Margarethe von Trotta: "Ich habe mich immer als Europäerin gefühlt"
Von Alexandra Seibel
Die deutsche Star-Regisseurin Margarethe von Trotta, die gerade das Leben der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann verfilmt, erhält bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk.
KURIER: Gratulation zum Lifetime Achievement Award der europäischen Film Academy! Sie haben bereits unzählige Preise erhalten. Inwiefern ist der europäische Filmpreis für Sie etwas Besonderes?
Margarethe von Trotta: Er ist insofern etwas Besonderes, weil ich mich schon immer als Europäerin gefühlt habe. Ich habe nicht nur in Deutschland gearbeitet, sondern auch in Italien Filme gemacht und mich dort ebenso zu Hause fühle wie in Paris, wo ich seit über 20 Jahren lebe … Sie sehen, es gibt vielerlei Gründe, warum mir gerade dieser Preis sehr viel bedeutet.
Wie wichtig ist es Ihnen, als Filmemacherin ein „europäisches Bewusstsein“ zu haben bzw. es zu stärken, vor allem vis à vis der US-Filmindustrie (und der Streamer)?
In den 80er Jahren habe ich mehrmals Angebote aus den USA bekommen, um dort einen Film zu machen. Ich habe immer abgelehnt, weil ich meine eigenen Drehbücher und Geschichten erzählen wollte und mir nicht vorstellen konnte, mich dort wohl fühlen zu können. Obwohl ich New York sehr mag, und in einigen meiner Filme New York ein Schauplatz ist, sind es dennoch eben deutsche Geschichten.
Die europäischen Filmkulturen sind natürlich sehr divers. Gibt es trotzdem etwas Verbindendes? Worin sehen Sie die Besonderheit bzw. die Stärke des europäischen Arthouse-Films?
Die Besonderheit ist, dass alle Filme die Sprache ihres Landes sprechen und die Eigenart der jeweiligen Kultur und des jeweiligen Lebens behandeln, und trotzdem gehören sie zu diesem Kontinent mit seiner ganz eigenen Historie.
Die Filmindustrie kämpft aufgrund verschiedener Krisen (Pandemie, Energiekrise, etc.) mit Publikumsschwund. Wo sehen Sie die Zukunft des europäischen Arthousefilms?
Ja, das ist zum Teil wirklich erschreckend, obwohl ich von diesem Schwund in Paris nicht so viel bemerke wie in Deutschland. Allerdings waren die Franzosen immer schon „cinéphiles“. Ich hoffe auf die jungen Zuschauer, die vielleicht doch noch erkennen werden, dass im Kino im Dunkeln zu sitzen und einen Film wie einen Traum erleben zu können, ein größeres Abenteuer ist als ihn auf dem Tablet oder sogar auf dem Handy anzusehen.