Julian Khol: "Ich bin ein Respekt-Junkie"
Von Johanna Hager
Das Porträt erschien am 28. November 2010 im KURIER
Himmel über Wien ist in tristem Grau gehalten, ähnlich den Hausfassaden im siebten Bezirk. An der Adresse riecht es bereits im Stiegenhaus nach Terpentin. Die Tür bei Top 7 steht offen und offenbart die Quelle der Gerüche. Farbspritzer am Boden, an den Wänden lehnend und hängend Bilder. Seine Bilder. Noch ist seine Stimme, sind seine Schritte nur hörbar, er jedoch nirgendwo sichtbar.
Der Besucherblick wandert vom Vorzimmer in den Raum, den er als Atelier nutzt, und bleibt an am Boden liegenden Papieren und zwei mit Rohleinen bespannten Rahmen an der Wand hängen. Noch ehe man darüber nachdenken kann, was die rot-schwarzen Bilder zeigen, steht er da. „Kommt’s doch bitte herein! Ich muss nur schnell fertigtelefonieren“, sagt er, reicht den Gästen die Hand und verschwindet so schnell, wie er aufgetaucht ist.
Keine Minute später wieder eine Begrüßung: „Entschuldigung, aber ich muss einiges organisieren. Gestern war die Ausstellung beim deutschen Botschafter.“ Dass Julian Khols auffallend angenehme Höflichkeit und seine augenscheinliche Rastlosigkeit Bestandteil seines Wesens sind, weiß man noch nicht. Man ahnt es nur. Kaum hat der 31-Jährige Platz angeboten, läutet es. Ein Bote holt eines seiner Bilder für die Wiener Luxusmesse „Luxury, please“ ab, das er mit „O.T.“ (ohne Titel) signiert.
Ruhig
„So, darf ich etwas anbieten? Grünen oder schwarzen Tee?“ – „Kaffee vielleicht?“ – „Ich trinke keinen Kaffee, weil ich ihn leider nicht vertrage.“ Die Wahl des Besuchers fällt auf Coke Zero, weil er Zucker ebenso wenig verträgt wie das Koffein im Kaffee. Koffein braucht er aber, wie ein Blick auf seinen Arbeitstisch zeigt: Ein halbes Dutzend leerer Coke-Zero-Dosen stehen neben einem Küchenmixer, dessen Quirle blau gefärbt sind.
Ein Blau, das sich in den zwei Bildern über der Couch wiederfindet, auf der er jetzt Platz nimmt. Khol sitzt vor einem seiner „Traumbilder“ und strahlt nun körperliche Ruhe aus. Im Hintergrund läuft leise Ö1. „Stört die Musik?“ Tut sie nicht.
Ebenso wenig stört es, dass der „karge Frühstücker“, der, wenn er allein ist, nur Haferschleim isst, jetzt lediglich am Tee nippt.
Noch weniger stört es, dass Khol viele sich aufdrängende Fragen durch seine Antworten unaufdringlich vorwegnimmt. So, als wisse er, welche Bilder sich Unbekannte von ihm machen.
Konservativ
Ihm, dem Sohn des Ex-Nationalratspräsidenten und Seniorenbundobmannes Andreas Khol („Ich war immer der Sohn vom konservativen Khol“). Ihm, dem Ex-Model, das mit 15 Jahren während der Ferien bei seiner Schwester in London entdeckt wurde („Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich besonders gut aussehe. Wenn man sich Fotos von mir mit 14 anschaut: Babyspeck. Keine Chance als Model!“). Ihm, der zwischen 18 und Anfang 20 in Paris, London oder Mailand lebte, für Armani, Gucci oder Prada warb und trotz aller „interessanten Persönlichkeiten, die man kennenlernt“, irgendwann nicht mehr wollte.
„Wenn du am Set bist, dann dreht sich alles nur um dich. Dann bist du der Star des Tages, hast ein Hochgefühl. Und wenn um 16 Uhr das Shooting vorbei ist, bist du plötzlich unwichtig. Und zwar für alle.“ Zwei Wochen keinen Job zu haben „geht sich für mich rein psychisch nicht aus. Ich habe immer und gerne gearbeitet. Aber damals war keine Konstanz da, und Konstanz ist das Wichtigste bei der Arbeit.“
Relativ
Bereits als Jugendlicher war er von der Malerei angezogen, war der Kunstunterricht in der Rudolf Steiner-Schule „der Einzige, in dem ich 45 Minuten Ruhe gegeben habe, ruhig sitzen konnte.“ Dass er die Kunst zum Beruf machen würde, wusste er dennoch „erst relativ spät“. Die Antwort auf das Warum ist erstaunlich selbstkritisch: „Ich habe die diversen Künste kennengelernt, ganze Bücher vollgeschrieben, Musik am Computer gemacht, gemodelt, auch Schauspiel ausprobiert. Aber für die Malerei hat mir der Mut gefehlt. Man muss sich das ja trauen! Man stellt als Maler ja eine Behauptung auf. Ich behaupte: Mein Bild hat eine Botschaft und ist es wert, gesehen zu werden.“
Getraut hat er sich erst nach der Model-Karriere und einem Jahr der Vorbereitung auf Aufnahmeprüfungen 2004.
„Der Christian, also Christian Ludwig Attersee, hat mich in seine Meisterklasse aufgenommen, wo ich als Model und Politikersohn bekannt war. Andere hätten nicht ein-mal meine Mappe aufgemacht. Er hat es getan“, weiß Khol um Klischees.
Dass es auch für seine Eltern gepasst hat, erzählt er mit einem Lächeln. Und er erzählt viel über sein Leben als Jüngstes von sechs Kindern und seinen Humor. „Andrea, Veronika, Hemma, Florian und Lorenz haben alle studiert und sind erfolgreich in den diversen Branchen tätig. Das führte zu dem Paradoxon, dass sich meine Eltern irrsinnig gefreut haben, als ich an die Angewandte bin. In jeder anderen Familie hätten die Eltern die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: ,Mein Gott, der Bua bildet sich ein, er wird Künstler!‘“ Nicht aber in der Familie Khol, deren Leben von der Politik geprägt war.
Kommunikativ
„Politik war das Thema beim Mittagessen, beim Abendessen. Mein Vater kam nach Hause und hat erzählt, was passiert ist, hat Rücksprache gehalten mit meiner Mutter und, je älter wir wurden, auch mit uns.“ Diskussionen, „teils heftige, in denen wir teils gleicher, teils ganz unterschiedlicher Meinung waren und sind“, haben ihn ebenso geprägt wie das Dasein als Benjamin der Familie: „Ich habe als Jüngstes von sechs Kindern gelernt, das Wissen der Älteren zu schätzen und zu nutzen. Es ist ein wahnsinniger Vorteil, wenn du mit jemandem ein Zwiegespräch führen kannst, der jahrelange Erfahrung hat.“
Wen er damit meint, erklärt er, „der immer Bewegung braucht“, nach einem Ortswechsel. „Gehen wir zur Aschenbecherplantage?“
Kaum schräg vis-à-vis der rot-schwarzen Männer-Akte Platz genommen und eine Zigarette angezündet, führt er aus: „Christian Ludwig Attersee hat mir die Grundlagen der Malerei beigebracht. Damit meine ich nicht die Technik, sondern, dass man schaut, sucht, begreift, was man macht.“
Ständig ist er auf der Suche nach Motiven. An- und getrieben von dem sich und Dinge Infragestellen. Kopfzerbrechen: eine Eigenschaft, die er mit Mutter Heidi teilt.
Der Tag gilt der Vorbereitung. „Da trage ich die Bilder in meinem Kopf, konstruiere sie, suche nach Ausdrucksmöglichkeiten. Nach dem Abendessen fange ich mit dem Produzieren an. Das geht meist bist sechs Uhr Früh, dabei läuft Minimal-Techno.“
Produzieren statt Malen? „Das ist nicht negativ. Produzieren heißt, dass der Prozess im Vordergrund steht. Das Tun. Ich nenne das immer die Zeit der Antworten. Da gibt es keine Fragen mehr, da wird einfach getan.“
Expressiv
Seinen Stil beschreibt er als „figurativ, expressiv, abstrakt“, beeinflusst vom Amerika der 50er-Jahre und der Wiener Schule und seinem Lehrer Attersee in Wien und seit 2008 Herbert Brandl in Düsseldorf. Wie es dazu kam, dass der gebürtige Wiener nach Deutschland zog? „Nach einem Atelier-Besuch und langem Gespräch bot mir Brandl an, in seine Klasse zu kommen.“ Und wie es dem Wesen von Julian, dem Jüngeren, entspricht, bat er Attersee, den Älteren, um Rat.
„Er hat mir zugesprochen, gesagt, dass ich das machen muss. Jeder andere hätte gesagt: ,Du bist mein Schüler‘. Ehrliche, unprätentiöse, uneitle Ratschläge. Die kriegst Du nicht von jedem!“ Antworten wie jene von Khol hört man auch nicht von jedem.
Egal, ob er von seinem Galeristen Rudolf Budja erzählt, dank dem er auf internationalen Messen vertreten ist; egal, ob die Rede von seinen besten Freunden, dem Schauspieler Stefano Bernardin und dem Immobilienentwickler David, ist, die, weil in Wien oft zu dritt unterwegs, „Tick, Trick und Track“ genannt werden.
Emotional Und egal, ob die Sprache auf RTL-Moderatorin Nazan Eckes (34) kommt, die er vor zweieinhalb Jahren beim Life Ball lieben lernte und mit der er jedes Wochenende bei ihr in Köln oder ihm in Düsseldorf verbringt. „Seit Nazan in meinem Leben ist, ist alles einfacher geworden. Sie gibt mir emotionalen Rückhalt. Sie hat zu vielen Dingen eine ganz klare Meinung. Gleichzeitig kann man mit ihr alles diskutieren und: Sie kann sich fallen lassen, einfach nur sein.“
Egal , um wen oder was es geht: Khol denkt, bevor er redet. Er spricht mit Achtung über Menschen, ohne dabei anbiedernd zu sein, und verzichtet auf eitle Attitüden, die man einem Ex-Model gerne unterstellen würde.
Er hat klare Haltungen, kommuniziert mit seinen blau-grauen Augen auf Augenhöhe. „Ich kann nicht akzeptieren, wenn Menschen herablassend sind und aus Prinzip andere schlechter behandeln. Ich habe einen Grundsatz: Ich trete jedem Menschen mit dem gleichen Maß an Respekt gegenüber, bis er mir das Gegenteil beweist. Ich bin ein Respekt-Junkie.“
Das Porträt erschien am 28. November 2010 im KURIER
Frühaufsteher oder Langschläfer?
Ich bin ein Spätschlafengeher und Spätaufsteher, arbeite meist bis sechs in der Früh und schlafe dann bis ein Uhr nachmittags. Ab sechs Stunden Schlaf bin ich fit. Damit ich wirklich entspannt bin, brauche ich allerdings acht, neun Stunden Schlaf.
Der erster Gedanke beim Aufwachen?
Immer derselbe Gedanke: Ich hätte das Telefon auf lautlos schalten sollen.
Mein erster Blick in den Spiegel?
Im Laufe eines Tages oder eines Monats? (lacht) Wenn ich Stress habe, schaue ich überhaupt nicht in den Spiegel, putze nur die Zähne, und dann geht es schon dahin.
Tee oder Kaffee?
Ich trinke keinen Kaffee, weil ich ihn nicht vertrage. Obwohl er mir sehr schmeckt, Deshalb trinke ich schwarzen oder grünen Tee, das Koffein darin ist geringer dosiert. Tee mit Zucker also.
Mein schönstes Frühstück
Mit Nazan, die eine Riesen-Frühstückerin ist, kann ich stundenlang frühstücken, am liebsten auf ihrer Terrasse oder irgendwo mit Blick aufs Meer. Wenn ich allein bin, esse ich Haferschleim mit Obst, trinke meinen Tee und fange schon an, eMails zu beantworten, das geht dann meist ins Arbeiten über.
Am liebsten esse ich
Ich bin ein salziger Mensch. Fleisch, Chips, Leberkässemmeln. Ich habe Magenprobleme, deshalb sollte ich keinen Zucker essen, keine Zitrusfrüchte, und eigentlich sollte ich auch keine Zigaretten rauchen und keinen Alkohol trinken, aber das bekomme ich noch nicht ganz hin.