Kultur

Jauch soll ARD zum FC Bayern machen

Das ARD-Gemeinschaftsprogramm, das sich "Das Erste" nennt, will auch beim Publikumsinteresse wieder "Das Erste" werden. Programmdirektor Volker Herres hofft, im kommenden Jahr die Marktführerschaft vom Privatsender RTL zurückzuerobern. Doch der Weg an die Spitze ist oft lang und schwierig. Bausteine in dem Prozess sind die fünf Talkshows, die Herres seinem Gemeinschaftsprogramm von Sonntag bis Donnerstag verpasst hat. Und der wichtigste Protagonist in diesem Zusammenhang heißt Günther Jauch.

Er soll den erhofften Anschub bringen, um die ARD nach vorne zu treiben, um sie wieder zum FC Bayern München in der Fernsehliga zu machen. Die Voraussetzungen für Jauch sind auf den ersten Blick gut. Denn einen besseren Ausstrahlungstermin als den Sonntagabend - der zuvor Anne Will gehörte - kann sich der Journalist, Moderator und Produzent nicht wünschen. Vom "Königsplatz" redet Herres, auch Jauch spricht vom besten Platz im deutschen Fernsehen.

Jauch braucht Zeit

Er dämpft aber vor dem Start die möglichen "übernatürlichen Erwartungshaltungen", wie Kollege Frank Plasberg es formuliert hatte. Er brauche 10, 20 oder 30 Ausgaben Zeit, um am Konzept zu feilen, erklärte der 55-Jährige bei der Präsentation seiner Gesprächssendung im Berliner Gasometer am Montag dieser Woche. Es werde eine "Evolution, aber keine Revolution" geben. Trotzdem: Ausreden gebe es nicht, sagte er.

So klingt auch die Ankündigung der ersten Sendung ein bisschen nach Warmlaufen: Am zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September sind eben jene Attentate und deren Folgen Gesprächsthema; geladen ist keine aktuelle Politprominenz, sondern Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), Betroffene, Kenner und bekannte TV-Diskutanten sowie - und das ist wohl die größte Überraschung - US-Fußball-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann. Einen heftigen Schlagabtausch, gewagte politische Thesen oder harte News sind da kaum zu erwarten, eher eine gesittete Gesprächsrunde.

Bei allem Jubel über die Rückkehr vom Bayerischen-Rundfunk-Gewächs Jauch zur ARD könnte ein solches Projekt auch enttäuschend enden. Denn eine Übersättigung des Publikums mit Gesprächsrunden ist nicht auszuschließen. Jauchs vier ARD-Mitstreiter im Talk-Reigen mussten bei ihren Premieren nach der Sommerpause zum Teil ernüchternde Zahlen schlucken. "Menschen bei Maischberger" sahen am 30. August 1,18 Millionen Zuschauer, " Anne Will" am 31. August 1,22 Millionen, "Beckmann" am 1. September 1,49 Millionen (alle jeweils 22.45 Uhr) und "Hart aber fair" mit Plasberg zu früherer Sendezeit (21.00 Uhr) am 5. September 2,89 Millionen.

Müdigkeit

Hat das Publikum schon die Müdigkeit erfasst, bevor der neue Star der ARD so richtig loslegt? Hat die ARD die Talkkonkurrenz im ZDF mit Markus Lanz und Maybrit Illner und in den dritten Programmen mit Sendungen wie "WDR Treff", "Drei nach neun", "NDR Talk Show" oder "Riverboat" unterschätzt? Oder waren die Fernsehkonsumenten noch nicht so recht auf das Ende der Sommerpause gepolt? Offene Fragen, die erst der Herbst in seinem Verlauf beantworten wird.

Jauch selbst wird sich auch an sich selbst messen müssen: Seine Nachsommer-Premiere mit dem RTL-Klassiker "Wer wird Millionär?", den er weiter moderiert, sahen am Montagabend immerhin 6,22 Millionen Zuschauer. Die Anschlusssendung, die erste Ausgabe der Reihe "Undercover Boss", lag um 21.15 Uhr dann immer noch bei mehr als fünf Millionen Zuschauern. In diesen Fällen - so zeigen die Quoten - bemerkte das Publikum sehr wohl das Ende der Sommerpause.

Dennoch: Kurzfristige Gesichtspunkte und Quotendiskussionen spielen bei der ARD und Jauch wohl kaum eine Rolle. Der Hoffnungsträger mit Wohnsitz Potsdam hat sich jedenfalls mit dem gebührenfinanzierten Sendersystem auf eine Dauer von drei Jahren geeinigt. Auch für Jauch ist die Sendung ein Wagnis. Denn nicht nur vor der Kamera will der ehrgeizige TV-Mann, der auch im fortgeschritteneren Alter wie ein großer Junge wirkt, reüssieren. Auch hinter den Kulissen muss es mit der Sendung, die er selbst produziert, klappen.

Ambiente

Das Talk-Ambiente wirkt vertraut: In Jauchs Runde stehen fünf Sessel - sie sind hellbraun und mit einer Nackenrolle ausgestattet. Ein paar Schritte rechts davon befinden sich drei rote Sessel, auf denen bis zu zwei zusätzliche Gesprächsteilnehmer, die erst einmal alleine zu Wort kommen sollen, mit dem Moderator Platz nehmen dürfen.

Vielleicht bringt Jauch mit einer starken Vorstellung am Sonntag auch seine ARD-Kollegen zu Wochenbeginn in Schwung. Doch sollte das Experiment Talk nicht klappen, wird das Thema Vorabend - als zweites Feld der ARD-Programmoffensive - im Herbst und Winter zur echten Nagelprobe. Denn da sollen ein Haufen neuer Krimiserien und Thomas Gottschalks tägliches Magazin dem "Ersten" ebenfalls neuen Glanz bringen.