Kultur

Ein "Interview" als Duell zweier Schnoddriger

Theo van Gogh: Ein niederländischer Filmregisseur, Autor, Schauspieler, Kolumnist und Satiriker, der 2004 von einem radikalen Islamisten ermordet wurde. Van Gogh, Urgroßneffe des Malers Vincent van Gogh, war ein Provokateur, der durch wüste Ausfälle gegen alles und jeden – auch gegen den Islam und das Judentum – auffiel, gleichzeitig aber als sensibler, feinsinniger Filmemacher und Familienvater galt.

„Das Interview“: Sein bekanntester Film. Er war in Holland 2003 ein Flop (obwohl die bekannte Seifenopern-Darstellerin Katja Schuurman darin sich selbst spielte). Van Gogh plante eine Fassung für die USA, mit Madonna in der Schuurman-Rolle. Nach van Goghs Tod drehte Steve Buscemi 2007 ein Remake des Films, mit sich selbst in der Rolle des Interviewers. Seither wird der Stoff häufig für das Theater adaptiert, bei uns etwa 2010 im Schauspielhaus mit Birgit Minichmayr und Sebastian Blomberg.

Studio-Produktion

Das war eine lange Einleitung, die uns da bis ins Theater in der Josefstadt geführt hat, wo „Das Interview“ jetzt in einer neuen Bühnenfassung, inszeniert von der jungen Regisseurin Christina Tscharysiki gezeigt wird. Diese Einleitung lässt uns nicht mehr übermäßig viel Platz für die Inszenierung.

Das ist aber kein Nachteil, denn: Es gibt darüber ganz einfach nicht wahnsinnig viel zu sagen.

Der Abend ist Auftakt zur Josefstadt-Reihe „Unter dem Eisernen“, in der Studio-Produktionen mit reduziertem Bühnenbild gezeigt werden.

Tscharysiki inszeniert die Geschichte unter Verzicht auf „Regieeinfälle“, Effekte und Interpretationen sehr gerade, sehr hart, sehr direkt, wie einen TV-Film. Das kann man schade finden, wenn man will – oder auch erfreulich: Hier wird ehrlich und schnell, ohne Wichtigtuerei, eine spannende Geschichte erzählt.

Der hervorragende Schauspieler Alexander Pschill gibt den kriegstraumatisierten Journalisten, der einem TV-Starlet dessen dunkle Geheimnisse abschwatzen soll, schnoddrig und cool. Alma Hasun ist ihm in diesem skrupellos geführten Duell eine kongeniale, scharfsinnige, sehr sexy auftretende Widersacherin. Ganz ohne Klischees geht es nicht ab, aber der freundliche Schlussapplaus ist durchaus verdient.

KURIER-Wertung:

Stück

Ein Journalist, vom Bosnien-Krieg traumatisiert, muss eine Schauspielerin interviewen. Zwischen ihnen entwickelt sich Anziehung und Aggression, bis beide ihre dunkelsten Geheimnisse offenbaren. Zumindest hat es den Anschein.

Hintergrund

Das Stück berührt ein holländisches Trauma: 1995 sahen niederländische UN-Soldaten tatenlos zu, als bei Srebrenica 8000 bosnische Männer zu ihrer Ermordung abgeführt wurden.

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