Kultur

Maimann: "Ich habe den Horizont gesehen"

Filmemacherin Helene Maimann hat mit "Die Zeit, die uns bleibt",  (Di., 22.30 Uhr, ORF 2 ), einen nachdenklichen, aber auch heiteren Film über das Älterwerden gemacht.

KURIER: Frau Maimann, ein Film über das Älterwerden hat bestimmt auch persönliche Gründe?
Helene Maimann: Ja, der Tod meiner Tante und meines Onkels, kurz nacheinander. Die beiden waren die Letzten meiner Elterngeneration. Da ist jetzt nichts mehr zwischen mir und der schwarzen Wand. Ich dachte an die Lebensfreude, die mein Onkel und meine Tante bis zuletzt empfanden. Ich fragte mich: Werden wir das auch so machen können?

Die Frage "Was kommt jetzt noch?"
Ja. Ich habe viel zum Thema Älterwerden gelesen. Ehrlich gesagt, das war alles nicht sehr erbaulich. Es geht immer um künftige Defizite, das, was man alles verliert. Und dann geht es immer ums Gesundbleiben. Ist ja auch vernünftig, aber etwas für die Seele, welche Einstellung zum Älterwerden man gewinnen könnte, das erfährt man selten. In meinem Film geht es ja auch um die Phase, wo man beginnt, sich darüber Gedanken zu machen. Zwischen Fünfzig und Sechzig.

Darüber machen sich manche Vierzigjährige auch Gedanken.
Das ist ja auch ein Thema, das in der Zeit liegt. Gleichzeitig ist es wesentlich tabuisierter als Sex. Niemand redet darüber und wenn, dann in einer sehr versteckten Form. Ich wollte einen Film machen, der die Menschen stärkt.

Glauben Sie, dass das Thema "Das Leben ist kurz" viele Menschen beschäftigt?
Ja. Im Englischen heißt es: "You only live once and you never come back" (Du lebst nur ein Mal und du kommst nie zurück) . Und die Zeit vergeht schneller, je älter man wird. Wenn man jung ist, ist sie unendlich lang.

Ja, man wartet unendlich lang auf Weihnachten!
Ja. Heute dreht man sich einmal um und Weihnachten ist da. In dem Moment, wo meine Tante und mein Onkel gestorben sind, habe ich den Horizont, auf den ich zugehe, gesehen. Da erlebt man die Zeit viel bewusster: Die Zeit, die uns bleibt.

Es gibt Statistiken, die besagen, dass sehr junge, aber auch alte Menschen glücklicher als Menschen mittleren Alters sind. Eine Erfahrung, die Sie gemacht haben?
Teilweise. Physische Einschränkungen sind natürlich ein Problem. Ich habe immer mit alten Menschen zu tun gehabt, es ist ja auch am Interessantesten, was die zu erzählen haben. Aber, was immer Glück ist, eines ist auffällig: Bei Leuten, die ein kämpferisches Leben geführt haben, ein Ziel hatten, auf das sie zugegangen sind, ist die Chance, dass sie Glück empfinden, groß.

"kreuz und quer": Was wichtig, was unwichtig wird

Wie wird es sein, älter zu werden? Was wird wichtig, was unwichtig? Welche Rolle spielen Freundschaften? Helene Maimanns Film über das Älterwerden erzählt von drei Freundeskreisen, die einander seit Jahrzehnten kennen – u. a. mit Willi Resetarits, Martin Jäggle und Hansi Tausig. "Die Zeit, die uns bleibt", im Rahmen von "kreuz und quer", 22.30, ORF 2. Mit "Lebensfroh bis 102" folgt um 23.15 eine Liebeserklärung an das Leben: Fünf Jahre hat Martin Buchholz Edith Libbert durch ihren Lebensabend begleitet. Über ein Jahrhundert Leben – von der ersten Liebe bis zum letzten Abschied.