Kultur

"Künstler sind Außerirdische"

Patricia Petibon ist anders, sehr anders sogar. Wenn die französische Sopranistin eine Bühne betritt, singt sie nicht nur wunderschön, sondern lotet auch spielerisch Grenzen aus. Und auch auf ihrer neuen CD „Nouveau Monde“ (erschienen bei Deutsche Grammophon) betätigt sich Petibon als Wanderin zwischen den Welten.
„Ich habe mich ein bisschen gefühlt wie Christoph Kolumbus“, sagt Petibon in Anspielung auf die Auswahl der Stücke. Barockarien von Händel, Purcell, Charpentier, Rameau, aber auch Nummern von unbekannten südamerikanischen Komponisten (samt entsprechend exotischer Instrumentation) hat Petibon ausgewählt, denn „ich wollte etwas Neues ausprobieren“. Begleitet wird Petibon kongenial vom La Cetra Barockorchester Basel und Dirigent Andrea Marcon.

Alle Inhalte anzeigen

Grenzgängerin

„Ich gehe künstlerisch gerne meinen eigenen Weg, suche immer nach neuen Herausforderungen. Deshalb habe ich etwa auch Alban Bergs ,Lulu‘ bei den Salzburger Festspielen gesungen – eine Rolle, mit der man mich nicht unbedingt assoziieren würde. Das war eine große Erfahrung für mich. All diese Liebe, dieser Schmerz – das findet sich nur in ganz wenigen Opern so deutlich.“

Selbstentblößung

Alle Inhalte anzeigen
Ja, Liebe und Schmerz sind für Petibon die „Antriebsfedern für meine gesamte Arbeit. Da bin ich wie mein großes Vorbild Maria Callas. Auch wenn ich nicht unbedingt die Stimme oder das Repertoire der Callas habe, so ist sie in Sachen Interpretation mein Idol. Bei ihr gab es nichts Halbherziges. Sie hat immer alles gegeben, bis zur Selbstentblößung. Wenn die Callas als Violetta weint, dann weint auch Maria. Das kann man nicht trennen, und ich finde das unglaublich mutig.“
Mut beweist auch Petibon, denn sie will eines Tages die Violetta in Verdis „La Traviata“ singen, „aus Liebe zu Maria Callas“. Schneller Nachsatz: „Ich hoffe, ich werde ihr dann auch nur annähernd gerecht.“

Einsamkeit

Vorerst aber kommt – auch an der Wiener Staatsoper
Jules Massenets „Manon“ als neue Partie. „Wieder eine psychisch so extrem gespaltene Frau. Manchmal denke ich, Künstler sind Außerirdische. Wir verwandeln uns jeden Tag neu und tragen den jeweils neuen Charakter wie ein Alien vor uns her. Dabei brauche ich als Privatperson vor allem die Einsamkeit. Vielleicht, um mich von all dem zu erholen. Es gibt keine Rolle, die keine psychischen Spuren hinterlässt.“
Dass Petibon auch das sogenannte Regietheater liebt, versteht sich. „Es gibt viele Menschen, die lehnen das ab, die wollen einfach einen netten Opernabend haben. Aber das Leben und die Geschichten in der Oper sind nicht nett. Opern legen den Finger auf menschliche Wunden. Warum soll man das nicht zeigen dürfen?“
Ihr umfangreiches Repertoire vergleicht die zierliche Künstlerin gern mit Schuhen. „Wenn man große Schuhe angezogen hat, wie ,Lulu‘ oder ,Manon‘, dann muss man nachher auf kleinere vokale Schuhgrößen wie Händel oder Mozart umsteigen. Das tut der Stimme gut.“
Und wenn Petibon einmal nicht singt? „Dann koche ich simple Gerichte, denn ich esse gerne. Ich liebe Süßigkeiten. Vor allem euren Kaiserschmarrn. Das ist wie Koloraturgesang, also die Krönung der Kunst. Das kann man einfach nur lieben.“

www.patriciapetibon.com