Kultur

Martin Spengler: Wenn Wien die Weltmusik erfunden hätte

Ein Album,  das mit der Zeile „Dupdap duda“ beginnt, kann nicht schlecht sein.

„Zwa Dog“ ist das erste Lied auf dem neuen Album von Martin Spengler & Die foischn Wiener. Der Sound ist unverkennbar: Diese weinselig tanzende Mischung aus Wienerlied, Jazz und Indiepop. Hätte Wien die Weltmusik erfunden, würde sie so klingen.

Und dazu kommen diese einzigartigen Texte, diese kleinen Beobachtungen: „Und die Sunn scheint wia am ersten Tog/seit sie da om am Himmö pickt“ ... „Zwa Dog san besser ois a Hund ala“. Das Lied „Zwa Dog“ handelt von einer großen Liebe, die hätte sein  können, wäre das Leben besser aufgelegt.

Das neue Album des Wieners aus Oberösterreich heißt „Es könnt oba a ois gaunz aundas sein“, es ist das vierte der Formation, und der Titel ist keine Anspielung auf Corona. Spengler: „Wir leben in einer schwierigen Zeit, umso besser passt der Titel. Manche Leute haben mich schon gefragt, ob ich was gewusst habe ...“

Spengler sitzt derzeit, wie wir alle, zu Hause, mit seiner Familie. „Mir geht es gut. Wir stehen jeden Tag später auf und gehen jeden Tag später schlafen. Ich lerne Lieder, die ich seit Jahren vergessen habe. Wir machen Musik zu Hause, und wir spielen aus dem Fenster.“ Spenglers Söhne, 15 und zwölf Jahre alt, spielen Schlagzeug und Klavier. „Jetzt spielen sie sogar mit dem Papa, etwas, was sonst eher uncool ist.“

Lehrer

Spengler ist im Brotberuf Lehrer und versucht, den Unterricht via Internet zu organisieren, was sich als nicht gerade leicht erweist. Existenzängste hat er, im Unterschied zu vielen anderen Künstlern, daher nicht.  Dass sein Album ausgerechnet jetzt erscheint, nimmt er stoisch hin: Vielleicht hätten die Menschen gerade jetzt Zeit.

Und ehrlich gesagt: Wer hat nicht Bedarf an großartigen Liedern mit großartigen Texten? Texten wie „Wean, du bist a Parkhaus wuan/fia de Geländewagen/wo is des Gelände/muass ma si am Ende fragen?“ („Wean“).

Oder „Renn ned dem nach/der am lautesten schreit/sei söba a Licht in der finstersten Zeit“ (aus „Blauäugiger Bua“, vage inspiriert von Bob Dylans „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“): „Wo gehst du hin, mei blauäugiger Bua/die Gullydeckel gehn nimmermehr zua“.

Ein dunkles Album zur Zeit wollte er schreiben, „ein Protest-Dings“, aber beim Schreiben sei die  Musik immer heller geworden. Spengler: „Die gesellschaftlichen Umstände wurden besser durch Ibiza.“

Optimist

Es gehe ihm um eine Utopie des Aufbruchs. Ist er Optimist? Spengler: „Wahrscheinlich.  Im Emotionalen ja, im Rationalen  nein. Es ist das Lutheranische in mir: Heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.  So muss man mit zwei Kindern auch denken.“

Diese zwiespältige Haltung kommt in wunderbar hintersinnigen Zeilen zum Tragen: „I hob kan Hund/oba a ziemlich guads Gfüh“ („Wuaschtsemmal“).  Oder in unwiderstehlich hoffnungsvoll-melancholischen Liebesliedern wie  „Du und i“ oder „Zaubara“: „Waunn i endlich zaubern kann/dann zaubert i di zruck“. Oder im großartig schrägen „Lobhudla“: „Ois staatlicher Lobhudler warat i gern pragmatisiert.“

Solche Satzfetzen hat Spengler oft jahrelang im Kopf, bis sie sich zu Liedern formen. „Ich kann mich nicht hinsetzen und sagen, jetzt schreibe ich ein Lied.“ Die Lieder wissen sozusagen selbst, wenn sie fertig sind und ein Album ergeben.

Und ein Album, das mit folgenden Zeilen endet, kann nur großartig sein: „Foar, foar, foar ma zua/solang ma ned hin san, geb ma ka Ruah“.

Am Mittwoch um 19.45 Uhr ist Martin Spengler live auf ORF3 zu hören.


Zu bestellen unter anderem über martinspengler.at.
guido tartarotti