Jazzmusiker Ulrich Drechsler: Kein Tag ohne Bach
„Eine wirklich eine schwere Geburt“, sagt Ulrich Drechsler, sei sein heute erschienenes Album „Azure“ gewesen.
„Es hat drei Anläufe gebraucht“ erzählt der Saxofonist und Klarinettist, der in den 2000er-Jahren mit seiner Band Café Drechsler berühmt geworden war, im Interview mit dem KURIER. „Das Album war nämlich ganz anders konzipiert. Es waren Sängerinnen vorgesehen und teilweise auf dem Computer Programmiertes. Es sollte ein anspruchsvolles Trip-Hop/Pop-Album werden, weil ich ein Fan von Massive Attack, Moloko und Archive bin. Es sollte so klingen wie die EP, die wir 2020 digital mit Loretta Who veröffentlicht haben. Es gab dann zwei Anläufe, aber sowohl wegen unterschiedlicher musikalischer Vorstellungen, als auch wegen Fehlern meinerseits vom Zeitmanagement her, ist nichts daraus geworden.“
Stattdessen fusioniert Drechsler, der sich auch lange mit Sufi-Musik beschäftigt hat, auf „Azure“ jetzt Jazz mit orientalischem Flair. „Es war traurig, den ursprünglichen Plan aufgeben zu müssen“ erzählt er weiter. „Ich habe mir, nachdem sich das ursprüngliche Konzept aufgelöst hatte, viele andere Sängerinnen angehört. Aber ich hatte diese bestimmte Klangvorstellung im Kopf, und dachte bei jeder anderen Sängerin, nein, das ist es nicht. Also habe ich mich auf das besonnen, was ich am besten kann: Ein gutes Clubmusikprojekt, das mit Instrumenten gespielt wird, wo ich mich mit einer Live-Band auf die Bühne stellen und loslegen kann. Wir haben das auch im Studio live eingespielt. Ich habe nur ein paar Klarinetten-Parts später mit Overdubs darüber gespielt“
„Azure“ ist der letzte Teil einer Trilogie von Alben, die Drechsler auf seiner Plattform „Liminal Zone“ seit 2020 veröffentlicht hat. „Das ist wie meine Spielwiese, auf der ich mich mit all den unterschiedlichen Genres, die mich geprägt haben, austoben und sie so zusammenmixen kann, wie ich gerade will. Mich interessiert Jazz, aber da eher minimalistischer, kammermusikalischer Jazz. Aber auch elektronische Musik - ich bin ein Fan von gutem Techno -und Zeitgenössisches wie Arvo Pärt. Und ich höre ganz, ganz viel Klassik. Bei mir gibt es keinen Tag ohne Bach. Ich höre mindestens eine halbe Stunde am Tag Bach, oft auch eine Stunde lang. Und Liminal Zone ist die Marke, die wie ein Regenschirm darüber steht. Da wissen das Publikum und die Veranstalter, dass sie in diesem Rahmen das Unerwartete erwarten dürfen.“
So war das erste Album der Trilogie, „Caramel“ ein Hybrid aus Jazz, Filmmusik und Weltmusik. „Chrome“, das zweite, war von klassischen Einflüssen geprägt. Was die beiden mit „Azure“ verbindet, ist, dass alle drei komplett durchkomponiert sind. „Es gibt kilometerlange Orchesterpartituren dafür. Das ist ein ganz anderer Ansatz als bei Café Drechsler, wo die Musik auf Improvisation basierte, sozusagen eine improvisierte Adaption vom Wiener Downbeat-Sound war.“
Heute Abend stellt Drechsler „Azure“ mit einem Auftritt im Wiener „Porgy & Bess“ vor. Die „Lavalampe“, die er für die optische Umsetzung des Albums kreiert hat, ist da noch nicht dabei. „Das ist ein visuelles Interface, also ein Computerprogramm, das in Echtzeit mit der Musik, die auf der Bühne gemacht wird interagiert und sie in Farben und Formen auflöst und visualisiert. Leider ist im Porgy die Leinwand hinter der Bühne dafür nicht groß genug. Aber es gibt im Herbst sicher Shows, wo man uns hören und die Lavalampe sehen kann.“