Kultur

L'Orfeo: zuverlässiger Partykiller

Diese Produktion wird heuer allen Ernstes auch zu Silvester gespielt – einen größeren Stimmungstöter, einen ärgeren Partykiller kann man sich kaum vorstellen. Aber wer sagt denn, dass Silvester immer ausgelassen sein muss? Vielleicht ist ja gerade dieser Kontrapunkt zur verordneten Lustigkeit die besondere Raffinesse.

In „L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi geht es um Liebe und Tod. Und um dauernden Stimmungswandel. Orfeo und Euridice sind ein glückliches, frischvermähltes Paar. Bis das arme Mädchen gebissen wird. Nicht etwa von ihm liebevoll ins Ohr, sondern von einer giftigen Schlange. Euridice stirbt, Orfeo steigt schluchzend in die Unterwelt hinab. Dort raunzt er so lange, bis Proserpina ihren Apollo, den Herrscher im Reich der Schatten, überzeugt, ein bissl Mitleid zu haben.

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Den Kopf verdreht

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Der wäre tatsächlich bereit, Euricide ihrem Orfeo wieder zu geben –, aber leider ist dieser so blöd und vernarrt in sie, dass er die Abmachung, sich nicht nach ihr umzublicken, bricht. Wer kann solchen Männern endlich beibringen, nicht dauernd schönen Frauen nachzuschauen?Regisseur Claus Guth erkennt die Aktualität dieses Stoffes und siedelt die Geschichte nicht in der Antike an, sondern in einem eleganten Domizil in der Gegenwart mit ein paar 1970er-Ausreißern. Die Unterwelt wird nur mit Videos angedeutet. Im Detail gibt es feine Szenen – wenn etwa die Hochzeitsgesellschaft (darstellerisch und sängerisch gut: der Schoenberg Chor) das Haus dekoriert. In ihrer Gesamtheit funktioniert die Inszenierung aber gar nicht. Die vermutlich lustig sein sollenden Szenen sind unkomisch. Die Tragik wird nicht spürbar. Und auch der Orfeo, der wirkt wie der Vater oder der Opa vom eigentlichen Orpheus, berührt nicht.

Schon wieder Stiegen

Dazu diese überdimensionalen Stiegen (Ausstattung: Christian Schmidt) – ähnlich wie bei Guths Regie zu „Le nozze di Figaro“ in Salzburg. Dort waren sie weiß. Jetzt schauen sie aus wie bei seinem „Holländer“ in Bayreuth – dunkelbraun, sehr bürgerlich. Langsam wird’s fad.

Richtig langweilig ist das Dirigat von Ivor Bolton am Pult des Freiburger Barockorchesters. Sein „Orfeo“ ist ein klanglicher Einheitsbrei, wenig differenziert, nicht dynamisch, uninspiriert. Dieses Werk ist musikhistorisch interessant, weil es am Beginn der Operngeschichte steht – die Uraufführung 1607 fand acht Jahre nach der ersten bekannten Oper, „La Dafne“ von Jacopo Peri, statt. Nach einem so gestalteten Abend ist man aber wahnsinnig froh, dass sich die Gattung in den vergangenen 404 Jahren stark weiterentwickelt hat.

Auch die Besetzung ist nicht herausragend. Die Besten sind noch John Mark Ainsley als Orfeo, ständig nahe am Suizid, mit hellem Tenor, und die Sopranistin Katija Dragojevic als Musica/Messagiera/Speranza mit dunklem Timbre und großer Ausdruckskraft. Mari Eriksmoen, die sich im Theater an der Wien als Zerbinetta vorgestellt hatte, hat als Euridice die bedeutend kleinere Rolle – passend zu ihrem Sopran. Der Rest bietet bestenfalls Mittelmaß.Ein enttäuschender Auftakt zum Monteverdi-Zyklus, der mit „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und „L’incoronazione di Poppea“ fortgesetzt wird.

Fazit: Nur historisch interessant

Das Werk:  „L’Orfeo“, 1607 in Mantua uraufgeführt, ist die erste Oper Claudio Monteverdis und steht am quasi am Beginn der Gattungsgeschichte.

Der Dirigent: Ivor Bolton und das Freiburger Barockorchester drohen zu erstarren.

Die Sänger: Eine der Wichtigkeit der Produktion unangemessene Besetzung.

Die Inszenierung: Von Claus Guth. En detail sehr klug, en gros sehr langweilig.

KURIER-Wertung: ** von *****