Kultur

Ein Mann für gewisse Stunden

John Turturro hatte die Idee: Eine Tragikomödie über einen Mann für gewisse Stunden zu machen. Er schrieb ein Drehbuch und bekam viel Feedback – von seinem Freund Woody Allen.

Es ist also kein Zufall, dass Turturro ("Barton Fink") einen (fast) typischen Woody-Allen-Film drehte und sein großes Vorbild gleich in brisanter Nebenrolle besetzte: Als seinen Zuhälter.

Als Zuhälter nennt sich Allen "Mr. Bongo" und heuert seinen besten Freund – Turturro namens "Fioravante"– als Callboy an. Die erste Kundin: Eine Hautärztin und deren lesbische Freundin.

Die liebeshungrige Dermatologin ist niemand anders als Ex-Sex-Göttin Sharon Stone. Abgesehen davon, dass es schwer vorstellbar ist, Sharon Stone müsse einen Mann dafür bezahlen, mit ihr und ihrer traumhaft schönen Freundin Sex zu haben: Sie, gemeinsam mit ein paar anderen Stars wie Vanessa Paradis und Liev Schreiber (mit Schläfenlocken), dem schönen Nostalgie-Look der Bilder und dem Jazz-Score auf dem Soundtrack, vertiefen noch das Woody-Allen-Film-Gefühl. Zwar befinden wir uns nicht in Manhattan, sondern in Brooklyn. Aber alle Beteiligten sind schwer neurotisch.

Turturro als Loverboy macht meist ein eingeschränktes Gesicht, das zwischen alarmiert und belämmert changiert. Doch er verwöhnt die Damen mit überraschendem Geschick. Bald wäre er gut im Geschäft, käme ihm nicht die Liebe dazwischen. Ausgerechnet der Pop-Star Vanessa Paradis spielt die Witwe eines Rabbi. Und ausgerechnet in sie verliebt sich Fioaravante.

Hätte sich Turturro für eine räudige Sex-Farce entschieden, hätten wir beträchtlich mehr Spaß gehabt. So aber durchlöchert eine angestrengte Liebesgeschichte die witzig gestrickte Komödie mit ihrer Moral. Und Woody Allen ist, wie er in letzter Zeit immer ist: Manchmal sehr lustig, oft aber auch sehr nervig.

INFO: "Plötzlich Gigolo". Tragikomödie. USA 2013. 90 Min. Von und mit John Turturro. Mit Woody Allen, Sharon Stone.

KURIER-Wertung:

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Hollywood zieht es wieder einmal in den Weltraum. Nachdem über "Gravity" von Alfonso Cuarón dieses Jahr ein wahrer Oscar-Regen niedergegangen ist, kommt nun, am 7. Oktober, Christopher Nolans Science-Fiction-Epos "Interstellar" in die Kinos. Ging es in "Gravity" um das Überleben einer Shuttle-Besatzung, steht bei Nolan die Zukunft der gesamten Menschheit auf dem Spiel.

Die Erde ist kein angenehmer Ort mehr. Sandstürme suchen sie heim, die Lebensmittelsituation verfinstert sich. Auch Cooper (Matthew McConaughey) muss umsatteln. Statt der Expertise als Weltraumpilot sind Fähigkeiten als Farmer gefragt. Eher zufällig stößt der wissbegierige Witwer und Vater zweier Kinder inmitten von Maisfeldern auf eine geheime Weltraumbasis, die nach neuem Lebensraum im All forscht.

Es ist der alte Traum der Menschheit: In Räume vorzudringen, die kein Mensch zuvor gesehen hat. Cooper soll nun genau das tun. Durch ein nahe Saturn entdecktes Wurmloch pilotiert er ein kleines Team inklusive Bordroboter zu sonst unerreichbaren Planeten. Der Preis ist der Abschied von den Kindern, und die Ungewissheit, ob für Jahre oder für immer.

Durch die Raumkrümmung altert er langsamer. Als Murph (Jessica Chastain) einmal eine Nachricht absetzt, ist sie bereits beinahe genauso alt wie ihr Vater.

Bilder aus Nolans Weltraum-Epos

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Lügengebäude

Schicksalsgenossin im All ist Amelia Brand (Anne Hathaway). Ihr Vater (Michael Caine) hat die waghalsige Mission begründet. Bevor "Interstellar" Gefahr läuft, zur wissenschaftlichen Abhandlung zu geraten, stürzen plötzlich Lügengebäude ein, was der Handlung ungeahnte Dramatik verleiht. Nolan, Meister der Wendungen, hat sein Gespür für subtile Spannung nicht verlassen. Beinahe drei Stunden nimmt er sich Zeit, um ein Jahrzehnte umspannendes Abenteuer glaubhaft entwickeln zu können. Es hat sich gelohnt.

Wieder griff Nolan auf bewährte Mitstreiter zurück. So ist Caine bereits seit "The Dark Knight" an Bord, Hans Zimmer lieferte erneut den Soundtrack, von Sphärenklängen bis lautstarker (Orgel-)Dramatik – kontrastiert mit, wie im Weltall üblich, absoluter Stille. Erstmals hingegen führte der Niederländer Hoyte van Hoytema ("Her") die Kamera. Die Reise zu Wasser- und Eisplaneten wirkt hyperrealistisch, während im letzten Drittel traumartige, visionäre Bilder dominieren. Die Zeitreisethematik wird visuell grandios umgesetzt.

Diese Qualitäten kannte man aus Nolans Filmen bereits. Dass der Schöpfer kühler Geniestreiche wie "Inception" nun noch dazu Mut zur Melodramatik beweist, ist neu. Er kommt seinen Figuren sehr nahe, lässt sie ausgiebig weinen – und Abschied nehmen.

KURIER-Wertung:

INFO: "Interstellar". Sci-Fi-Drama. US/GB 2014. 169 Min. Von: Christopher Nolan. Mit: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Wes Bentley, Michael Caine, Casey Affleck, Mackenzie Foy

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Wer sich den gemeinsamen Liebestod romantisch vorstellt, liegt bei Jessica Hausner falsch. "Amour Fou" ist – entgegen seinem Titel – weder schwärmerische Herzensangelegenheit, noch verborgenes Liebesgestammel und schon gar nicht leidenschaftliche Umarmung. Vielmehr handelt es sich um Verblendung seitens der Frau, Lebensüberdruss seitens des Mannes.

Jessica Hausners erster, sorgfältig ausgestatteter Kostümfilm, hatte heuer in Cannes Premiere und handelt vom gemeinsamen Freitod Heinrich von Kleists 1811 mit der verheirateten Ehefrau und Mutter Henriette Vogel.

Der große deutsche Dichter, über den Goethe einst befand, er sei von einer unheilbaren Krankheit ergriffen, ist bei Hausner ein narzisstischer Grübler, der verzweifelt eine Sterbensgenossin sucht. Zuerst fragt er seine Cousine, doch diese lehnt empört ab. Henriette ist nur Heinrichs nächstbeste Wahl.

Das strenge Gefüge einer starren Gesellschaft erzählt Hausner in klaren, aufgeräumten, beinahe unbeweglichen Bildern. Die unruhigen Muster auf Tapeten und Teppichen verraten dabei mehr Temperament als Gesichter, (unterdrückte) Gefühle manifestieren sich in der Farbwahl der Kleider.

Hausner fördert in ihrem implodierenden, exquisiten Melodram dort sublime Komik zutage, wo sich die Romantik entzaubert. Ob sie mit dem Dichter leben möchte, will Henriettes Ehemann einmal wissen. "Nein", antwortet diese empört: "Er denkt nur an sich." Und an den Tod.

INFO: "Amour Fou". Tragikomödie. Ö/L/D 2014. 96 Min. Von Jessica Hausner. Mit Christian Friedel.

KURIER-Wertung:

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"Ich heiße Simon Dallinger. Ich werde bald 23. Und ich lebe in einem Irrenhaus.“ Das sagt sich schnell dahin, doch lebt sich umso schwieriger. Zumal es sich nicht um den üblichen Familienwahnsinn handelt, den Kinder mit ihren Eltern typischerweise erleben, sondern um eine massive Geisteskrankheit. Es ist der charismatische Vater, der an Schizophrenie leidet und die ganze Familie in Angst versetzt.

Tobias Moretti spielt den Mann am Rande des Wahnsinns mit gefährlichem Glitzern in den Augen. Wenn er durchs Haus tigert, weiß man nie, ob er nicht im nächsten Moment mit der Spitzhacke ums Eck biegt. Doch Christian Bach interessiert sich in seinem schnörkellosen Debütfilm nicht allzu sehr für die Krankheit. Stattdessen erzählt er ein schönes, letztlich aber recht konventionelles Coming-of-Age-Drama aus der Sicht des Sohnes. Hirngespinster.

KURIER-Wertung:

INFO: "Hirngespinster". D 2014. Drama 93 Min. Von Christian Bach. Mit Jonas Nay, Tobias Moretti, Stephanie Japp.

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Wer sagt, dass romantische Komödien nur von jungen Leuten handeln müssen? Wo es doch ausreichend Menschen über 60 gibt, die ebenfalls ihr Geld an den Kinokassen lassen können?

Also her mit einer bis zur Verkitschung aufgezuckerten, kalkulierten Komödie mit älteren Stars wie Michael Douglas und Diane Keaton.

Michael Douglas darf – wie schon vor ihm Jack Nicholson in "Besser geht’s nicht" – einen schlecht gelaunten Pensionisten spielen, der mit seiner ruppigen Art die Umgebung beleidigt. Als sein Sohn plötzlich die zehnjährige Tochter bei ihm abliefert und ihn zum Großvater wider Willen macht, freundet er sich – ebenfalls wider Willen – mit der Nachbarin Diane Keaton an. Harmlose, um nicht zu sagen einfältige Komödie von Rob Reiner. Das grenzt an Liebe.

INFO: "Das grenzt an Liebe". Komödie. USA 2014. 94 Min. Von Rob Reiner. Mit Michael Douglas, Diane Keaton.

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Der junge Siyar

Drama Ein junger Kurde aus dem Irak plant, seine Schwester zu töten, weil sie die Familienehre verletzt hat. Doch die Suche nach ihr führt ihn durch viele Länder und beginnt ihn zu verändern.

Was bin ich wert?

Doku Der deutsche Filmemacher Peter Scharf möchte heraus finden, was ein Mensch wert ist. Dazu reist er durch sechs Länder und führt mit den unterschiedlichsten Menschen Gespräche – mit Versicherungsangestellten, Wissenschaftlern, Organhändlern oder auch Friseuren. Er beleuchtet dabei Einzelschicksale und erstellt – oft auch sehr schmerzhafte – Kalkulationsmodelle.

Zombiber

Horror Im Genre des Tierhorror gibt es jetzt auch die Kreuzung zwischen Zombie und Biber. Das eigentlich putzige Pelztier bekommt als "Zombiber" riesige Zähne und beißt damit ziemlich unbarmherzig zu. Trashige Horror-Komödie.

Quatsch – und die Nasenbärbande

Kinderfilm Eine Bande von Kindern wehrt sich gemeinsam mit ihrem Nasenbären Quatsch gegen böse Kleinstadtbewohner in ihrer Heimat Bollersdorf. Kinder-Abenteuer