Kultur

Kevin Kline: Kein Mann des Spezialeffekt-Kinos

Kevin Kline liebt das Wechselspiel zwischen Tragödie und Komödie. Am liebsten macht er beides gleichzeitig – so wie in der Tragikomödie "My Old Lady" (Kinostart: Freitag). Mühelos wechselt er seine Tonart, spielt abwechselnd den forsch-frechen Amerikaner mit flotten Sprüchen, dann den gebrochenen Mann mit Alkoholproblemen.

Kevin Kline – und das weiß man spätestens seit seiner Paraderolle in "Ein Fisch namens Wanda" – ist ein brillanter Komiker genauso wie ein profunder Dramatiker.

In "My Old Lady", der Adaption eines Theaterstücks von Israel Horovitz, reist er nach Paris, um sein Erbe anzutreten. Sein Vater hat ihm dort ein Stadtpalais vermacht. Der Haken: Eine alte Dame – schön scharfzüngig: Dame Maggie Smith – wohnt darin mit ihrer Tochter (Kristin Scott Thomas). Erst wenn die Alte stirbt, darf der Erbe verkaufen.

Ein Gespräch mit Kevin Kline über die Leichtigkeit, den Betrunkenen zu spielen, Superhelden und wer am Ende die Frau bekommt.

KURIER: Mr. Kline, Sie machen sich in "My Old Lady" um zehn Jahre jünger und spielen einen 57-jährigen. Das Altern macht Ihnen sichtlich nicht zu schaffen?

Kevin Kline: Ich denke tatsächlich nicht allzu viel über das Alter nach, aber manchmal spüre ich es (lacht). Es ist aber grundsätzlich nichts, wovor ich mich fürchte – oder sagen wir so: Ich bin nicht in Panik. Es gehört einfach zu diesen Dingen des Lebens, die unvermeidlich sind.

Sie sagten zu Regisseur Israel Horovitz, dieser Film wäre vielleicht der letzte, in dem Sie am Ende eine Frau bekommen ...

Tja, das sagt man im Showbiz gerne so über die Rolle, die man spielt: "Ich bekomme die Frau". Oder: "Ich werde sterben." Ich habe einen Scherz gemacht, der sich als wahr herausstellen könnte. (lacht) Derzeit drehe ich beispielsweise einen Film, wo ich am Ende die Frau nicht bekomme. Dafür bekomme ich eine andere. Es läuft also noch ziemlich gut.

In "My Old Lady" spielen Sie einen Mann, der im Leben nicht viel erreicht hat und immer noch mit seiner vermasselten Kindheit hadert. Was hat Sie daran interessiert?

Mir gefiel die generelle Thematik, das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern, von Vätern zu ihren Söhnen. Dieser Mann landet in Paris, wo er sich nicht auskennt, und wird plötzlich mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Eine Menge neuer Perspektiven eröffnen sich. Für mich hat er eine sehr unverwechselbare Stimme. In vielen Drehbüchern, die ich lese, haben die Charaktere keine sehr unverwechselbare Stimme.

Stimmt es, dass Sie bereits in der französischen Theaterinszenierung von "My Old Lady" hätten spielen sollen?

Ja, damals schickte mir der Produzent das Drehbuch. Ich habe aber abgelehnt. Ich spreche einfach nicht gut genug französisch, um jeden Abend eine große Rolle auf dem Theater tragen zu können.

Oft im Film sind Sie betrunken. Es heißt immer, es sei sehr schwer, Betrunkene zu spielen.

Stimmt, das hört man immer wieder, aber auf mich trifft das nicht zu. Genauso wird ja auch gerne behauptet, dass Komödie spielen hart sei. Wahrscheinlich hat einmal irgendwer auf seinem Sterbebett gesagt: "Sterben ist leicht, Komödie schwer" – und seitdem sagen es alle nach. Ich kann dem nur widersprechen: Komödie macht Spaß. Aber vielleicht liegt es daran, dass ich einen eher komödienhaften Blick auf die Welt habe.

Es gibt eine Szene, in der Sie Robert De Niro aus "Taxi Driver" nachahmen – die berühmte Stelle, wo er mit seinem Spiegelbild spricht und die Pistole zieht. Improvisieren Sie gerne?

Das war eine Improvisation, die der Regisseur von mir verlangte. Ich wollte eigentlich nicht, denn ich finde es keine sonderlich gute Idee, in seinem eigenen Film einen anderen Film zu zitieren. Dieser Meinung war ich schon immer. Aber offensichtlich ist das sehr beliebt in unserer Kultur. Jedenfalls habe ich dann die ganze De-Niro-Szene mit dem berühmten Satz "Du redest mit mir?" nachgespielt – in meinem Küchenfranzösisch.

Sie bringen auch Ihr musikalisches Talent zur Geltung und singen dem Fluss eine Arie...

Das war auch so eine von diesen spontanen Ideen, die mir ziemlich absurd vorkam. Aber letztlich hat es dann doch ganz gut funktioniert.

Sie müssen in Ihrer Rolle viel weinen. Fällt es Ihnen leicht, sich in sehr emotionale Zustände zu versetzen?

Ich verlasse mich da ganz auf meine Instinkte und versuche, mich in die Lage meiner Figur zu versetzen. Viele Leute hören sich traurige Musik an, bevor sie so eine Szene spielen. Ich mach das auch manchmal – höre mir das Requiem von Mozart oder Verdi an, oder ein irisches Volkslied – das bringt mich in die richtige Stimmung.

Ihren Oscar haben Sie aber für eine komische Rolle bekommen – für Otto in "Ein Fisch namens Wanda". Hat das Ihre Karriere stark verändert?

Ja, denn ich hatte davor schon viel Komödie gespielt, allerdings nur im Theater. In der Filmindustrie ist das Denken ja ziemlich eingeschränkt. Wenn man Glück hat, erinnern die sich gerade mal an die letzte Rolle, die man gespielt hat. Und so casten sie dann auch. Als dann John Cleese diese brillant-lustige Rolle für mich schrieb, bekam ich danach viel mehr Angebote für Komödien. Schwierig war es nur, gute darunter zu finden.

Sie sind kein Mann des Spezialeffekt-Kinos. Bekommen Sie keine Angebote aus Blockbuster-Hollywood oder wollen Sie einfach nicht?

Ich habe nur einen einzigen Film mit Spezialeffekten gemacht, und das war "Wild Wild West". Das war für mich ein Experiment. Generell aber interessiert mich diese Art von Kino nicht sonderlich. Ich habe nichts dagegen, aber ich persönlich spiele lieber Figuren, die man aus dem wirklichen Leben wieder erkennt. Keine Superhelden, sondern ganz normale Menschen.

Kevin Kline, geboren 1947 in St. Louis, Missouri, begann seine Filmkarriere als Lover von Meryl Streep in dem Drama "Sophies Entscheidung" (1982). Für seine Rolle als Gauner Otto in der Kult-Komödie "Ein Fisch namens Wanda" erhielt er 1989 den Oscar als bester Nebendarsteller. Weitere Filme: "Der große Frust" (1983), "Schrei nach Freiheit" (1987), "Dave" (1993), "Der Eissturm" (1997) oder "Wild Wild West" (1999). 2013 war er in der Komödie "Last Vegas" zu sehen. Kline ist passionierter Shakespeare-Darsteller und spielt Theater, "wann immer ich kann."

Derzeit dreht er die Tragikomödie "Ricki and the Flash" (Regie: Jonathan Demme) – mit Meryl Streep, die seine Ex-Frau und einen Rock-Star spielt. Kline ist seit 1989 mit der Schauspielerin Phoebe Cates verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in New York.