Per App seinen eigenen Film "drehen"
Von Peter Temel
In der Schweiz hat das direkte Mitentscheiden eine große Tradition. Man denke nur an die regelmäßig stattfinden Volksentscheide der Eidgenossen. Ein Schweizer Start-Up will nun auch das Filmvergnügen demokratisch gestalten. CtrlMovie wurde 2014 gegründet und hat sich eine Technologie zur Produktion von interaktiven Filmen für mobile Geräte, Kinoevents und fürs Fernsehen patentieren lassen. Am 10. März kommt nun mit "Late Shift" die erste interaktive Eigenproduktion in Spielfilmlänge als App auf den Markt.
180 Entscheidungen
Die App für Smartphones und Tablets bietet insgesamt mehr als vier Stunden Filmmaterial mit internationalen Schauspielern. 180 verschiedene Entscheidungen kann der Zuschauer, oder besser gesagt: User, treffen. Denn "Late Shift" ist als Hybrid zwischen Film und Videospiel konzipiert.
Sieben alternative Enden bietet die schweizerisch-britische Filmproduktion. Je nach Entscheidungsbaum dauert ein Film zwischen 60 und 90 Minuten. Gedreht wurde ausschließlich an Originalschauplätzen in London. Regie führte Tobias Weber, das Drehbuch schrieben Weber und Michael R. Johnson, Autor von Guy Ritchies "Sherlock Holmes"-Verfilmung.
Mehrheitswahlrecht im Kino
Ab 17. März wird der interaktive Film auch in ausgewählten Kinos in der Schweiz und Großbritannien zu sehen sein. Die Kino-Version funktioniert über einen speziellen Abstimmungsmodus. Hierfür werden die App-Entscheidungen der jeweiligen Besucher ausgewertet. Wenn man nicht der Mehrheit angehört, kann man also die Story nicht nach eigenem Gusto weiterverfolgen. Wenn man weitere alternative Storyverläufe erkunden will, muss man den App Store seines Vertrauens aufsuchen.
Genre als Zwischending
Interaktive Filme waren in den frühen Achtziger Jahren eine Neuheit, die mit der Einführung der Laserdisc-Technik umgesetzt werden konnte. Durchgesetzt hat sich das Genre nie wirklich. Hauptproblem ist, dass es immer nur als Zwischending aus Film und Videospiel begriffen wurde. Von einem Film will man perfekt unterhalten werden. Man genießt im besten Fall den Spannungsbogen, der von den Machern angeboten wird. Ein Videospiel bietet wiederum durchgehend Eingriffsmöglichkeiten, der Verlauf hängt fast vollständig von den Aktionen und Reaktionen des Gamers ab. Durch die rasante Weiterentwicklung der graphischen Möglichkeiten sind Videospiele zudem so attraktiv geworden, dass ein interaktiver Film dagegen kaum eine Chance hat.
Die Leute von CtrlMovie wollen nun das beste aus beiden Welten unter einen Hut bringen. Ob es gelungen ist, mit ihrer Technologie das Genre entscheidend zu erneuern, kann ab sofort überprüft werden. Viel wird von davon abhängen, ob die neuen Bedienungsmöglichkeiten reibungslos funktionieren. Aber vielleicht bietet gerade die Schweiz mit ihrer Vorliebe für direkte Demokratie die geeignete Spielwiese.