Kultur

Karl Markovics: "Der Sklavenhalter wird Sklave"

Ausgerechnet Joseph Goebbels – in dieser Rolle hätte man sich Karl Markovics eigentlich nicht erwartet. Doch genau den spielt der Wiener Schauspieler und Regisseur in dem tschechischen Trash-Melodram "Die Geliebte des Teufels" (ab 15.4. im Kino) von Filip Renč. Nach Angaben des Verleihers lockte der Film in Tschechien und der Slowakei bereits mehr als eine halbe Million Zuschauer in die Kinos.

Die Affäre zwischen der tschechischen Schauspielerin Lída Baarová, die im Deutschen Reich in den Babelsberger Filmstudios gerade zu einer glänzenden Filmkarriere ansetzte, und Reichspropaganda-Minister Joseph Goebbels erzählt Renč als unsägliche Kitschromanze mit Hang zur (unfreiwilligen) Selbstparodie. Nachdem Hitler höchst persönlich die Affäre verbietet, zieht sich Goebbels schluchzend zurück – und Baarovás Filmkarriere in Deutschland endet.

KURIER: Herr Markovics, Sie als teuflischen Liebhaber Joseph Goebbels in einem tschechischen Liebesfilm wiederzufinden, war einigermaßen überraschend. Waren Sie auch über dieses Angebot verblüfft?

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Karl Markovics:Verblüfft ist vielleicht zu viel gesagt, aber ich war schon überrascht – mit Goebbels habe ich nicht unbedingt gerechnet. Aber ich habe am Anfang gezögert, weil ich einen Grundrespekt vor historischen Figuren habe. Man ist immer abhängig davon, eine gewisse Ähnlichkeit erfüllen zu müssen. Da ist zwar ganz spannend, aber man kann auch sehr schnell in die Falle geraten, dass man sich ganz auf die Imitation verlegt und auf das das Wesentliche vergisst, nämlich eine Interpretation zu liefern und einen Menschen darzustellen.

Goebbels wurde auch der "Bock von Babelsberg" genannt. Wussten Sie das?

Das war mir bekannt. Ich wusste auch von einer Affäre mit einer Schauspielerin, deretwegen er seine Frau verlassen wollte – und dass Hitler ein Machtwort gesprochen hat. Aber wie weit das ging, nämlich dass Goebbels tatsächlich Hitler seinen Rücktritt angeboten hat und als Botschafter nach Japan gehen wollte, wenn er nur Lída Baarová heiraten dürfe, das wusste ich so im Detail nicht.

Was war für Sie der Schlüssel zu der Goebbels-Figur?

Für Goebbels war die Affäre mit Baarová etwas sehr Ernstes. Und das hat mich an der Geschichte interessiert – dass plötzlich der Mann, der sonst so stark ist, schwach ist. Der Sklavenhalter wird Sklave. Er wird wieder das erbärmliche Würschtl, dass er ohne Hitler, ohne Nationalsozialismus vorher gewesen ist. Mich interessieren die Schwächen von Menschen – nicht die Stärken.

Teilweise fühlt sich das Drama wie eine Soap Opera an.

Ja, Filip Renč hat einen großen Hang zum Melodramatischen. Das geht in alle Richtungen, zum einen ins pure Melodram – den Einsatz von Musik, den opulenten Bildern, den Flammen – dafür muss man schon etwas übrig haben (lacht). Auf der anderen Seite – und das ist für mich das Tschechische an ihm – geht es ins Skurrile und ins Groteske.

Manchmal auch ins unfreiwillig Komische. Hätten Sie das als Regisseur anders gelöst?

Ich hätte es gar nicht gelöst, weil ich mit historischen Stoffen als Filmemacher wenig anfangen kann. Dazu habe ich keinen Zugang. Das kommt vielleicht noch, aber ich weiß es nicht.

Lída Baarová wird als unglücklich Liebende dargestellt. Wie sehen Sie diese Figur?

Meiner Meinung nach war es für Goebbels die große Liebe, aber nicht für sie. Für sie war es – und sie war ja nicht dumm – Karriereplanung. Sie hatte durch Goebbels unendlich viele Vorteile und sie hat alles andere ausgeblendet. Und damit das im Nachhinein besser klingt, hat sie von der Liebe gesprochen. Sie war zwar nicht blöd, aber auch nicht sehr begabt. Sie hatte eine Ausstrahlung als Frau, aber eine Greta Garbo wäre sie nie geworden. Ich glaube, sie hat sehr wohl kapiert: Hollywood wartet nicht auf eine Lída Baarová. Sie wollte bei den Siegern sein, doch das, was damals nach Siegern ausgesehen hat, war fünf Jahre später Geschichte.

Fanden Sie es problematisch, einen Goebbels als romantischen Liebhaber zu erzählen?

Ich habe das deswegen nicht so empfunden, weil es keine bedeutende Szene mit Goebbels gibt, die nicht immer auch in Zusammenhang mit dem steht, wofür er verantwortlich ist. Das war mir irrsinnig wichtig – die Verknüpfung dieser Romanze mit seiner absurden Biografie. Es war die Bestrebung – ich weiß nicht, ob von seiten der Produktion oder der Regie – alles, was zu sehr von Juden und Holocaust handelt, wegzunehmen. Ich nehme an, damit die Romantik-Geschichte nicht beschädigt wird. Und ich habe gesagt: "Seid ihr wahnsinnig? Die muss beschädigt werden, genau darum geht es ja." Wenn man Juden mit den heutigen Flüchtlingen vergleichen würde, dann würden wir uns dieser Zeit nicht mehr so fern fühlen.

Einen Bezug zu heute legt der Film aber nicht nahe.

Nein, das intendiert er nicht, aber für mich war es wichtig, diese politischen Elemente drin zu haben. Sie sind das Einzige für mich, dass diese Figur zu spielen gerechtfertigt haben. Denn die Mechanismen gehen in die gleiche Richtung. Wir senken Hemmschwellen. Flüchtlinge werden mit Sicherheitsproblemen verknüpft – aber nicht mit ihren, sondern mit unseren. Es werden unglaublich absurde Bedrohungsszenarien aufgebaut. Ganze Landstriche geraten in Panik, die noch keinen Flüchtling gesehen haben. Und genau um diese Anfänge geht es auch im Film.

Das profilierte Linzer Filmfestival Crossing Europe widmet heuer einen Schwerpunkt der renommierten tschechischen Dokumentarfilmemacherin Helena Třeštíková. Die mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Regisseurin gilt als große Porträtistin von bekannten und unbekannten Zeitgenossen, die ihr intime Einblicke in ihr Leben gewähren.

Zu den 16 in Linz gezeigten Filmen zählt auch die Österreichpremiere ihrer Doku "Lída Baarová – Doomed Beauty", erstmals im Jänner 2016 im tschechischen Fernsehen uraufgeführt. Bereits 1995 widmete Třeštíková der tschechischen Filmschauspielerin Baarová, die sich ihre blühende Karriere als UFA-Filmstar durch eine Affäre mit Joseph Goebbels "verdarb", ein 30-minütiges TV-Porträt. Für ihre Langdoku griff sie nun auf dieses Material zurück und unterfütterte es mit Film-Ausschnitten und Wochenschau-Aufnahmen.

In behutsamen Gesprächen nähert sich Třeštíková der alten, immer noch attraktiven Dame, die in einer Salzburger Wohnung sitzt, Kette raucht und gelegentlich zur Schnapsflasche greift.

"Ich war nicht nur schön, sondern ich hatte auch Talent", sagt Lída Baarová und rekapituliert mit brüchiger Stimme ihre Liebesbeziehung zum damaligen Filmstar Gustav Fröhlich ("Metropolis") und ihre Begegnung mit Hitler und Goebbels.

Bizarr, wie die beiden Verbrecher in den Erinnerungen Baarovás zu verliebten Schwärmern mutieren: Hitler lädt sie zum Tee ein und gesteht ihr, dass sie ihn an seine große Liebe erinnert. Goebbels holt sie in seine Villa und küsst sie zu Beethovens Musik. "Ich liebte ihn", sagt Lída Baarová: "Ich habe für meine Dummheit bezahlt."