Kunstkraftwerker Antoni Tàpies ist tot
Das kleine Museum in der Calle Aragó 225 in Barcelona, die 1984 gegründete Stiftung Antoni Tàpies, zeigt, was bleiben wird vom Maler, Zeichner und Bildhauer, der mit Dali und Miró zum großen Dreigestirn der katalanischen Künstler des 20. Jahrhunderts gehört: Unverwechselbares aus einfachsten Mitteln wie Sand, Lehm, Papier, Stein und Eisen.
Am Montag ist Antoni Tàpies im Alter von 88 Jahren gestorben. Er war Autodidakt und kam 1945 über Umwege zur Malerei, nach Abbruch des Jurastudiums in seiner Geburtsstadt Barcelona. Van Gogh und die grafische Chiffrensprache von Paul Klee interessieren ihn. Von Picasso und Miró wird er beeinflusst.
Mitte der 40er-Jahre beginnt er mit gezeichneten Selbstporträts, in denen er in verschiedenen Stilarten seiner eigenen Person und den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten nachspürt.
Avantgardebewegung in Franco-Diktatur
Neben Ausflügen in einen fantastischen Realismus und eine manische Strichfolge, die sich an der Art brut orientiert, versucht er sich in verspielten surrealistischen Bildern und Collagen aus Zeitungspapier und Fäden. Später blickt er auf diese Phase mit gemischten Gefühlen zurück: „Dieser Einfluss war nicht so vorteilhaft, weil er mich meiner Spontaneität beraubte.“
Während der Franco-Diktatur engagiert sich Tàpies mit der Avantgarde-Gruppe „Dau al Set“ im Widerstand.
„Schwarze Bilder“ sind sein Protest gegen die Farbe an sich oder gegen die Farbigkeit der anderen. Bilder in unzähligen Varianten zwischen Pechschwarz und Schiefer. Dann malt er Türen. Hölzerne Türen unter einem runden Torbogen, mit Eisenbeschlägen, mit Querbalken, Scheunentüren, massiv, rustikal, verwittert, mit Kratzern, Sprüngen und Rissen. Kein Bild, auf dem eine Tür gemalt ist, sondern: Das Bild ist die Tür. Totale Identifikation von Malerei und Gegenstand.
Das ist wilder, barbarischer Realismus, so großartig, dass es einem den Atem verschlägt.
Streng, düster, abweisend und geheimnisvoll sind seine Mauer- und Materialbilder, in denen er die Farbe mit Erde, Leim und Marmorstaub untermischt. Sie erinnern oft an den abblätternden Putz alter Mauern und machen Tàpies international bekannt.
Spätestens seit Anfang der 1960er-Jahre sind Tàpies’ oft reliefartige Arbeiten bei allen modernen Museen und Galerien der Welt gefragt. Schließlich zählt er zu den bedeutendsten abstrakten Künstlern seiner Zeit. Geometrische Zeichen, Buchstaben und immer wieder Kreuze, die seit 1960 in seinem Werk auftauchen, verleihen seiner Kunst etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes und Verschlossenes, dessen Vieldeutigkeit beabsichtigt ist.