Kampf der Universen: Wie Marvel DC davon flog
Das „Marvel Cinematic Universe“ gilt als Maß der Dinge in Sachen Comicverfilmungen. Vor zehn Jahren sagte man dasselbe noch über die Konkurrenz von DC. Eine Geschichte von richtigen und falschen Entscheidungen.
Im Nachhinein muss man wohl feststellen, dass das Jahr 2008 für DC Comics – einen der beiden großen US-amerikanischen Comicverlage – der Höhepunkt war. Zumindest filmisch gesehen. Im Sommer des Jahres erschien „The Dark Knight“, der zweite Teil von Christopher Nolans Batman-Trilogie, für viele immer noch einer der besten Blockbustern der Nullerjahre. Christian Bale gab dem Helden erneut eine düstere Tiefe. Und der mittlerweile verstorbene Heath Ledger stahl ihm als Joker auch noch fast die Show.
Vier Jahre später brachte Nolan die Filmreihe mit „The Dark Knight Rises“ zu einem nicht mehr hymnisch gefeierten, aber doch sehr ordentlichen Ende. Jeder sprach davon, zumindest unter den Menschen, die grundsätzlich für Comicverfilmungen offen sind.
Knapp ein Jahrzehnt später spricht die Welt nur noch über den großen Konkurrenten Marvel, seine „Avengers“ und ihre Verbündeten. Geht es um DC Comics, dann oft mit einem negativen Unterton: Filme wie „Suicide Squad“, eigentlich als neue Säulen des DC-Universums geplant, wurden als zahnlos und langweilig verrissen. Mit anderen Großprojekten verlor DC sogar ordentlich Geld.
An der Spitze der Comicverfilmungen hat über das letzte Jahrzehnt hinweg ein klarer Machtwechsel stattgefunden. Wie so oft gibt es für komplexe Vorgänge keine einfachen Erklärungen. Wenn man aber versuchen wollte, es möglichst simpel auszudrücken, könnte man vielleicht sagen: DC traf ein paar Jahre lang so ziemlich jede mögliche Entscheidung falsch, während der Konkurrent Marvel sehr viel richtig machte.
Marvel entwickelt sich
Ungefähr 2003, Jahre vor dem Siegeszug der Avengers und Co., entstand bei Marvel eine ambitionierte Idee. Was, wenn man Filme über die eigenen Comic-Helden nicht mehr nur koproduzieren, sondern gleich komplett selbst machen würde? Auf eigene Rechnung, aber eben auch mit kompletter Kontrolle? Das war riskant, auch weil die Firma dafür viel Geld brauchte und die Rechte an populären Figuren wie Thor als Sicherheit hinterlegte.
Doch es zahlte sich aus. Mit „Iron Man“ erschien 2008 der erste komplett selbstproduzierte Film der Marvel Studios, der das „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) begründete. Im Wesentlichen ist das MCU eine Serie aus bislang 22 Superheldenfilmen, die miteinander zusammenhängen und in mehreren Phasen eine fortlaufende Geschichte erzählen.
Es ist die erfolgreichste Filmreihe der Geschichte und spielte bislang über 21 Milliarden Dollar ein. Mit „Spiderman: Far from Home“ (Kinostart 4. Juli 2019) geht die dritte Phase im Moment offiziell zu Ende. Die Idee war, zumindest in der Rückschau, genial.
Marvel baute geschickt die Erwartung auf, dass man alle Filme gesehen haben müsse, um der Story zu folgen, obwohl die Verbindung zu anderen Filmen meist nur in zwei, drei Szenen während der End-Credits hergestellt wurde. Aber Menschen rannten so auch in die Kinos, um sich schwächere Filme wie „Doctor Strange“ anzuschauen. Zusätzlich wurde die sich langsam entfaltende Geschichte um den galaktischen Superschurken Thanos, der die Hälfte des Lebens des Universums auslöschen möchte, zu einem popkulturellen Phänomen. Zahllose Fantheorien wurden in Internetforen hin- und hergewälzt.
Die Fehler von DC
Während Marvel, das 2009 von Disney gekauft wurde, eine Grundstory entwickelte, gute Autoren und Regisseure verpflichtete und das Publikum zum Lachen brachte, geriet die Situation beim Konkurrenten DC nach dem Ende der Batman-Reihe aus den Fugen. Viele führen den Niedergang der DC-Filme zumindest teilweise auf die Verpflichtung des Regisseurs und Autoren Zac Snyder zurück.
Snyder landete in den Nullerjahren mit Filmen wie „300“ Überraschungshits, gilt aber auch als Regisseur, der zwar stylische, aber keine intelligenten Filme machen kann. Das sollte sich rächen.
Vom Erfolg von Marvel inspiriert, gründete auch DC seine eigene Filmproduktionsfirma und versuchte, ein „DC Extended Universe“ (DCEU) zu begründen.
Das Problem: Die ersten Filme waren einfach nicht gut genug. Snyders „Batman vs Superman“ enttäuschte genauso wie „Suicide Squad“. Und anders als die Marvel-Streifen, die sich über die Jahre eine ordentliche Portion Selbstironie verpasst hatten, nahmen sich die DC-Filme selbst sehr ernst.
Das Internet hatte sein Urteil über das DCEU schnell gefällt. Aus dieser Situation kommt man schwer wieder raus. Marvel gut, DC schlecht – dieses Bild ist so natürlich ein bisschen zu einfach. Zum einen darf man nicht vergessen, dass auch Marvel in der frühen Phase schwächere Filme ablieferte. Und DC war in den letzten Jahren keineswegs nur katastrophal unterwegs: „Aquaman“ wurde zwar von der Kritik weitgehend zerrissen, war aber ein finanzieller Erfolg. „Wonderwoman“ wurde an den Kassen wie in den Medien sehr wohlwollend aufgenommen.
Und doch kann man sagen, dass DC in seinem Plan, dem extrem erfolgreichen Weg von Marvel zu folgen, (bislang) gescheitert ist.
Herausforderungen
Bei DC scheint man durchaus erkannt zu haben, dass man etwas tun muss. Mit der neuen Batman-Trilogie, die 2021 anlaufen soll, wird der wichtigste Held erneut neu erfunden . Mit der Backstory des „Joker“ erscheint noch heuer ein DC-Film, der explizit nichts mit den anderen Filmen des Studios zu tun hat. Und der auf eine Stärke setzt, die DC der Marvel-Welt immer voraus hatte: Es hat die interessanteren Schurken.
Aber auch bei Marvel steht man vor größeren Herausforderungen. Nach dem lang erwarteten Klimax des letzten „Avengers“ muss das Publikum an neue Figuren gewöhnt werden.
Und auch das ist, bei allem Erfolg, keineswegs ohne Risiko: Ein Spitzenplatz ist nie für immer sicher.