Kultur

Lauper: Vom Popgirlie zur Bluesröhre

Die Frau ändert fast täglich ihr Hairstyling. Vor ein paar Tagen in Italien war Cyndi Lauper noch das Blondchen. Freitag kam sie mit feuerroter Lockenmähne und schwarzem Lederoutfit in die Staatsoper zum Jazzfest Wien. Quietschfidel.

Und erfrischend kokett: "Meine Großmutter wollte ja immer, dass ich in der Oper singe." Eins, zwei, drei, vier eingezählt, ein kleines Hüpferchen und los geht's mit Power, als rollte eine Lokomotive durch das Haus am Ring mit "Just Your Fool", dem kraftvollen Opener ihres aktuellen, mit Kapazundern wie B. B. King und Jonny Lang eingespielten Albums "Memphis Blues" (Naive/Lotus Records).

Dabei war das ausgeflippte und chronisch aufmüpfige Pop-Küken der 80er-Jahre schon so gut wie weg vom Fenster, bis sich die schrille Sirene überraschend neu erfand als Blues-Sängerin. Mit mittlerweile 58 Jahren hat sie auch dieses Metier drauf, als hätte sie nie etwas anderes getan. Und ist doch erstaunlich mädchenhaft geblieben.

Der schöne Slow-Blues "Shattered Dreams" erweist sich live als wirkungsvolles Herzkratzerl, ehe sie sich zum Pop-Klassiker "She Bop" auf den Rücken legt, den Kopf lässig über den Bühnenrand hängen lässt und dann plötzlich in den Mittelgang springt, um zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit dem Publikum zu gehen.

Die Zuschauer lassen prompt dutzendweise ihre Handy-Cams von der Leine.
Beim nonchalant hingestreuten "Early In The Mornin'", in dem sie an die frühe Rickie Lee Jones erinnert, ist ein für allemal klar: Den Girlie-Charme hat sich die durch das Logentheater hopsende Frau bewahrt. Ihre Wahnsinnsstimme auch.

Intensive Performance

Dann ist es wieder Zeit für einen gestampften erdigen Blues mit wimmernder Gitarre: Nach dem ohrwurmstichigen "Crossroads" von Robert Johnson, simpel aber wirkungsvoll dahinpolternd, geht die Reise ins poppigere Fahrwasser: Auf den Oldie "All Through The Night", zu dem die Amerikanerin den Dulcimer - ein der Zither ähnliches Saiteninstrument - spielt, folgt die Schunkel-Nummer "Lead Me On".

Die fünfköpfige Band, deren Mitglieder zum Teil schon seit Jahrzehnten dabei sind, sorgt für einen satten Sound. Nur drückt der Tontechniker die ohnedies kraftvolle Stimme der Lauper phasenweise allzu stark in den Hintergrund. Der flotte Muntermacher "Down Don't Bother Me" mit einer exaltiert herumhampelnden Cyndi, die sichtlich Spaß hat, wirkt wie ein stimmungsaufhellendes Antidepressivum. Rezeptfrei.

Dann wechselt das exaltierte Springinkerl erneut in die Pop-Abteilung: Bei Memorabilien aus den 80ern wie "Good Enough" - 1985 ihre Song-Spende für Richard Donners Abenteuerfilm "Die Goonies" - und dem Hit "Change of Heart" sammelten wohl einige im Publikum Erinnerungsfetzen ihrer eigenen Jugend auf.

In den halbstündigen Zugaben-Block werden u. a. die Greatest Hits wie der Marvin-Gaye-Cover "What's Going On" gepackt. Außerdem das von Miles Davis geadelte "Time After Time" und - zum kollektiven Mitsingen - ihre Hymne "Girls Just Wanna Have Fun". Zum Kehraus schließlich Cyndi solo mit "True Colours".

Fazit: Zwischen Pop und Memphis Blues

Zur Person: Cyndi Lauper gab den 80er-Jahren Glanz mit ihrem Mix aus New Wave, Post-Punk, Funk, Soul und Reggae und Kult-Songs wie "Girls Just Want To Have Fun", "Time After Time" oder "True Colours".

Repertoire: Von der mit viel Prominenz aufgenommenen CD "Memphis Blues" singt die 58-Jährige Klassiker u. a. von Robert Johnson.

Stimme: Über vier Oktaven geht sie: Von dunklen Regionen bis zum schrillsten Schrei meistert sie jeden Ton ohne erkennbare Anstrengung.


KURIER-Wertung: **** von *****