Kultur

Scholl-Latour: Nahostexperte, Islam-Kenner und Sonderkorrespondent

Der Journalist und Autor Peter Scholl-Latour starb im Alter von 90 Jahren. Sein Verlag Ullstein informierte die Öffentlichkeit über den Tod eines der bemerkenswertesten Journalisten Europas. In der Aussendung des Verlagshauses heißt es, nicht ohne Pathos, aber auch nicht ohne Berechtigung: „Er war der Älteste mit über sechzig Jahren Berufserfahrung als Reporter und Chronist des Weltgeschehens; der Weitestgereiste, der seinen Fuß in sämtliche Länder der Erde gesetzt hat; der Kundigste, der die Kulturen der Welt kannte wie kein Zweiter; der Erfahrenste, der die Kriege und Bürgerkriege unserer Zeit von Algerien über Vietnam bis zum Irak und Afghanistan aus nächster Nähe kennengelernt hat.“

Fernsehzuschauer kennen Scholl-Latour in erster Linie durch seine angenehm sachlich vorgebrachten (nicht immer unumstrittenen) Analysen. Vor allem zu Fragen betreffend den Nahost-Konflikt und die islamische Welt baten ihn TV-Anstalten gerne vor die Kamera. Scholl-Latour war aber auch ein erfolgreicher und geschätzter Buchautor.

Scholl-Latour kam am 9. März 1924 in Bochum zur Welt. Seine Mutter stammte von der französischen Seite des Rheins, aus dem Elsass, sein Vater aus dem Saarland. Deshalb besaß Scholl-Latour sowohl die deutsche als auch die französische Staatsbürgerschaft. Da er nach den „Rassegesetzen“ des Nazi-Verbrecherstaates als „Mischling 1. Grades“ galt, schickten ihn seine Eltern zunächst in die Schweiz. Gegen Kriegsende wollte er sich freiwillig für die französische Armee und danach zu den Tito-Partisanen melden, wurde in der Steiermark festgenommen und erkrankte in der Gestapo-Haft schwer.

Nach dem Krieg diente er in Indochina, studierte an mehreren renommierten Universitäten und begann seine Karriere als Reisejournalist. Er leitete die Studios von ARD und ZDF in Paris und war Sonderkorrespondent überall dort, wo es etwas zu berichten gab: Afrika, Vietnam, Kambodscha, Afghanistan. Er begleitete Ayatollah Khomeini bei dessen Rückkehr in den Iran. Er wurde Herausgeber des Stern, Vorstandsmitglied bei Gruner + Jahr, drehte Dokumentarfilme und schrieb Bücher.