Kultur

"Joker: Folie à Deux" in Venedig: Wahnsinn zu zweit mit Lady Gaga

Als Todd Phillips vor fünf Jahren mit „Joker“ an den Lido gereist kam, lieferte er eine Sensation. Kein Mensch hatte damit gerechnet, dass seine Sicht auf Batmans größten Gegenspieler Joker das Superheldengenre auf den Kopf stellen würde. Mit seinem Arthouse-Realismus, der an Martin Scorseses „Taxi Driver“ erinnerte, gewann "Joker“ den Goldenen Löwen und setzte seinen Siegeszug in Hollywood mit Oscarpreisen fort. 

Nun kehrte Todd Phillips mit der Fortsetzung "Joker: Folie à Deux" (Kinostart: 3. Oktober) wieder nach Venedig zurück – und alle warteten gespannt: Wird sie so explosiv weitergehen wie im ersten Teil? Kann Todd Philips seinen kontroversiell diskutierten Psychothriller über einen deklassierten Mann, der zur Waffe griff und die ganze Stadt in Aufruhr versetzte, weiter zuspitzen?

Das Gegenteil ist der Fall: „Wollt ihr Unterhaltung?“, fragt Joker seine randalierenden Anhänger: „Ich gebe sie euch nicht.“

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 Symbolbild für protestierende Massen

Im ersten Teil von „Joker“ verwandelt sich ein psychisch kranker Comedian namens Arthur Fleck nach einer Reihe von Demütigungen in den Killerclown Joker und tötet seine Peiniger. Seine Maske wird zum Symbolbild für protestierende Massen im Kampf gegen eine neoliberale Macht-Elite – und handelte dem Film „Joker“ den Vorwurf ein, er würde toxische Maskulinität verherrlichen.

In „Joker: Folie à Deux“ zieht Todd Phillips den Stecker. Er vertreibt den „Wahnsinn zu zweit“ von den nachtschwarzen Straßen New Yorks, schrumpft ihn auf eine düstere Mischung aus Gerichtssaaldrama und Depro-Musical zusammen und sperrt ihn in die Innenräume eines Gefängnisses. Die Außenweilt und Jokers  randalierende Anhänger fungieren lediglich als Kulisse einer wahnhaften Zweierbeziehung, die Joker im Gefängnis mit seinem größten Fan, Harleen Quinzel aka Harley Quinn erlebt. Während seine Anwältin versucht, ihn vor Gericht als psychisch Kranken mit gespaltener Persönlichkeit zu verteidigen, bestärkt Harley Quinn seine grausame Joker-Persönlichkeit.

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Die erblühende Liebesbeziehung  zwischen Joker und Harley Quinn inszeniert Todd Phillips als abseitiges Jukebox-Musical mit Hitsongs wie Sinatras „That’s Life!“, allerdings im Setting düsterer Außenseiterfantasien. Ein eindrucksvoller Joaquin Phoenix kehrt ausgemergelter denn je in seine Paraderolle als Joker zurück und erwacht an der Seite von Lady Gaga zu neuem Leben. Gemeinsam steigert sich das schräge Paar singend und (stepp)tanzend in einen dystopischen Liebestaumel und verwandelt Jokers Gerichtsprozess in eine Bühne von Gewaltfantasien. Doch diesmal lässt Todd Phillips keine Funken auf Jokers Publikum überspringen – weder auf die Fanmassen vor dem Gerichtssaal, noch auf die im Kinopublikum. Sein „Joker: Folie à Deux“ implodiert einsam, als freudloser Abgesang auf einen "Superhelden“, der keinen Nachfolger sucht.