Kultur

Linzer Nicht-Orte und harte Realität

Zu Beginn einmal ein bisschen Städtebauliches: Der Heavy Festival-User kriegt – wenn er sich nicht etwa einen Abstecher ins Lentos Kunstmuseum oder zum Ars Electronica Center gönnt - eigentlich von den städtischen Räumen in Linz wenig mit. Die einzige Distanz, die zurückzulegen ist, ist vielleicht jene zwischen OK-Platz und dem City Kino. Und diese beträgt nur zirka fünf Gehminuten.

Daher hat sich diese Wegstrecke über die Jahre ziemlich ins Gehirn eingebrannt. Auch wenn das Wetter strahlend schön ist, entscheidet man sich dann doch wieder für den kürzesten Weg - durch die Kaufhauspassage. Um zu sehen, ob alles noch gleich angeordnet ist wie in den vergangenen Jahren. Und siehe da, die Eventbar bei der Drehtür sorgt zwar immer noch für den musikalischen Bumm-Bumm-Kontrast zu den meist recht ruhigen Festivalfilmen – aber sie heißt jetzt plötzlich anders und trägt den Kreativtitel "RememBar".

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Ein Muss ist natürlich auch der flotte Spaziergang durch die weiterhin ziemlich heruntergekommene Marienstraße. Neben aufgelassenen Geschäften bröckelt eine an die Wand gemalte Chinesische Mauer immer mehr vor sich hin. Aber dazwischen klafft ein riesiges Loch – an einer "Marien-Passage" wird gebaut. Der offensichtliche Hang der Linzer zu Passagen sollte auch einmal untersucht werden.

Um zum Crossing Europe zurückzukehren: Eine Festivalschiene heißt passenderweise "Transition Spaces – Nowhere Places". Die zentral gelegene Marienstraße ist wohl das Linzer Paradebeispiel für einen Durchgangs- bzw. Nicht-Ort. Umso belebter hingegen ist der OK Platz, wo das Festivaltreiben dank des schönen Wetters sich auch ins Freie verlagert.

Karaoke und Volvos

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Drinnen in den Kinos gibt es viel an harter, europäischer Gegenwart zu erkunden – in sozialrealistischen Spielfilmen. In dem portugiesischen Film "Sangue do meu Sangue" ("Blood of My Blood") muss man einer dysfunktionalen Lissabonner Familie 139 Minuten lang beim Streiten, Essen und Konfliktlösen zusehen. Eine Strapaz. Kurzweiliger ist hingegen der französische Film "Louise Wimmer", das Porträt einer Frau, die sich mit einiger Kreativität durch ihr hartes Leben als Putzfrau hangelt, was durch eine Trennung mit Anfang fünfzig nicht einfacher geworden ist. Eines haben die beiden Wettbewerbsbeiträge jedoch gemeinsam: Jeweils eine durch Mark und Bein gehende Karaoke-Einlage.

Wenn man schon nach Verbindungen im Festivalprogramm sucht: Zwei Filme beschäftigen sich mit den geliebten oder gehassten Lieblingshobbies junger Mädchen, und das auf höchst unterschiedliche Weise. Im schwedischen Wettbewerbsbeitrag "Apflickorna/She Monkeys" kommen sich zwei Mädchen beim Voltigier-Kurs näher. Eine eigenwillige Mädchenfreundschaft entwickelt sich, wie zwei "lonesome Cowgirls" kämpfen die beiden experimentierfreudig gegen das Erwachsenwerden an, da werden sogar mehrmals wie im Western Rollbüsche durchs Bild geweht.

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Wer den Ballettunterricht in der Jugend als blanken "Horror" empfand, der ist mit "Livide" wohl gut bedient. In dem französischen Horrorfilm wird ein genretypisches Geisterhaus von einer strengen Ballettlehrerin bewohnt, die in den letzten Atemzügen zu liegen scheint, aber noch zu blutigen, bösen Taten fähig ist. Nichts für schwache Nerven - auch wenn am Schluss die Splattereffekte schon etwas übertrieben wirken. Am 3. Mai ist der Film von Julien Maury und Alexandre Bustillo auch in Wien beim "slashing Europe" zu begutachen (siehe unten).

Um zum eingangs erwähnten Lentos zurückzukehren: Dort sind mehrere Autos in luftiger Höhe aufgehängt, um die Ausstellung "Car Culture. Das Auto als Skulptur" zu bewerben. Was den filmischen Fuhrpark beim Crossing Europe betrifft, lässt sich heuer ein Trend zum guten, alten Volvo Kombi feststellen - und das in fast allen Modellvarianten seit den Siebziger Jahren. In "Hell" braust man damit durch das sonnenverbrannte Wüsten-Deutschland von 2016, die Titelfigur in "Louse Wimmer" verbringt in ihrer finanziellen Not ihre Nächte im Heck ihres Volvos. Und in "Avé" trampt die quirlige Hauptdarstellerin Anjela Nedyalkova gleich in zwei verschiedenen Schweden-Kombis durch Bulgarien. Mehr über das Roadmovie im nächsten Blogeintrag.

Weitere Spieltermine:

"Sangue do meu Sangue": Samstag, 28. 4.. 17 Uhr, City-Kino
"Louise Wimmer": Samstag, 28. 4.. 11.30 Uhr, Moviemento
"Apflickorna/She Monkeys": Samstag, 28. 4.. 17.45 Uhr, Moviemento
"Avé": Samstag, 28. 4.. 20.15 Uhr, Moviemento

"Livide" und "Hell": Am 3. und 4. Mai werden im Wiener Filmcasino wieder die Höhepunkte der "Nachtsicht"-Sektion von Crossing Europe gezeigt und ein Ausblick auf das Slash-Filmfestival gewährt. 3. Mai: 19.00 Uhr - "Hell"; 21.00 Uhr: "Livide".

Infos: www.slashfilmfestival.com

 

 

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