Judith Fegerl lässt barocke Fülle auf Kühlelemente treffen
Von Michael Huber
Manchmal hantiert Judith Fegerl mit hohen Stromstärken, leitet elektrische Energie durch Magneten oder Metalle, um jene unsichtbaren Kräfte, die an jedem Punkt unser Leben bestimmen, sichtbar zu machen.
Die Skulpturen, die die Künstlerin nun in der zentralen Halle des barocken Gartenpavillons im Stift Melk aufgestellt hat, wirken da vergleichsweise zahm: Es sind vergrößerte Nachbildungen von Kühlrippen, wie sie an fast jedem elektrischen Gerät angebracht sind.
Ästhetik und Funktion
Seit 2012 fertigt Fegerl solche Formen an. Dass sie damit bloß die durchaus ansprechende Ästhetik der ohne Kunstabsicht geschaffenen Bauteile in den Fokus rückt, ist aber nur ein Teil der Idee.
„Wenn wir hier eine Wärmebildkamera hätten, dann würde sie zeigen: Diese Objekte tun etwas“, sagt Fegerl beim Gespräch in dem licht- und luftdurchfluteten, mit üppigen Wandgemälden dekorierten Innenraum. Allein in ihrer Art, Wärme zu speichern und abzugeben, würden die Skulpturen das Raumklima mitformen – als „Stille Maschinen“ eben.
Unter eben jenem Titel sind Fegerls Arbeiten bis 31. Oktober im Stiftspavillon ausgestellt – auf Initiative des Vereins „Globart“, der von 25. – 27. 10. wieder sein traditionelles Symposium, „Tage der Transformation“ genannt, im Stift abhält. Eröffnet wird das zwischen Kunst und Wissenschaft positionierte Forum am 25. 10. mit einem Vortrag der Literatin Marlene Streeruwitz, das Generalthema lautet „Misstrauen“.
Impuls und Trafo
Als Impulsgeberin versteht sich auch Fegerl, die mit ihrer Bildhauerei im Bannkreis der Elektrizität mittlerweile zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Chobot-Skulpturenpreis 2023) und Aufträge für den öffentlichen Raum verbuchen kann.
Ein Objekt mit Solarzellen, die Energie zur Bestrahlung von Pflanzen erzeugen, wurde 2023 im Innenhof des Wiener MuseumsQuartiers aufgestellt, eine kleine Version steht nun auch im Melker Pavillon. Dort reicht aber die Sonneneinstrahlung zur Stromerzeugung nicht aus, Pflanzen gibt es lediglich jene, die der Barockmaler Wenzel Bergl als Illusionsmalerei an die Wände brachte.
Das Aufeinandertreffen von historischen Naturbildern und Fegerls Vergegenwärtigung von Prozessen und Kreisläufen ergibt dennoch einen reizvollen Resonanzraum, um über Fragen der Koexistenz von Natur und Zivilisation nachzudenken.
Die Künstlerin hofft, dass ihre Übersetzung abstrakter Vorgänge auch hilft, Probleme in diesem Bereich anzugehen: „Es liegt Schönheit in der Einfachheit. Wenn wir sie wahrnehmen, tun wir uns leichter.“