Die mittleren Jahre: „Trauer, Stolz und Dankbarkeit“
Von Rudolf Mitlöhner
„Das ist der Inbegriff meiner Freiheit: mich nicht durch die Tage schieben zu lassen wie das Geröll einer Steinlawine, sondern entschlossen weiterzugehen auf der Wanderung meines Lebens.“ So beschließt Barbara Bleisch ihre Gedanken über die „Mitte des Lebens“, die sie im Untertitel als die „besten Jahre“ bezeichnet.
Wobei diese Mitte recht weit gefasst wird: so zwischen 35 und 60 siedelt sie die Autorin an. In immer neuen Anläufen beschreibt sie, was diese Zeit ausmacht, etwa so: „Wir haben, wenn wir Glück hatten, einiges erreicht, sind mit der Zeit hoffentlich gereift und vertrauter im Umgang mit dem Leben und uns selbst geworden, werden im besten Fall gebraucht und geschätzt und sind meistens noch bei guter Gesundheit.“
Bleisch ist Philosophin (die 1973 geborene Schweizerin leitet u. a. seit heuer gemeinsam mit Konrad Paul Liessmann das von diesem 1997 gegründete Philosophicum Lech) und will als solche keine „Lösungen“ anbieten, sondern „Angebote machen, sich selbst einsichtiger zu werden und das Leben und die Weisen, in ihm zu stehen, prüfend zu durchdenken“.
Das ist ihr ausgezeichnet gelungen. Es ist ein kluges, lesenswertes und gut lesbares Buch geworden, welches auch in einem anderen Sinne aus der Mitte des Lebens heraus geschrieben ist. Mit viel Einfühlsamkeit wie Behutsamkeit formuliert die Autorin Gedanken, Sorgen, Fragen, die sich einem in dieser Lebensphase stellen. Und Bleisch gibt keine Antworten darauf, aber eröffnet Perspektiven, die man sich gerne zu eigen macht und die sich doch wohltuend von simplen Lebenshilfe-Weisheiten unterscheiden.
Zugegeben, diese durch und durch positive Einschätzung mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Autor dieser Rezension, ein paar Jahre älter als Bleisch, offensichtlich genau zur Zielgruppe dieses Buches zählt …
„Weich und offen“
Eine Mischung aus „Trauer, Stolz und Dankbarkeit“ kennzeichne die Jahre der Lebensmitte, so die Autorin. Niemand blickt rundum zufrieden auf sein bisheriges Leben zurück, keiner völlig unbesorgt auf die vor ihm liegenden Jahre. Aber im besten Falle können „Dankbarkeit und Demut“ einen „weich und offen“ machen.
Dabei verschweigt Bleisch keineswegs die zahlreichen Desillusionierungen, die Leere, den Zweifel, die sich gerade im mittleren Alter wohl bei den meisten auftun. Aber – und der Gedanke hat auch etwas Entlastendes: „Vielleicht ist die eigene kurze Existenz tatsächlich weniger pompös, raumgreifend und glänzend, als wir es uns in jungen Jahren ausgemalt haben?“