gestaffelte Anpassung der Pensionen an die Inflation nicht gleich dauerhaft ausgesetzt wurde, war gegen den Koalitionspartner gerichtet.
Kogler sagte: „Ja, die Kritiker dürfen sich an jene wenden, die das nicht unbedingt wollen. Wichtig ist, dass es jetzt mal für zwei Jahre geschehen ist.“
Die Antwort war freilich drei Mal so lang, wir müssen kürzen.
Wolf fragte noch einmal nach: „Jene, die das nicht wollen, das war die ÖVP, nehme ich an?“
Das war eigentlich eine Ja/Nein-Frage. Aber Kogler wäre nicht Kogler, wenn er daraus nicht eine Abhandlung zimmern würde: „Das weiß ich nicht so genau, wer hier in der ÖVP den Einfluss gegeben hat, die ist ja auch nicht immer nur homogen, ob es gerade eher die Christlichsozialen sind oder die Wirtschaftsorientierten. Ich habe mich da nicht immer nur schlau gemacht. Ich finde, dass wir hier in den letzten Tagen gut verhandelt haben und mal alles weggeräumt haben hier für zwei Jahre.“
"Ich muss Sie ein bisschen bremsen“
Wolf bewies nun, dass er auch lang fragen kann: „Gut, jetzt hat ja der Sozialminister wenig Zweifel daran gelassen, dass er es gerne permanent gemacht hätte. Das ging offenbar mit dem Koalitionspartner nicht. So wie auch die monatelang angekündigte Mietpreisbremse nicht. Sie haben eine Blockade der ÖVP dafür verantwortlich gemacht. Frau Tomaselli hat heute von Politik mit schlechtem Stil von der ÖVP gesprochen. Und Ihr Wiener Landessprecher, der ist am Samstag beim Parteitag in Wien noch weitergegangen und hat gesagt, die Politik der ÖVP sei, Zitat, „niederträchtig, herzlos und einer staatstagenden Partei unwürdig“. Warum tragen die Grünen so eine Politik dann mit?
Kogler antwortete freilich noch länger. Wir steigen dort ein, wo er die Einigung zu den Mieten verteidigte: „Die große Mehrheit derer, die weniger verdienen, haben jetzt sogar den Vorteil, dass alle was kriegen. Bei der Mietpreisbremse werden das nur wenige gewesen. Und wir müssen ja die Menschen im Auge haben, die es auch wirklich brauchen. Und deshalb ist es einmal schon eine gute Lösung.“
Wolf fand die Lösung „so toll jetzt auch wieder nicht“. Die erhöhte Wohnkostenförderung von insgesamt 250 Mio. Euro würde nur 200 Euro pro Haushalt bringen, da sei die Mietpreiserhöhung „dramatisch höher im Normalfall“.
Kogler betont die soziale Treffsicherheit: „Ja es sagt ja niemand, dass jedem alles abgegolten werden kann. Hier geht es ja darum, dass jene, die weniger verdienen, dieses kriegen.“ Die Bundesländer würden das organisieren und hättenschon weitere 450 Millionen bereit gestellt.
Wolf: „Aber die 450...“
Kogler: „... die hier jetzt, die hier jetzt für erhöhte Energiekosten und Wohnkosten an jene verteilt werden, die es wirklich brauchen. Also das muss man jetzt nicht wirklich schlecht reden.“
„Herr Vizekanzler, Herr Vizekanzler, ich muss Sie ein bisschen bremsen.“
„Im Übrigen ist es genau das Gegenteil dieser Gießkanne, die immer behauptet wird.“
„Die 450 Millionen können Sie nicht doppelt verkaufen, die waren ja schon vorher da. Also die sind ja nicht als Ersatz für die Mietpreisbremse …“
„Ja aber das kriegen ja auch die Haushalte, das kriegen ja nicht Sie.“
Warum geht es plötzlich um Armin Wolf?
"Sie stellen öfter die längsten Fragen“
Dieser bemühte sich, Koglers Redeschwall zu unterbrechen: „Ja aber die haben mit der Mietpreisbremse nichts zu tun. Der WIFO-Chef Felbermayr … der WIFO-Chef Felbermayr, der jetzt kein linksradikaler...
„Ja aber mit den Kosten hat es was zu tun, die die Haushalte haben …“
„... kritisiert diese Lösung scharf und sagt, solche Geldzuschüsse bremsen die Inflation nicht nur nicht, sondern sie befeuern sie sogar. Und das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir brauchen.“
„Ja das ist ja genau mein Argument, dass die Mietpreisbremse einen zusätzlichen Vorteil gehabt hätte, dass wir nämlich einen inflationsdämpfenden Effekt gehabt hätten.“
„Aber Sie haben sie nicht zusammengebracht.“
„Ja, weil die ÖVP das nicht wollte. Aber deshalb ist die Lösung, die herausgekommen ist, ja kein schlechtes“, sagte Kogler und drang dann in die Lehren der Sozialökonomie vor. Wir kürzen das jetzt ab.
Auch Wolf landete einen Seitenhieb: „Herr Vizekanzler, Sie haben als Abgeordnete die längste Rede in der Geschichte des österreichischen Parlaments gehalten. Ich würde Sie sehr bitten das nicht hier im Studio zu wiederholen, weil so viel Zeit haben wir nicht ...“
„Aber Sie stellen öfter die längsten Fragen“, konterte Kogler gewitzt.
"Es geht ja um die Menschen"
Es ging weiter ums Thema Inflation. Die sei in Österreich nur deshalb im EU-Schnitt höher, weil man Länder wie Spanien und Portugal (“die subventionieren das Gas auf Teufel komm raus“) herausrechnen müsste. Letztlich sei die Kaufkraft in Österreich höher als in solchen Ländern, sagte Kogler.
Wolf fasste zusammen: „Okay, also Sie sagen, die Inflation ist nicht so sehr das Problem, weil genug Geld da ist. Apropos Geld. Kanzler...“
„Es geht ja um die Menschen, denen man da helfen will und das besteht ...“
Es ging noch ein bisschen hin und her, dann meinte Wolf: „Herr Kogler, ich wollte eigentlich Ihre Antwort zusammenfassen und nicht Sie zu einer neuen Ausführung einladen.“
Er konfrontierte Kogler mit ein paar angriffigen Aussagen des Bundeskanzlers. Die Kürzung der Sozialhilfe für alle, die nicht fünf Jahre durchgehend in Österreich sind. Oder das Wort von der „Untergangsapokalypse“ die in Bezug auf den Klimaschutz verbreitet würde. „Hat Sie das eigentlich enttäuscht?“ fragte Wolf. Ob er das als Absage an eine Koalition zwischen ÖVP und den Grünen verstanden habe.
„Nein“, meinte Kogler, „wir haben früher schon ganz andere Reden gehört und dann hat es auch eine Grün-ÖVP-Regierung gegeben. Also den Vergleich kann man Klavier spielen.“ Es handle sich um die Rede eines Parteiobmanns und er halte das „nicht nur für legitim, sondern sogar für wünschenswert, dass die Parteien auch innerhalb einer Legislaturperiode, ihre zukünftigen Vorstellungen einbringen.“
Der Vizekanzler unterstrich seinen guten Mut, dass Schwarz-Grün durchaus noch Regierungsvorhaben umsetzen werde.
"Die Halberten sind schon beschlossen"
Wolf sprach das längst überfällige Klimaschutzgesetz an.
Kogler: „Jetzt geht es mal darum, die Klimaschutzgesetze, das sind ja viele, fertig durchzubringen. Die Halberten sind schon beschlossen, erzeugen eine super Wirkung.“
Wolf drängte wieder auf ein „Ja oder nein“. „Herr Vizekanzler, das lässt sich doch ganz einfach beantworten.“
Kogler sprach weiter von Klimaschutzgesetzen, Wolf sagte: „Nein, Sie wissen genau, dass ich DAS Klimaschutzgesetz meine.“
Kogler erklärte, dass die ökologisch-soziale Steuerreform, Klimaticket et cetera auch „das Bohren harter Bretter“ gewesen sei, „und es ist immer gelungen und ich bin auch da sehr zuversichtlich.“
Informationsfreiheitsgesetz und Abschaffung des Amtsgeheimnisses?
Für Kogler ist das „uno-actu und das ist ziemlich im Fertig-werden, jedenfalls auf Bundesregierungsebene“. Er gehe davon aus, dass das noch dieses Jahr beschlossen wird.
Kellernazi-Frage: "Ganz eng ins Argument"
Das Koalitions-Klima wurde noch weiter erörtert. Wolf sprach die massive Kritik Koglers an der nö. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) an, dass sie „mit Kellernazis regieren würde“. Jetzt wollte es Wolf konkret wissen: „Wen meinen Sie denn konkret mit Kellernazi? Den neuen Landeshauptfraustellvertreter Landbauer oder den zweiten Landtagspräsidenten Waldhäusl?“
Kogler kam ausführlich auf Landbauers Reaktion auf die Erdbebenhilfe für Türkei und Syrien zu sprechen. „ Die Reaktion des Herrn Landbauer, dass wir hier Steuergeld den Nichtwürdigen hinschmeißen … das geht nicht. Das ist rassistisch.“
„Herr Kogler, Sie weichen mir großräumig aus … Die Frage: Wer sind...“
„Nein, ich gehe ganz eng in das Argument.“
Wolf wollte es aber wesentlich enger: „Sie haben von Kellernazis gesprochen. Wen meinen Sie konkret?“
Für Kogler sind es „Spitzenfunktionäre in der FPÖ, die ja zumindest vor Jahren dabei ertappt wurden, entsprechende Liederbücher gehortet zu haben, wo das Vergasen von Juden verherrlicht wurde. Ich meine, wo leben wir denn?“
„Also meinen Sie Herrn Landbauer?“
„Wir kennen das alles. Ich weiß ja gar nicht, wie viel Liederbücher der Herr Landbauer gehortet hat …“
„Meinen Sie den Herrn Landbauer?“
Es trat wieder das Ja/Nein-Problem auf.
Kogler formulierte es so: „Aber der Herr Landbauer hat das damals gar noch verteidigt und deshalb darf er sich, darf er sich schon zu diesem Kreis zählen. Und ich stimme da überein mit dem Herrn Deutsch von der Israelitischen Kultusgemeinde. Der hat ja diesen Begriff auch gebraucht. Und ich denke: zurecht. Warum? Weil es dort auch, ohne, dass es beanstandet wurde, Funktionäre gibt, die den Hitlergruẞ zeigen. Also, wenn das jetzt noch ein besonderes Thema ist in dem Land, dann verstehe ich bestimmte Menschen nicht, die das einfach nur gutheiẞen in Niederösterreich. Deshalb müssen wir schon am Anfang das Wort erheben und sagen, was Sache ist.“
Wolf bat um „ein bisschen kürzere Antworten“. Ein frommer Wunsch, aber ein reines Ja/Nein-Interview wäre wiederum auch relativ witzlos.
"Nie zu spät zur Umkehr"
Der Vizekanzler reagierte relativ kühl auf die Frage, ob eine Ampelregierung, die Gesundheitsminister Rauch zuletzt ins Spiel brachte. für ihn vorstellbar sei. Ein Satz als Beispiel: „Wir brauchen die ökologische Umsteuerung auf sozial tragfähiger Basis. Das ist Grün und mit Vernunft. Und das kann man bei der SPÖ nicht immer entdecken, aber es ist ja nie zu spät zur Umkehr.“
„Gut“, sagte Wolf, „immer wieder wird darüber spekuliert, dass die ÖVP die derzeitigen SPÖ-Turbulenzen als Anlass für vorgezogene Neuwahlen ausnützen könnte. Halten Sie das für realistisch oder für möglich?“
Kogler: „Ja, wir sollten alle nicht wechselseitig so viel mit den Fingern aufeinander zeigen und uns erinnern, wer wann welche Turbulenzen in den letzten Jahren hatte, jeder und jede in seiner Partei.“
„Die Frage war ganz einfach. Halten Sie es für möglich, dass die ÖVP in vorgezogene Neuwahlen geht?“
„Ja. Das mag schon sein, dass die ÖVP Gründe findet, warum sie das irgendwann schlau findet. Möglich ist immer alles, wenn das die Frage war …“
„Das war die Frage.“
„Möglich ist es schon, aber was haben wir von der Antwort? Ich halte es nicht für wahrscheinlich.“
Umwege
Man muss Kogler zugutehalten, dass er sich tatsächlich immer wieder Antworten überlegt, die auch etwas aussagen sollen – wenngleich man auf dem Weg dorthin immer wieder Umwege in Kauf nehmen muss.
Ob er bei den kommenden Wahlen, wann immer sie kommen, wieder Grüner Spitzenkandidat sei? Das habe Kogler in der Kronen Zeitung gesagt. „Habe ich das richtig gelesen?“, fragt Wolf.
„Das habe ich nicht in der Kronen Zeitung gesagt. Macht aber nichts.“
„Naja, Sie haben gesagt, "ich bin bis Mitte 2025 als Bundessprecher der Grünen gewählt. Das nehme ich schon als Antrieb, wieder zu kandidieren."
„Genau. Und zuvor habe ich gesagt, ich werde es mit meinem Team besprechen. Ich bin leidenschaftlicher Teamplayer.“
Kogler versuchte es nun kryptisch, mit einem alten Zitat des amtierenden Bundespräsidenten: „Noch ist mir jetzt der Ziegelstein nicht auf den Kopf gefallen.“
Wolf befürchtete offenbar, dass den Zuschauern bei 3sat bald der Ziegelstein auf den Kopf fällt, und kam zur letzten Frage: „Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Grünen Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. Wenn es zu einer Anklage gegen ihn kommen sollte, muss er dann zurücktreten?“
Kogler: „Erstens ist das meilenweit weg …“
Meinte er jetzt Innsbruck?
Nein. Kogler: „Das wird davon abhängen, was die Begründungen und Umstände sind. Wir müssen nur hören, was eigentlich die Lage dort ist.“
Wir fassen wieder zusammen. Wolf sagte, die ZiB 2 habe das am Dienstag ausführlich berichtet. Und es gilt die Unschuldsvermutung.“
„Nein, es geht mir gar nicht um die Unschuldsvermutung“, sagte Kogler, „das macht öfter ein Problem.“ Aber er müsse die Sendung noch einmal nachschauen.
Wolf: „Wenn es eine Anklage gibt, kann er dann im Amt bleiben?“
Kogler: „Das wird von den Begründungen der Anklage abhängen, so wie wir das sonst auch halten. Ich glaube aber, dass es überhaupt keine geben wird.“
Wolf: „Herr Vizekanzler, ich habe mich sehr bemüht. Danke für Ihren Besuch im Studio.“
Wenn Sie, werte Leserin, werter Leser, bisher gelesen haben, können Sie ebenfalls sagen: „Ich habe mich sehr bemüht.“