Die Porträtistin des 20. Jahrhunderts
Von Karl Oberascher
Sie gilt als eine der größten Fotografinnen ihrer Generation. Als eine der wenigen Künstlerinnen ihrer Zunft gelang es Jacobi, sich nach der Vertreibung aus Nazi-Deutschland auf der anderen Seite des Atlantiks eine zweite Karriere aufzubauen.
"Mein Stil ist der Stil der Menschen, die ich fotografiere."
Bekannt wird die 1896 im westpreußischen Thorn geborene Alexandra - genannt Lotte - Jacobi als Vertreterin der "Neuen Photographie". "Mein Stil ist der Stil der Menschen, die ich fotografiere", pflegt Jacobi rückblickend zu sagen. Mit dieser nüchternen, dokumentarischen Art zu fotografieren, trifft sie den Zeitgeist der späten 1920er-Jahre.
Mit ihren Porträtaufnahmen bekannter Zeitgenossen - darunter Albert Einstein, Marc Chagall, Thomas Mann und Eleanor Roosevelt - kann sich Lotte Jacobi auch nach ihrer Emigration in die USA 1935 etablieren. Ihrer Maxime folgend entsteht dabei ein varientenreiches Werk, das so verschieden ist, wie die Persönlichkeiten, die sie fotografierte.
In der Publikation "Lotte Jacobi. Photographien", erschienen im Wienand Verlag Köln, werden die verschiedenen Stationen ihres künstlerischen Schaffens nun nachgezeichnet:
"Zur Fotografin geboren"
Jacobi lag die Fotografie im Blut. "Zur Fotografin geboren" hat Lotte Jacobi im Rückblick gerne ihr Verhältnis zur Fotografie beschrieben. Immerhin übt sie den Beruf bereits in der vierten Generation aus. Urgroßvater Samuel soll bereits in den frühen 1840er-Jahren bei Louis Daguerre Kamera und Lizenz zum Fotografieren erworben haben. Das Handwerk lernt Lotte zuerst von ihrem Vater Sigismund. Später studiert sie auf der Münchner "Fachschule für Phototechnik". Bereits zu dieser Zeit werden ihre Bilder in allen wesentlichen Magazine jener Zeit veröffentlicht. In der Presse und Magazinen sind Ende der 20er-Jahre nicht mehr das im Edeldruckverfahren gearbeitete Bild aus dem Atelier gefragt. Das Gesicht von letzter Nacht, die unmittelbare Dokumentation – zeitnah zum Geschehen sind auch schon Ende der 20er-Jahre die Maxime. Jacobi kommt diese neue Art der Fotografie entgegen. Mit ihren nüchternen Großaufnahmen trifft Lotte Jacobi den Puls der Zeit.
Zweite Karriere
Im faschistischen Deutschland ist es Jacobi jedoch zusehends unmöglich weiterzuarbeiten. Nachdem sie den Namen ihres Studios mehrmals verändert, emigriert sie auf der Flucht vor den Nazis 1935 nach New York, wo sie ihre Arbeit fortsetzt. In dieser Zeit entstehen ihre bekanntesten Fotografien - die Porträtaufnahmen von amerikanischen und vielen ebenfalls emigrierten europäischen Berühmtheiten begründen ihren Weltruhm.
Noch zu Lebzeiten erfährt sie mit Retrospektiven in den USA und Deutschland sowie mit der Verleihung des Dr.-Erich-Salomon-Preises der Deutschen Gesellschaft für Photographie 1983 große Anerkennung für ihr Schaffen, bevor sie im hohen Alter von 93 Jahren in Concorde, New Hampshire, 1990 stirbt.