Kultur

Noahs Arche flott gemacht

Nachdem Noah 40 Tage und Nächte auf der Arche verbrachte, hat er nur einen Wunsch: sich ordentlich anzusaufen. Das ist durchaus nachvollziehbar und steht auch schon in der Bibel.

Ansonsten hat sich Regisseur Darren Aronofsky in seinem delirierenden Bibel-Blockbuster Freiheiten genommen. Seine Version der alttestamentarischen Sintflut oszilliert zwischen ambitioniertem Spezialeffekt-Spektakel und verdüstertem Familien-Horror-Melodram. Bereits im Vorfeld gab es religiöse Debatten, der Film wurde in einigen muslimischen Ländern sogar verboten.

Apokalypse

Wie die Apokalypse aussehen könnte, wenn das Wetter spinnt, zeigt Aronofsky in bedrohlicher Deutlichkeit. Erst darbt Russell Crowe als bärtiger Patriarch Noah mit seiner Familie in unfruchtbarer, schwarz-grauer Vulkanlandschaft.

Dann erhält Noah in einer Art prophetischem Drogenrausch Kenntnis von Gottes Absicht, die Erde zu versenken. Aronofsky fährt dazu mit für ihn typischer, fiebriger Handkamera durch den Garten Eden, zeigt zischende Schlangen und rot pulsierende, verbotene Äpfel. Zuletzt lässt er Menschen in Wassermassen ertrinken.

Viel handschriftenloser Computer-Aufwand ist nötig, um sowohl die Sintflut, als auch die ausgefeilten Schlachten eher zäh in Szene zu setzen. Die Riesen, von denen im Alten Testament die Rede ist, entwirft Aronofsky als sprechende Geröllhalden, die aussehen wie Verwandte von "Transformers".

Richtige Horror-Panik setzt schließlich auf der Arche ein. Noah, der einzige Gerechte, entwickelt eine Art religiösen Tick. Gottesfurcht schlägt in Gotteswahn um und droht, Noah in einen religiösen Fundamentalisten zu verwandeln. Papa ist verrückt geworden – und beim Rest der Familie beginnt das große Heulen. Das steht nicht mehr in der Bibel, sondern verdankt sich Aronofskys Vorliebe für intensives Psycho-Drama.

Man kann das tief seriös finden oder auch ein wenig albern. Unter den Norm-üblichen Blockbustern steht "Noah" aber zumindest als interessanter Abweichler da.

KURIER-Wertung:

INFO: "Noah". Bibelepos. USA 2014. 138 Min. Von Darren Aronofsky. Mit Russell Crowe, Jennifer Connelly, Emma Watson, Anthony Hopkins.

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Manche Landschaften produzieren einfach düstere Geschichten. Pennsylvanias abgewirtschafteter Rostgürtel im Nordosten der USA gehört eindeutig dazu.

Schon Hugh Jackman kämpfte dort in „Prisoners“ depressiv gegen Alkohol und Kindesentführer. In den Vororten von Pittsburgh entstehen keine Komödien.

Proletenpassion

Auch Christian Bale als Stahlarbeiter Russell Baze durchläuft in der sterbenden Stahlstadt Braddock eine gemütsschwere Proletenpassion. Mit großer Souveränität und sensibler Hingabe übernimmt der Brite die emotionale Hauptlast eines astreinen Männer-Melodrams. Einfühlsam pflegt er seinen sterbenden Vater, kümmert sich um den mental instabilen Bruder und weint, wenn man ihn verlässt – eine Rolle, die typischerweise eher den Damen zufällt. Doch in seiner (beinahe) frauenlosen Welt der Arbeiterklasse trägt Bale entschlossen die Bürde des Melodramen-Helden und schluckt sehr viele Demütigungen, ehe er schließlich doch den harten Mann und Rächer heraushängen lässt.

Scott Cooper, der mit seinem Spielfilmdebüt „Crazy Heart“ Jeff Bridges immerhin einen Oscar bescherte, inszeniert sein melancholisch-poetisches, auf analogem Material gedrehtes Working-Class-Drama vor rauchenden Fabrikschloten und den grauen Fassaden trister Wohnheime.

Casey Affleck als kleiner Bruder und Irak-Veteran findet keinen Tritt in den freudlosen Gassen des Stahlwerkes.Die Schlächterei im Nahen Osten und das damit verbundene Kriegstrauma hat für ihn das zivile Leben verunmöglicht. Stattdessen lässt er sich auf illegale Boxkämpfe auf den Schrottplätzen von Industrieruinen ein – und gerät dabei an den Klassenfeind aus der weißen Unterschicht.

Dieser erhebt sich aus dem dem drogenverseuchten Mittelgebirge der Apalachen und wirkt wie eine bizarre Parodie auf Walter White aus „ Breaking Bad“. Woody Harrelson spielt den Gaga-Hinterwäldler und augenrollenden Crystal-Meth-Koch mit sichtlicher Spielfreude und platziert bei jeder möglichen Gelegenheit eine Kugel im Kopf seiner Gegner.

Fightclub

Irgendwann reicht’s dann auch dem duldsamen Russell Baze und er verlässt Heim und Herd im Namen der Rache. Spätestens dann verliert Regisseur Cooper seine schöne Milieustudie zugunsten einer melodramatischen Zuspitzung, die ins Überdeutliche verfällt. Kriegsheimkehrer-Drama trifft „Fightclub“ trifft Selbstjustiz-Thriller, mit einem kleinen Umweg über ein Szenen-Zitat aus „Das Schweigen der Lämmer“.

Gerade noch traurig-stimmiger Alltagsblues aus den Hochöfen der Stahlstadt, steigert sich „Out of Furnace“ plötzlich ins Alttestamentarische. Und schmilzt seinen Anspruch auf Realismus im Genre-Stereotyp ein.

KURIER-Wertung:

INFO: "Auge um Auge – Out of the Furnace". Drama. USA/GB 2013. 116 Min. Von Scott Cooper. Mit Christian Bale, C. Affleck.

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Zurück zur Natur finden nicht alle gut, auch dann nicht, wenn sie Vögel sind. Der blaue Spix-Ara Blu – gefiederter Animationsheld in Fortsetzung – zieht die Stadt Rio bei Weitem dem Dschungel vor. Als Freund digitaler Gadgets kommt er schwer ohne Handy und Navi aus. Seine Frau Jewel allerdings sieht das anders. Als in den Nachrichten von bedrohten blauen Vögeln im Amazonasgebiet berichtet wird, schlägt Jewel eine Landpartie vor. Die drei Kinder sind begeistert, und Blu muss mitziehen. Motto: "Happy wife, happy life."

Carlos Saldanhas Fortsetzung seines Dschungelmusicals kann sich – speziell farblich – sehen lassen. Knallbunt, witzig und einfallsreich im Detail, übertüncht es manch erzählerische Plattitüde. Ein giftiger rosa Lurch wirft sich eine Federboa um und singt ein inbrünstiges Liebeslied, ein flügellahmer Kakadu – der böse Nigel – rezitiert Shakespeare und schmettert Arien, bis das Zäpfchen zittert. Und Blu selbst schlägt mit Furor einen Verehrer seiner Frau aus dem Feld. Familienspaß.

KURIER-Wertung:

INFO: "Rio 2 – Dschungelfieber". Animation. USA 2014. 101 Min. Von Carlos Saldhana. Dt. Stimmen: David Kross, J. Klum.

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Nick Hornbys beißend-schwarze Brit-Satire von 2005 verflacht unter der Regie des Franzosen Pascal Chaumeil zu einem heiter-besinnlichen Tragikomödchen in Starbesetzung.

Zur größten (unliebsamen) Überraschung zählt dabei wohl das bleiche Spiel von Aaron Paul, dem genialen Drogenkoch-Sidekick aus der TV-Serie "Breaking Bad".

An einem kalten Silvesterabend treffen sich vier Lebensmüde zufällig auf dem Dach eines Hochhauses, um ihrer irdischen Existenz ein Ende zu setzen. Da sie sich in so zahlreicher Gesellschaft befinden, verschieben sie das tödliche Vorhaben auf den Valentinstag und fahren stattdessen gemeinsam auf Urlaub. Im Verlauf der Erzählung bekommt jeder eine Vorgeschichte aufgebürdet – allen voran Pierce Brosnan, der einen abgewrackten Frühstücks-TV-Moderator in der Frühpension spielt. Tatsächlich kann kein Schicksal dem "Bond"-Charmeur etwas anhaben. Einzig Toni Collette als Mutter eines behinderten Sohnes entwickelt glaubwürdig Drama. Der Rest des Clubs trägt höchstens eine Träne im Knopfloch.

KURIER-Wertung:

INFO: "A Long Way Down". Tragikomödie. GB/D 2014. 96 Min. Von Pascal Chaumeil. Mit Pierce Brosnan, Imogen Poots, Aaron Paul

"Nymphomaniac 2"

Drama. Gerade als die sexsüchtige Joe im zweiten Teil von Lars von Triers prallem Thesenfilm die Liebe kennenlernt, wird sie frigid. Die mädchenhafte Charlotte Gainsbourg durchläuft souverän von Triers immer spannende Tour de Force auf der Suche nach Selbstbestimmung. Zu einer der düstersten und zugleich sublim komischsten Szenen zählt Joes Besuch beim Sado-Maso-Doktor: Ausgerechnet Jamie "Elliot – I Will Dance" Bell schwingt da die Peitsche zur erotischen Bestrafung. Auch Joes Gesprächspartner Seligman (Stellan Skarsgård) entblößt sich zunehmend selbst – und damit auch seinen Regisseur, der alles von sich herzeigt. Eine Herausforderung – und absolut sehenswert.

KURIER-Wertung:

"Viva la Libertà"

Polit-Satire. Angesichts politischer Misserfolge und einer bedrohlich wachsenden Unzufriedenheit im eigenen Elektorat verschwindet Enrico, deprimierter Chef der oppositionellen Linkspartei, plötzlich spurlos von der Bildfläche. Als sich sein angeblich verrückter Zwillingsbruder Ernani in der Öffentlichkeit zeigt, hält ihn ein Journalist für Enrico und interviewt ihn. Während der "irre" Ernani Volk und Medien begeistert, weilt der echte Politiker bei seiner Ex-Freundin in Frankreich, um wieder zu sich selbst zu finden. Subtil-witziger Film mit originellem Soundtrack und ebensolchem Finale. Mit dem grandiosen Toni Servillo in der Doppelrolle Enrico/Ernani.

KURIER-Wertung:

"Dancing in Jaffa"

Doku. Die israelische Filmemacherin Hilla Medalia begleitet den Tänzer Pierre Dulaine, der in Jaffa einen Tanzworkshop für Kinder abhält.

"Im Zweifel schuldig"

Doku. Seit 14 Jahren sitzt Marcus Wiggins womöglich unschuldig im Gefängnis. Österreichische Doku von Axel Breuer über einen Justizirrtum, den engagierte US-Studenten aufklären wollen.

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Regisseur Darren Aronofsky ist erklärter Atheist. In einem Interview erklärte er förmlich, seine Verfilmung der alttestamentarischen Geschichte von "Noah" sei die unbiblischste Bibelverfilmung, die je gedreht wurde.

Und "Gladiator" Russell Crowe als Noah wird in volltrunkenem Zustand gezeigt.

Alles Gründe und Befürchtungen, die sowohl Christen als auch Muslime ins Feld führten, warum man sich als gläubiger Mensch Darren Aronofskys Hollywoodversion von "Noah" nicht ansehen sollte.

In den muslimischen Ländern Katar, Bahrain, den Arabischen Emiraten und Indonesien wurde "Noah" auch prompt verboten.

Selbst das Produktionsstudio Paramount fühlte sich bemüßigt, bei Werbeeinschaltungen für sein Monumentalspektakel am Anfang ein Statement einzublenden: Der Film sei von der Bibelgeschichte nur "inspiriert", heißt es. Und für alle, die es nicht wissen: Der Originaltext ließe sich im Buch Genesis nachlesen.

Gläubige an Bord

Die Marketing-Strategie wirkte und holte auch zweifelnde Gläubige an Bord: "Noah" , dessen Produktionskosten sich auf 125 Millionen Dollar beliefen, überraschte am ersten Wochenende in den USA mit eingespielten 44 Millionen Dollar. Auch der internationale Filmstart geriet vielversprechend.

Finanziell gesehen scheint die Arche also durchaus flott zu sein.

Besonders Russell Crowe erhielt viel Lob für sein Spiel, nachdem angefragte Schauspieler wie Michael Fassbender und Christian Bale aus Termingründen die Titelrolle nicht übernehmen konnten. Der Kritiker von Time-Magazin verstieg sich gar zu dem Titel: "Darren Aronofskys ,Noah‘-Movie: Better than the Book."

Aronofsky selbst, der mit Arbeiten wie "Pi", "Requiem for a Dream" oder "Black Swan" von manchen kultisch verehrt wird, erfüllte sich mit seinem ersten großen Studiofilm einen lang gehegten (Teenager-)Traum.

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