"Life. Hollywood": Glanzvolle Zeiten und Seiten
Von Marco Weise
An die Blütezeit, die sogenannte „goldene Ära“ Hollywoods, erinnert man sich gerne zurück: Das Archiv ist gut gefüllt mit legendären Geschichten, Nächten und Anekdoten. Mittendrin statt nur dabei war das Fotomagazin „Life“, das von 1936 bis 1972 jede Woche in ausführlichen Fotoreportagen das schillernde Leben der Filmmetropole in unvergleichlichen Bildern festhielt.
In einer Zeit, in der kaum jemand einen eigenen Fernseher besaß, war das Magazin (und die darin zu findenden Fotos) ein Schaufenster in die Welt. Dazu passte auch der Slogan, mit dem der „Life“-Gründer, der Verlegers Henry R. Luce, seine 1936 gegründete Zeitschrift bewarb: „Das Leben sehen, die Welt sehen, Augenzeuge großer Ereignisse sein“. Damit könnte man heutzutage wohl niemanden mehr zum Kauf einer Zeitschrift animieren ...
Illusionen
Wesentlich überzeugender ist dann schon der nun vorliegende Prachtband „Life. Hollywood“ aus dem Hause Taschen, der rund acht Kilogramm auf die Waage bringt. Das Schwergewicht beinhaltet zwei Bände; Band 1 behandelt das „Goldene Zeitalter“ Hollywoods (1936–1950) und liefert Aufnahmen von Stars, mächtigen Filmproduzenten und dokumentiert den Aufwand, die kollektive Anstrengung, die nötig war, um Illusionen auf der Leinwand zu erschaffen. Band 2 befasst sich mit dem „Neuen Hollywood“ (1950–1972), in dem die großen Studios allmählich ihre Vormachtstellung verloren. Erzählt wird das alles anhand von Redaktionsmaterial wie Belegseiten und internen Redaktionsnotizen. Damit bekommt man auch einen Einblick, wie früher gearbeitet wurde.
In Summe sind es über 600 Bilder aus den Archiven des „Life“-Magazins – weit mehr als die Hälfte davon bisher unveröffentlicht. Man begegnet Stars wie Elizabeth Taylor, Marlon Brando, Alfred Hitchcock, Sidney Poitier, Paul Newman, Jane Fonda, Brigitte Bardot – in Szene gesetzt von einigen der damals angesagtesten Fotografen wie Philippe Halsman, Alfred Eisenstaedt, Margaret Bourke-White, Lisa Larsen und Nina Leen.
Nicht selten herrschte zwischen den Berühmtheiten und den Fotoreportern eine Art Freundschaft, eine gegenseitige Abhängigkeit. So begleitete Alfred Eisenstaedt beispielsweise Sophia Loren durchs Leben, hielt ihr umstrittenes Verhältnis mit dem Filmproduzenten Carlo Ponti in Bildern fest. Eine dieser Fotoromanzen erschien sogar unter dem reißerischen Titel „Italienische Polygamie“, was zu Stürmen der Entrüstung bei der Leserschaft führte.
„Life“ war jahrelang die erste Adresse für anspruchsvollen Klatsch und Tratsch. Mit hochwertig umgesetzten Fotostrecken dokumentierte man über Jahrzehnte das Treiben in und abseits von Hollywood. Glanzvoll aufgeblasen wurde da natürlich auch Ingrid Bergmans außereheliche Affäre mit dem Regisseur Roberto Rossellini während der Dreharbeiten zu „Stromboli“: „Life“ zeigte die beiden in einer Ausgabe aus dem Jahr 1949 Händchen haltend. Nachdem bekannt wurde, dass sie von Rossellini auch noch schwanger ist, war man in den USA entsetzt.
Schattenseiten
Dass das Magazin damals einen enormen Einfluss hatte, sieht man auch an den persönlichen Geschichten, die die Schauspieler den Redakteuren lieferten – mit dem Ziel, groß rauszukommen oder nicht in Vergessenheit zu geraten. Damit lieferten sie der breiten Öffentlichkeit Einblicke in eine Welt, die für die meisten unerreichbar war – und machten sich nahbar. Der Bildband zeigt aber auch, dass die Fotografen nicht nur die Glanzmomente festhielten, sondern auch die dunklen Seiten Hollywoods, den (politischen) Wandel, Rassismus, Kampf der Frauen um Gleichberechtigung. „Life“ war immer auch ein Spiegel der Gesellschaft.