Marilyns Rock flog im Kino anders
Von Michael Huber
Es ist fast ein Naturgesetz, dass bestimmte Medienformen erst als kulturelle Entwicklungen gewürdigt werden, wenn sie im Verschwinden begriffen sind. Zwar sind Filmstandbilder nicht ganz tot – zu jedem Blockbuster gibt es ein paar Motive, die immer wieder reproduziert werden. Aber die Zeiten, als man vor dem Kino in Schaukästen starrte, um sich anhand von Hochglanz-Abzügen ein Bild dessen zu machen, was einen im Saal erwartete, sind vorbei: Man hat den YouTube-Trailer ja in der Hosentasche.
Eigenleben
Das Österreichische Filmmuseum aber sammelte die Promotion-Fotos, die oft nach Gebrauch weggeworfen wurden, in großer Zahl. Auf Basis der Bestände führt die Schau „Film-Stills“ in der Albertina (bis 26.2.2017) eindrucksvoll vor Augen, welches Eigenleben die Standbilder von der Frühzeit des Kinos bis Mitte der 1970er-Jahre führten und in welch vielfältiger Weise sie sich von Filmbildern unterscheiden.
Gerade Harbou gestaltete seine Fotos gern nach Vorbildern aus der bildenden Kunst: Der Vergleich eines Blattes der „Nibelungen“-Saga des Secessions-Künstlers Carl Otto Czeschka mit einem Foto Harbous lässt in der Schau keinen Zweifel daran.
Durchlässige Bilder
In der Wahrnehmung des Publikums aber hatten „spontane“ und hochgradig artifizielle Bilder denselben Effekt: Sie brannten sich in das Gedächtnis ein und wurden zu visuellen Kürzeln, die einen Film oder einen Star dauerhaft festhielten.
Dabei kamen viele der berühmtesten Motive in den Filmen gar nicht vor. So wurde das Bild aus „Das verflixte 7. Jahr“, in dem ein Windstoß aus dem U-Bahn-Schacht Marilyn Monroes Rock hebt, zur Vorlage für Posters und Statuen des Stars, die Szene aber wurde mehrfach fürs Foto gestellt: Im Film ist Monroe nie ganzfigurig zu sehen.
In der Schau „Farbiges Leuchten“ im Photoinstitut Bonartes (Seilerstätte 23, 1010 Wien, bonartes.org, bis 24.2.2017) gilt die Aufmerksamkeit einer Spezialform des Filmstandfotos, die offenbar nur im deutschsprachigen Raum üblich war: In den 1920er und 1930er Jahren wurden hier Abzüge auf Zelluloidfolie in Leuchtkästen in den Foyers der großen Kinos ausgehängt.
Die Original-Bilder, die aus dem Archiv der Wiener Zeitschrift „Mein Film“ in das Österreichische Filmmuseum fanden, sind in der Schau mit kurzen Beschreibungen aus „Paimann’s Filmlisten“ kombiniert, die eine Zeitreise in die Sprache von Kino-Rezensionen anno dazumal erlauben. „Der Film behandelt das in letzter Zeit vielfach benutzte Thema des Mädchenhandels, trägt oft recht dick auf, bringt aber publikumswirksame Situationen“, heißt es da etwa.
Die Albertina eröffnet heute, Donnerstag, ihrerseits die Schau „Film Stills“, die einen breiteren Überblick über Standfotografien geben will (bis 26.2.2017): Ein Angebot für alle, die sich auch jenseits des Bewegtbilds für das Kino interessieren.