Kultur

"Direkt aus der Therapie"

Am 22. Jänner hat das neue Stück von Erfolgsautor Daniel Glattauer ("Gut gegen Nordwind") in den Wiener Kammerspielen Uraufführung. "Die Wunderübung" erzählt von einem zerstrittenen Ehepaar, welches in einer Therapiesitzung den verbalen Kleinkrieg zur virtuos ausgeübten Kunstform erhebt. Doch der Therapeut hat einige Tricks auf Lager, und so nimmt das Geschehen eine unerwartete Wendung.

Der Autor hat vor dem Schreiben eine Ausbildung zum Paartherapeuten absolviert, das tragisch-komische Stück ist daher ganz nah an der Realität gebaut. Regie führt Michael Kreihsl, und er suchte sich Darsteller aus, die man vor allem aus dem Fernsehen kennt: Bernhard Schir und Aglaia Szyszkowitz spielen das Ehepaar, Jürgen Tarrach den Therapeuten. Kreihsl bestand auf einer ungewöhnlich langen Probezeit – bereits im November wurde gearbeitet.

Das Interview verlief turbulent. Denn die Darsteller, von einer Probe kommend, spielten ihre Rollen einfach weiter – unterbrochen von mehreren Lachkrämpfen. Der KURIER-Autor musste nur irgendwann das Aufnahmegerät einschalten.

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Bernhard Schir:Sie merken schon, Sie müssen gar keine Fragen mehr stellen. Es geht alles von selber ...

KURIER: Ich warne Sie, ab jetzt wird alles aufgezeichnet!

Aglaia Szyszkowitz: Alles kein Problem, wir kommen direkt aus der Therapie.

Sie proben schon seit November – das ist ungewöhnlich.

Jürgen Tarrach: Wie man uns vielleicht anmerkt – wir kommen ja gerade von der Probe – geht es um das Geflecht dieser drei Personen auf einer Paartherapie. Es geht um die psychologischen Verbindungen, die muss man genau herausarbeiten, damit der Text nicht einfach nur ein nettes Boulevardstück ist.

Bernhard Schir: Ich war ehrlich gesagt ein wenig überrascht über die Länge der Probenzeit. Ich habe am Anfang ganz arrogant gesagt: Das ist ja kein Shakespeare.

Szyszkowitz: Tja, und mittlerweile merkst du, dass es durchaus ...

Schir: (ganz in der Rolle) Eine unfassbare Frechheit ... Der Text hat es in sich, wenn man den nicht ganz präzise im Blut hat, haut es einen aus der Kurve.

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Szyszkowitz:Ich kenne Regisseur Michael Kreihsl schon sehr lange und habe mit ihm schon "Gut gegen Nordwind" gemacht. Ich weiß daher, dass das schon seinen Sinn hat – obwohl ich auch eine Woche abziehen würde.

Autor Daniel Glattauer forderte Komik von den Darstellern ein. Dabei ist der Text mindestens so tragisch wie komisch.

Schir: Es ist ja die Frage, was man unter Komik versteht. Hau-drauf-Tralala – das ist es nicht. Wir suchen eher die Komik im Sinne von Woody Allen, die Komik aus der Not geboren ...

Szyszkowitz: ... aus der Verzweiflung ...

Schir: Nicht wir sind lustig, sondern die unten finden uns lustig. Wir hoffen aber schon sehr, dass die Leute lachen!

Szyszkowitz: Ich finde ja, dass der Text viel Komik in sich hat – die muss man ernst nehmen, dann funktioniert es. Wir haben es ja alle drei nicht leicht – ich schleppe einen Mann, mit dem ich kaum noch reden kann ohne zu streiten, zur Paartherapie, und der Therapeut hat es nun wahrlich auch nicht leicht mit diesem nervigen, sich verbal ständig abwatschenden Ehepaar.

Schir: Die Komik stellt sich ja ein über den Wiedererkennungseffekt. Selbst funktionierende Paare ...

Szyszkowitz: ... noch funktionierende Paare!

Schir: ... die noch lange nicht an Therapie oder Trennung denken ...

Szyszkowitz: ... nach dem Stück schon!

Schir: ... werden das eine oder andere wiedererkennen.

Szyszkowitz: Es ist so wohltuend an Daniel Glattauer, dass er Frauendialoge schreiben kann. Ich mache ja mehr Film als Theater, und da kämpfe ich oft damit, dass mir männliche Autoren Texte schreiben, die ich ins Weibliche übersetzen muss. Glattauer hat eine Hand dafür – er hat offenbar vielen Frauen genau zugehört.

Er bekommt aber auch immer wieder den Vorwurf, er sei ein "Frauenversteher".

Szyszkowitz: Aber für eine Frau, die diese Sätze sprechen darf, ist das herrlich (wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht)

Schir: (ahmt die Geste nach) Was war das jetzt? Ich rauche noch gar nicht!

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Tarrach:(im Ton des Therapeuten) Ist das nicht herrlich? Das hat sich alles längst verselbstständigt!

Szyszkowitz: Typisch Glattauer – Sachen nerven uns, obwohl sie noch gar nicht stattgefunden haben.

Schir: Es gehen ja auch immer mehr Paare in Therapie, und viele trennen sich dann trotzdem.

Warum trennt sich das Paar im Stück nicht – die beiden sind völlig zerstritten?

Schir: Es braucht viel Mut, sich einzugestehen, dass es vorbei ist.

Tarrach: Ich finde ja eher, dass man heute zu schnell aufgibt.

Szyszkowitz: Es geht ja auch um einen Reifungsprozess im Leben. Es ist nicht einfach, die Hoch- und Tiefphasen des Lebens als Familie gesund zu überstehen. Aber ich erlebe es immer als sehr traurig, wenn Paare sich trennen – zumal, wenn Kinder da sind, die mit im sinkenden Boot sitzen.

Schir: Wenn man sich sehr jung kennenlernt, ist man ja aufeinander focussiert. Und dann kommen Kinder – und auf einmal ist der Stecker raus aus dem Leben, wie man es bisher geführt hat. Da zeigt sich dann ganz radikal ...

Tarrach: ... ob man zusammengehört oder nicht.

Wie viel eigene Erfahrungen bringen Sie in die Rollen mit?

Tarrach: Ich habe mich ja eingelesen, wie so eine Beratung funktioniert. Und ich habe dann gemerkt, ich kann für mich privat einiges mitnehmen. Auch einmal den Partner zu fragen: Was fehlt dir denn? Und da bekam ich zu hören: Du kannst mir öfters mal Blumen mitbringen. Ich meine, wir haben einen Riesengarten, der ist voll mit Blumen ... (Szyszkowitz und Schir bekommen einen Lachkrampf) Aber es geht um eine kleine Geste!

Szyszkowitz: Ich habe meinem Mann unlängst geschrieben: Ich glaube, über Bernhards Reaktionen kann ich deine Reaktionen besser verstehen. Daraufhin hat er geschrieben, wie viele Kisten Bier er dem Bernhard schicken soll (alle bekommen einen Lachkrampf).

Warum boomt die Beratungsbranche so?

Schir: Amerikanischer Quatsch...

Tarrach: Ich glaube, dass viele verlernt haben, auf ihre Intuition zu horchen.

Szyszkowitz: Meiner Beobachtung nach funktionieren immer noch jene Beziehungen am besten, bei denen die Frau zurücksteckt. Ich komme ja aus einer Psycho-Familie... (alle lachen) ... aus einer Familie von Psychotherapeuten. Selbst da war es lange nicht selbstverständlich, dass sich Männer und Frauen die Hausarbeit teilen.

Schir: Das ist mir ein bisschen zu einfach. Ich glaube, wir sind die Generation, die die Beziehungsform neu erfinden muss. Das hat mit einer gelebten Gleichberechtigung zu tun. Dafür haben wir wenige bis keine Vorbilder. Also holen sich Paare Hilfe und Beratung von außen. In meinem Umfeld kümmern sich Männer selbstverständlich um ihre Kinder, bringen sie zur Kita, wechseln Windeln, kochen. Dabei aufs Mannsein nicht zu vergessen, ist die Kunst dabei, aber das geht!

Szyszkowitz: Bei euch in Berlin, Prenzlauer Berg vielleicht. Aber nicht in meinem Umfeld in einem Vorort bei München. Da sitzt du auf dem Spielplatz allein unter Müttern. Aber ich möchte eines betonen: Es gibt viele schlechte, aber es gibt auch viele gute ...

Schir: Männer?

Szyszkowitz: Therapeuten! Männer gibt es auch viele gute. Sogar in Bayern! Aber die richtige Therapie, die man für sich finden muss, bietet eine riesige Chance, mit sich weiterzukommen. Und dann ist es letztlich fast wurscht, mit wem du zusammen bist (lacht) – oder?

"Die Wunderübung" von Daniel Glattauer - Premiere 22. Jänner. // Regie: Michael Kreihsl // Bühnenbild: Conrad Reinhardt