Kultur

„Jacobowsky und der Oberst“: Mit Güte und Gottes Hilfe

Schon wieder ein grafitschwarzes Bühnenbild im Theater in der Josefstadt – und schon wieder das Thema „Juden auf der Flucht vor den Nazis“. Aber, und das kann man der Inszenierung von Franz Werfels letztem Stück „Jacobowsky und der Oberst“ nicht hoch genug anrechnen: Die Limousine, mit dem sich die beiden Titelhelden 1940 von Paris bis zur Atlantikküste durchschlagen, ist nie im Bild. Auf fröhlicher Ausfahrt im niedlichen Fahrgeschäft-Auto, bei dem sich das Lenkrad durchdreht: Diesen Kitsch überlässt Ausstatterin Karin Fritz dem Sommertheater von Reichenau.

Sie baut lieber wirkmächtige Szenarien aus wenigen Elementen, ergänzt sie um jeweils ein sehr markantes Objekt – und demonstriert, wie man einen Strommasten imposant umknickt. Die Neonbuchstaben „HOTEL“ leuchten verloren in der Nacht, der Billardtisch determiniert das Café der Gestrandeten, zudem viel Nebel im Morgengrauen: Unweigerlich denkt man (gerade beim rührenden Schluss) an „Casablanca“.

Der Herr Direktor hat natürlich sich selbst mit der Rolle des Feschaks besetzt. Der polnische Oberst Tadeusz Boleslav Stjerbinsky ist ein Frauenheld und James-Bond-Vorläufer, der den Cognac nie aus dem Papierbecher trinken würde. Zunächst ähnelt die Figur dem seriösen Kapitän, den Föttinger in der Flucht-Geschichte „Reise der Verlorenen“ gibt. Doch mit der Zeit wird der Charmeur zur wehleidigen, eifersüchtigen, hasserfüllten Karikatur. In der klaren, unaufgeregten Inszenierung von Janusz Kica macht Föttinger alles mit.

Überidealisierte Figur

Der Held des zweidreiviertel Stunden langen, aber kurzweiligen Abends ist Johannes Silberschneider als jüdischer Kaufmann Jacobowsky, dessen Odyssee von Berlin über Wien und Prag geführt hat. Er macht die von Werfel überidealisierte Figur mit ihren ausschließlich positiven Eigenschaften wie Demut, Geist und Bildung ungemein menschlich. Akkurat gekleidet im Dreiteiler und schweren Mantel serviert er jede Pointe, jedes Bonmot, jeden Aphorismus mit großer Gelassenheit. Und er verzichtet – äußerst wohltuend – auf jede Form des Herumjüdelns. Das dümmliche Sprechen mit Akzent überlässt er lieber Föttingers aufbrausendem Oberst und dessen Burschen (Matthias Franz Stein).

Jacobowsky, grenzenloser Optimist, weiß in allen Gefahrensituationen eine geniale Lösung. Und Werfel, der eigene Fluchterlebnisse verarbeitete, steht ihm mit göttlicher Hilfe zur Seite. Da werden superböse, sächselnde Nazischweine (Wojo van Brouvwer) ausgetrickst – und Jacobowsky betört zwischendurch Marianne, des Obersts Braut, mit Blumen und Güte.

Pauline Knof macht die Entwicklung von der naiven Landpomeranze zur Résistance-Kämpferin durchaus glaubhaft. Was aber am meisten erstaunt: Dass in der Josefstadt mit dem Humanpotenzial geradezu geurasst wird. Denn jede noch so kleine Rolle wurde besetzt. Und so darf man sich an Miniaturen unter anderem von Ulli Maier, Alexander Absenger, Johannes Seilern und Siegfried Walther erfreuen.