Die Ästhetik der Zwangsneurose
Von Michael Huber
Ordnung! Regelmäßigkeit! Strenge Buchführung! Wie viele Erziehungssysteme und Ideologien haben wohl von diesen Maximen Gebrauch gemacht? Auch in der Kunst ist strenge Organisation spätestens seit der Minimal Art der 1960er Jahre ein wichtiges Thema.
Aber Rigidität ist sehr oft auch ein Strohhalm, an den man sich in einer unsicheren Welt auf der Suchen nach Stabilität klammert. Manchmal mündet das Festhalten daran in einer Zwangsneurose, manchmal in totalitären Systemen. Bei Josef Dabernig wird daraus Kunst.
Die große Werkschau "Rock the Void" im mumok spannt einen großen Bogen und macht deutlich, wie der 1956 im Kärntner Kötschach-Mauthen geborene Künstler zwänglerische Ordnungssysteme auf virtuose Art und Weise gleichermaßen praktiziert und untergräbt.
Wartung des Darms
Verschachtelt
In anderen Räumen laufen Kurzfilme, und auch hier spielt Fußball mitunter eine große Rolle: In seinem Film "Wisla" (1996) inszenierte sich Dabernig selbst als Teamchef im Funktionärsanzug, der im titelgebenden Stadion in Krakau scheinbar ein Spiel verfolgt. Nur: Das Stadion ist leer, die Kamera schwenkt über alte stalinistische Architektur, der Jubel, der auf der Tonspur Action verheißt, stammt von der Übertragung eines Spiels aus Italien.
Auf den Ruinen
Die zerbröselten Ordnungssysteme im ehemaligen Ostblock und anderswo sind ein wiederkehrendes Motiv in Dabernigs Werk. Wobei gerade die eigene Vorliebe für Methodik und Ordnung den Künstler davor bewahrt, zu werten oder gar in Ruinenromantik zu verfallen.
Es gibt keine Idylle, aber auch keinen Totalitarismus in diesem Werk. Das ist trostlos und tröstlich zugleich.
INFO: Die Schau "Josef Dabernig – Rock the Void" ist bis 14. September im mumok im MuseumsQuartier Wien zu sehen.
www.mumok.at