Kultur

Am Ende steht die Plastikwurst

Um die Zukunft der Erinnerung ist es, wie wir wissen, schlecht bestellt. Wenn einmal alle Speicherwolken verpufft und alle Festplatten mit unseren Selfies, Familien- und Urlaubsfotos kaputt sein werden, besteht immerhin noch die Chance, dass der Elektroschrott, fein vermahlen, in einem Gemälde Verwendung findet.

Drei solcher Bilder, die glitzerndes Computer-Material als Farbpigment nutzen, hat der Künstler Michael Staniak derzeit in der Kunsthalle Wien ausgestellt.

Anders als ihr Titel nahelegt, zeigt die von Kunsthallen-Chef Nicolaus Schafhausen kuratierte Schau "The Future of Memory" (bis 29.3.) kaum Zukunftsperspektiven auf: Es ist eher eine Zusammenstellung aktueller künstlerischer Arbeiten, die sich mehr oder weniger zwingend mit dem Festhalten von Erinnerungen im Digitalzeitalter auseinandersetzen.

Facebook-Katzenfotos werden da via 3-D-Drucker zu "Skulpturen" umgeformt (von Antoine Renard); Amateur-Tanzvideos zu Pharrell Williams’ Hit "Happy" wurden von Dragana Žarevac mit anderem YouTube-Material, das etwa Kriegsschauplätze zeigt, zu einem Tableau montiert.

Einige Arbeiten lassen einen unzufrieden zurück: Die Geste der Übersetzung, mit der aus Alltag Kunst wird, scheint oft nicht poetisch, nicht groß genug. Freilich sind auch die etablierten Formen der Bewahrung in Bronze und Stein hohl geworden, wie Aleksandra Domanovićs Diashow "Turbo Sculpture" vorführt: Sie erzählt von Heldendenkmälern, die am Balkan für George W. Bush und Bill Clinton, aber auch für Kampfkunst-Star Bruce Lee und Rapper Tupac Shakur erbaut wurden.

Erinnerung? Wurst!

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Der Franzose Pierre Bismuth fand eine andere Lösung: Im Film "Eternal Sunshine of The Spotless Mind" (dt. "Vergiss mein nicht", 2004), an dessen Oscar-prämiertem Drehbuch der Künstler als Ko-Autor mitarbeitete, werden Erinnerungen kurzerhand gelöscht.

In Bismuths künstlerischer Arbeit, die nun im Obergeschoß der Kunsthalle in einer famosen Retrospektive ausgebreitet ist (bis 22.3.), geht es dagegen mehr um radikales Recycling: Ein Stadtplan von Paris ist hier Ausgangsmaterial zum Falten einer Origami-Krabbe. Für die Serie "Collagen für Männer" schnitt Bismuth Bilder aus Herrenmagazinen so zurecht, dass die gezeigten Frauen "bekleidet", ihre lasziv-klischeehaften Posen und Blicke aber umso exponierter erscheinen. In Filmdokumenten von Picasso, Freud und anderen verfolgte Bismuth die Bewegungen der rechten Hand mit einem Stift – und machte die Geistesgrößen zu "abstrakten Malern". Das alles ist so geistreich, humorvoll und erhellend, dass es eine Freude ist.

Unkonventionell ist auch die Organisation der Schau: Ein Anwalt, ein Kurator und ein Psychoanalytiker wählten die Werke aus Bismuths Fundus aus, in den Wandtexten kommentiert jeder die Kunst aus seiner Perspektive. Dem Anwalt geht es dabei oft um Urheberrechtsfragen, der Kurator widmet sich kunstspezifischen Themen.

Eine Arbeit wollte niemand der drei auswählen, Bismuth pflanzte sie trotzdem in den Saal: Es ist eine Maschine, die Plastik-Würste mit künstlichem Hühnergeschmack herstellt. Die Idee des Künstlers, der als Alchemist wertlose Dinge veredelt, macht hier eine Rolle rückwärts: Am Ende ist alles Recycling-Material.