Kultur

Leitner: "Das Problem sind die Männer"

Gemma Bibliothek" wäre ein gutes Motto. Statt in die Lugner-City solle man Jugendliche in die Bibliotheken bringen: Fast ein Viertel der Schüler verfügt Ende der Pflichtschulzeit nur über rudimentäre Lesekenntnisse. "Mit der Initiative ,Österreich liest' will Gerald Leitner, Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreichs, gegensteuern.

KURIER: Sie haben als Partner für "Österreich liest" einen Thermenerbauer. Wäre es nicht schön, auch den Richard Lugner dafür zu gewinnen? Die Hauptbücherei am Wiener Gürtel liegt direkt gegenüber der Lugner City, die viele schulpflichtige Jugendliche der Schule vorziehen. Damit es statt "Gemma Lugner" "Gemma Bibliothek" heißt ?
Gerald Leitner: Das wäre eine guter Werbespruch, danke.

Mit ernstem Hintergrund: Laut PISA-Studie gehören weit über 20 Prozent der 16-jährigen Schüler zur "Risikogruppe" der schlechten Leser. B ei ihnen muss "bezweifelt werden, dass sie zum Verstehen alltäglicher, einfacher Texte befähigt sind".
Stimmt. Zur Hauptbücherei möchte ich noch sagen: Es gibt wenig Orte, wo es eine derartige Durchmischung von Bevölkerungsschichten gibt. Und zwar auf einem anderen Qualitätsniveau als am Fußballplatz. Dennoch erreichen wir nicht so viele, wie wir möchten. Das geht nur mit Netzwerken. Nur Bücher hinstellen reicht nicht.

Laut Focus-Research verbringen Österreicher 40 Minuten täglich mit dem Lesen eines Buches. Glauben Sie das?
Das ist nicht unsere Untersuchung.

Nehmen wir an, es wäre so. Eine andere Studie sagt, dass die Österreicher mehr als vier Stunden täglich fernsehen. Nun ist Ihr Medienpartner bei der Leseaktion der ORF. Wie passt das zusammen?
Ich glaub' nicht, dass die Leute mehr lesen würden, wenn es kein Fernsehen gäbe. Wer interessiert ist, nutzt viele Medien. Ich sehe weder das Fernsehen noch eBooks als Feinde.

Wie sieht es mit eBooks in den Bibliotheken aus?
Bei den Büchereien der Stadt Wien können Sie eBooks entlehnen, also downloaden. Absurderweise nur in den großen Städten, aber nicht am Land, wo es ohnehin wenig Angebot gibt.

Apropos Wünsche: Sie fordern seit Langem ein Bibliothekengesetz. Nun hat Kulturministerin Claudia Schmied klargestellt, dass es das nicht geben wird. Sehr wohl aber Maßnahmen "zur Stärkung der Öffentlichen Bibliotheken." Sind Sie damit zufrieden?
Unser Ziel ist ein Bibliotheksgesetz. Realistisch ist das in Zeiten wirtschaftlicher Rezension aber nicht.

Kämpfen Sie weiter?
Ja natürlich, das ist ja mein Job.

Waren Sie schon einmal in Reykjavik?
Ja, schöne Bibliothekenstadt.

Dort wurden 2009 1,2 Millionen Bücher ausgeborgt. In Österreich waren es 20 Millionen. Gemessen an der Einwohnerzahl müsste Österreich bei 80 Millionen sein.
Island ist eine Ausnahme. Dort haben Sie auch 30-mal so viele Schriftsteller wie in Österreich. Bibliotheken werden auch weit mehr gefördert als in Österreich. Hier geben Bund und Länder pro Kopf und Jahr nicht einmal 50 Cent dafür aus. In Finnland zum Beispiel sind es 60 Euro.

Trotzdem haben Sie 2010 8,5 Prozent (70.000) neue Leser dazu gewonnen. Wer sind diese Leute?
Kinder, Jugendliche, Frauen. Das Problem sind und bleiben die Männer.

Literaturfestival: Treffpunkt Bibliothek

Lesenächte Literaturwanderungen, Bilderbuchkinos, Literatur-Cafés: Am 17. Oktober startet zum sechsten Mal das größte Literaturfestival Österreichs. Die Büchereien haben in allen Bundesländern Veranstaltungen vorbereitet:

Lesereise Thomas Glavinic etwa geht auf Pilgerreise von Neusiedl nach Perg, um aus dem Buch "Unterwegs im Namen des Herrn" zu lesen. Peter Rapp und Dieter Chmelar huldigen dem Krimi, Mieze Medusa lädt zum Poetry Slam.