Keith Richards: Das ist alles, was er hat
Von Guido Tartarotti
Das Album beginnt mit schnarrenden Gitarrensaiten und einem bis auf die Knochen entkleideten Akustik-Blues: "I got a crosseyed heart". Fast glaubt man, das Knistern einer alten Plattenrille zu hören. Es ist nicht da, aber fast. Dann, nach knapp zwei Minuten, bricht Keith Richards mitten im Lied ab und raunt: "That’s all I got."
Das ist so ein besonderer Rock-’n’-Roll-Moment. Ähnlich dem, wenn Neil Young auf dem Live-Album "Year Of The Horse" einem Konzertbesucher, der ihm "They all sound the same!" entgegenbrüllt, extra kühl antwortet: "It’s all one song." Es ist alles ein Lied, das macht Neil Young aus. Und das macht Keith Richards aus: ein paar reduzierte Blues-Akkorde. Mehr hat er nicht. Mehr braucht er auch nicht.
(Das Grinsen und das Augenzwinkern kann man auch beinahe hören, denn er widerspricht sich ja sofort mit dem nächsten Song, dem fiebrig dahinhetzenden Wüsten-Rocker "Heartstopper". Und dann geht es genauso aufregend weiter, mit "Amnesia", das klingt, als wäre Bob Dylan bei ZZ Top eingestiegen.)
Dylan
Überhaupt: Bob Dylan. Der kommt einem als Reverenz immer wieder in den Sinn, beim Hören dieses Albums. Dylans geisterhaftes Spätwerk, diese zwischen Sentiment und Schroffheit angesiedelten Sichtungen der amerikanischen Musiktradition. Richards bestätigt im Interview mit Uncut, dass er Dylan als Kollegen (er verwendet das englische Wort "peer") betrachtet: "Ich liebe Bob!" Obwohl dieser meist unsichtbar sei.
Ein schönes Duett mit Norah Jones gibt es auch, Aaron Neville gibt ein Gastspiel, und zum letzten Mal ist Richards’ verstorbener Freund Bobby Keys am Saxofon zu hören. Das Ergebnis ist ein inspiriertes Album, das auch nach dem Abzug des Ehrfurchts-Bonus (so ca. nach dem dritten Hören) immer noch gut klingt.
Richards kündigt an, mit den Rolling Stones nächstes Jahr ins Studio zu gehen, falls er Mick Jagger dazu überreden kann. "Er mag es nicht, ständig mit mir zu arbeiten, aber er will auch nicht, dass ich mit jemand anderem arbeite", sagte Richards dem Magazin Mojo. "Er ist in dieser Hinsicht ein bisschen eifersüchtig." Auch eine weitere Stones-Tour sei für 2016 geplant, und vielleicht dazwischen ein paar Shows mit seiner Solo-Band.
Die vormalige wandernde Apotheke Richards sieht mit 71 gesünder aus als mit 50. "Ich bin ziemlich nüchtern heutzutage", erklärte er Mojo. Um sofort, imagegerecht, hinzuzufügen, dass er nie auf den Frühstücks-Joint verzichte. Sein Überlebensrezept? Gelassenheit.
"Wenn du in meinem Alter die Dinge zu ernst nimmst, bist du erledigt."