Kultur

Kurt Ostbahn: Zierlich singen, aber auch wüd

Ende 2003 hat Willi Resetarits die Figur Kurt Ostbahn in Pension geschickt. 2011 und 2014 gab es aber einzelne Konzerte, und auch jetzt stehen wieder Auftritte an.

KURIER: Sie holen den Kurtl aus der Pension – wie vertragen Sie sich jetzt mit ihm?

Willi Resetarits: Ich bin immer gut mit dem Kurtl ausgekommen, ich habe ihn in Pension geschickt wegen dem Tod .... wegen des Todes des Günters Brödl ... na seawas, "Günters" klingt nicht richtig.Ich bin noch immer in Pension ... aber kennst den alten Pensionistengruß? "Hawedehre, i hob ka Zeit, i bin in Pension!" Pension bedeutet, dass wir keine neuen Lieder haben, dass wir die alten Lieder spielen und auch ein paar vergessene außeholen. Und dass wir uns mit den lieben Damen und Herren Kurtologinnen und Kurtologen treffen. Denn so ein gutes Publikum hat sonst keiner.

Das ist der wahre Grund, warum wir es machen: Dass mich das rührt. Weil die Damen und Herren so treu sind!

Probe

Zur Generalprobe sind etwa Hundert Damen und Herren ins Orpheum gekommen – Freunde, Bekannte, Wegbegleiter. Das Orpheum hat Sommerpause, deshalb gibt’s keinen Lokalbetrieb, aber die Herren und Damen Kurtologen haben Kühltaschen voll mit Bier mitgebracht, außerdem Chips und Erdnusslocken und Mistsackerln, man will ja keinen Dreck hinterlassen.

Willi Resetarits und seine Musiker blödeln sich durch eine Geschichte übers Suppenwürfel-Rauchen und Ribiselwein-Speiben und fetzen durch Hadern wie "Neiche Schoin" und "Na so wirst ned oid". Und alle singen mit. Die Band spielt umwerfend, als ginge es mindestens ums Überleben.

Man hat den Eindruck, es macht euch wirklich Spaß.

Wir von der Band versuchen, noch das Feuer zu spüren! Es gibt ja sogenannte Dinosaurier-Bands, die spielen so fad, die wollen nur das Geld abkassieren. Und dann gibt es Bands wie Manfred Mann’s Earth Band, da fang ich unwillkürlich zum Mithupfen an – die haben das Feuer!

Die Ostbahn-Coverversionen klingen immer eigenständig – oft erkennt man die Originale dahinter gar nicht gleich.

Wenn man Lieder in der eigenen Umgangssprache hört, bewertet man die Musik anders. Im österreichischen Dialekt, da banalisiert sich die Musik ein bissl. Das war immer unser Kampf: Der Günter Brödl wollte, dass die Sprache wieder hart und wüd und g’fährlich wird.

Revue passieren

Die Sprache macht einen großen Teil des Ostbahn-Flairs aus. Resetarits verwendet in einer Bühnen-Ansage den Begriff "Revue passieren lassen" und kommentiert das sogleich: "Das sagt man ja heute nicht mehr. Höchstens auf den Sportseiten." Wunderschön sind auch seine Überlegungen zum Thema Bekleidung: Was hochdeutsch ein Sakko ist, war in Österreich einmal ein "Rock", was hochdeutsch Rock heißt, hieß bei uns einmal "die Schoß".

Vor "Arbeit" fordert er das Publikum auf: "Schön singen, nicht laut! Zierlich singen!"

Bei Bruce Springsteen wurde dieses Lied nie so ein Schlager wie bei euch.

Bei Springsteen ist es mehr eine Sozialstudie über Menschen, die mit den Händen arbeiten. Und bei Brödls Text ist es so, dass viele Menschen, angefangen von mir, gesagt haben: Das ist über meinen eigenen Vater! Ich habe einmal in Stockerau getankt, da hat der Tankwart gefragt, wieso wir alles wissen können von seinem Vater? Es hat nur eins gefehlt, die angekokelten Fingernägel an Daumen und Zeigefinger, weil er immer die Filterlosen bis ganz runter geraucht hat.

Angst

Resetarits erinnert sich daran, wie er das erste Mal als Ostbahn-Kurti auf der Bühne seine Stimme gegen Rechtsextremismus erhob, zur Zeit knapp vor dem Lichtermeer 1993. "Die Leute haben so enthusiastisch reagiert, dass das Konzert lange unterbrochen war."

Wie ist das heute, im Zeitalter von Angst und Hasspostings?

Ich erlebe, wie mich junge Menschen anreden, Menschen, bei denen man vermuten würde, das sind Hofer-Wähler – und dann sagen: Den Hofer kann man ned wählen, den brauch ma ned! So was hamma schon einmal gehabt, warum sollen wir das noch mal haben? Das ist halt meine Funktion – dass ich manchmal wie ein Katalysator etwas anderes raushole aus den Menschen.

Das heißt, die Menschen sind anders, als man glaubt?

Ich glaube, dass es ganz viele Trotteln gibt und immer gegeben hat, und die Zeitläufe sind jetzt so, dass man eher wagt, das rauszulassen. Weil der Boulevard gut davon lebt, Angst zu verbreiten, mit teils falschen, teils aufgeblasenen Meldungen. Mir erzählen Leute, der Opa traut sich nicht mehr, zur Trafik zu gehen, weil er glaubt, sobald er von der Haustür zur Trafik geht, wird er in die Luft gesprengt. Die Angst vor dem Fremden und andere Ängste sind ja in uns allen drin.

Heißes Pflaster

Und dann erzählt Resetarits noch, wie kürzlich ein U-Bahn-Fahrer die Bahn minutenlang in der Station stehen ließ, weil er mit dem Kurtl über sein Lieblingslied "Haßes Pflaster" reden wollte. Resetarits: "Und deshalb hab ich gesagt, das müssen wir einbauen ins Programm."

Konzerte und CD

Kurt Ostbahn und „Die Musiker seines Vertrauens“ spielen heute, Sonntag, in Graz (Kasemattenbühne) und am 19. und 21. August ihre inzwischen schon legendären Konzerte auf der Kaiserwiese im Wiener Prater. Obacht! Die Auftritte können bis zu vier Stunden dauern, wenn’s is.

Nach „2014 Live – Vol. 1 + 2, die Eigenkompositionen“ erscheint am 19. August „Vol. 3+4, die Fremdkompositionen“: Alle unsterblichen Ostbahn-Cover – „Gemmas wieder an“, „Neiche Schoin“, „Bertl Braun“, „Arbeit“, „Überstar“, „Feuer“ , „Stadt aus Stan“ ... (Doppel-CD/LP).