"Mary Poppins": Die Wiederkehr der starken Nanny
Sie war sechs Jahre alt, als sie „Mary Poppins“ im Kino sah. Jetzt spielt Emily Blunt selbst das wohl bekannteste Kindermädchen der (Film-) Welt. Bei ihrer Rückkehr auf die große Leinwand besticht die stets adrett gekleidete Mary Poppins vor allem durch ihre magischen Fähigkeiten. Und in jeder Hinsicht bezaubernd wirkt auch ihre Darstellerin.
KURIER: Sie haben in Ihren Filmen meist sehr starke Frauen gespielt. Wie würden Sie da die Rolle der Mary Poppins einordnen?
Emily Blunt: Für mich ist „stark“ ein ziemlich nebulöses Wort, vor allem wenn es dabei um Frauenrollen geht. Bei Bruce Willis würde man zum Beispiel nie sagen, dass er einen „starken Mann“ verkörpert. Er ist ganz einfach der „Held“ – vor allem wenn er Bösewichte verprügelt. Im Vergleich dazu ist Mary Poppins viel stärker. Sie kann sich ohne einen Mann an ihrer Seite in der Welt behaupten und sie kann Kindern gute Manieren beibringen – dazu braucht man mehr innere Kraft, als beim Kampf gegen einen Bösewicht. Mit der Stärke bei Frauen ist es so wie mit dem Ehrgeiz: Bei Männern ist er bewundernswert, bei Frauen peinlich und fehlgeleitet.
Apropos Geschlechterverhältnis: Haben Sie es zu Beginn Ihrer Karriere als Schauspielerin manchmal als schwierig empfunden, dass Filmsets von Männern dominiert werden und diese meist auch mehr verdienen?
Das würde ich so nicht unterschreiben. Gerade am Anfang habe ich es einfach nur genossen, überhaupt zu arbeiten, da habe ich mir über derartige Ungerechtigkeiten nicht den Kopf zerbrochen. Solche Missverhältnisse fallen einem erst auf, wenn man etwas älter und erfolgreicher wird, schon allein, weil man den Luxus hat, aus verschiedenen Projekten auszuwählen und genau hinzusehen, bei welchem Film man mitwirken will und warum.
Ein Wunschprojekt also. Wie hat sich das Image der Figur für Sie verändert. Sie waren ein Kind, als Sie den Originalfilm im Kino sehen konnten – und Sie sind jetzt selbst Mutter und spielen diese Rolle?
Dank Julie Andrews ist Mary Poppins zur Ikone geworden und ich hatte daher ein wenig Angst davor, gegen die nostalgischen Erinnerungen des Publikums anzukämpfen. Aber die Freude, diese Rolle spielen zu können, hat für mich überwogen. Wer würde nicht gerne singend an der Seite von Pinguinen tanzen? (lacht)
Stimmt es, dass nicht einmal Ihr Ehemann wusste, wie gut Sie singen können?
Ja, das stimmt. Denn ich singe zwar gerne, habe das bisher aber nie vor anderen Leuten gemacht. Und schon gar nicht vor Menschen, die mir nahestehen – das ist für mich noch peinlicher.
Aber angeblich singen Sie immer beim Duschen. Hat Sie Ihr Mann da nie gehört?
Unsere Badezimmertür ist ziemlich schalldicht. Um mich zu hören, müsste er mit mir gemeinsam unter der Dusche stehen – aber da singe ich nicht. (lacht)
Der Film spielt in den 1930er Jahren, also in der Zeit, in der die „Mary Poppins“-Bücher geschrieben wurden. Wie wird, Ihrer Meinung nach, das junge Publikum heute auf die eher strikten Erziehungsmaßnahmen des Kindermädchens reagieren?
Der Regisseur des Films, Rob Marshall, lässt den Film ganz bewusst in den Krisenjahren der Zwischenkriegszeit spielen, weil er meint – und da gebe ich ihm völlig recht –, dass heute vieles an die damalige Depression erinnert. Rücksichtsvolles Benehmen und Mitgefühl sind gerade in Krisenzeiten besonders wichtig – damals wie heute. Man muss Kindern auch möglichst liebevoll Grenzen setzen, denn nur so kann man sie auf die Welt außerhalb der Familie vorbereiten. Meiner Ansicht nach war es viel zu lange aus der Mode, zu Kindern auch „Nein“ zu sagen. Glauben Sie mir: als Mutter weiß ich wie schwer das ist. Ein Teil des Erfolges von Mary Poppins ist sicher auch, dass sie Disziplin einfordert. Mir hat das als Kind imponiert, dass man sich innerhalb gesetzter Grenzen irgendwie sicherer fühlen kann.
Wie war eigentlich Ihre eigene Erziehung? Hatten Sie in Ihrem Leben auch so jemanden wie eine strenge Mary Poppins?
Meine Großmutter hat diese Rolle bei mir gespielt. Sie war streng und liebevoll zugleich – und sie hatte magische Fähigkeiten, wenn es darum ging, aus dem Kühlschrank oder aus dem Backrohr Köstlichkeiten hervorzuzaubern. Sie war auch eine wunderbare Geschichtenerzählerin und in jeder Beziehung „cool“.
Was glauben Sie: Wie „cool“ sind Sie in den Augen Ihrer Kinder?
In den Augen meiner kleinen Tochter Hazel bin ich sehr cool. Aber noch ist sie kein Teenager und der Cool-Faktor könnte also noch etwa zehn Jahre anhalten. Danach werde ich für sie ganz plötzlich so langweilig und altbacken sein, wie alle Mütter von Teenagern.
(Von Gabriele Flossmann)