Kultur

In Schlaghosen und Rüschenrock im Jugendzentrum tanzen

Die Spätnachtschiene der Diagonale ist heuer der Abspielort einer wundersamen Entdeckung: "Draußen in der Stadt" nennt sich ein Fundstück, das die Filmemacherin Mirjam Unger – in Zusammenarbeit mit Gerald Votava – aus den ORF-Archiven geborgen hat. Dabei handelt es sich um eine 18-teilige Teenagerserie, die aus einem Theaterprojekt heraus entstanden war und in jeweils 15-minütigen Episoden im Rahmen der Sendung "Ohne Maulkorb" ausgestrahlt wurde. Das geschah 1978 – und seitdem hat diese Serie niemand mehr gesehen.

Günter Brödl, der Texter aller Ostbahn-Kurti-Songs, Schriftsteller und Musikjournalist, verfasste die Drehbücher zu "Draußen vor der Stadt", Regie führte Hannes Rossacher.

Es war ihr Interesse an der Arbeit des im Jahr 2000 erst 45-jährig verstorbenen Brödl gewesen, das sie auf die Spur zu "Draußen in der Stadt" gebracht hätte, erzählt Unger dem KURIER. Im Zuge ihrer Recherchen sei sie auf die Mini-Serie gestoßen und habe sich bei der Sichtung "herrlich amüsiert" – was im Übrigen gut nachvollziehbar ist. Denn in "Draußen in der Stadt" – gemeint ist damit eine Wohnsiedlung in Hirschstetten-Aspern – herrscht noch der Mief einer spießigen Nachkriegsgeneration in satirischer Überhöhung.

Schlurfrakete

Im Klassenzimmer hängen Rudolf Kirchschläger und der Bundesadler an der Wand, autoritäre Mathematiklehrer quälen desinteressierte Schüler. Im Zentrum steht die 16-jährige Jutta Staubinger, die im Dauer-Clinch mit ihren Eltern liegt. Die ahnungslosen Alten sind nur am Keppeln, die Tochter ist nur am Herumlügen. Mini-Exzesse gibt es im Jugendzentrum, wo zahme Teenager in Schlaghosen Disco tanzen oder Bandproben für einen Musikwettbewerb (Popodrom!) abhalten. Ein paar Rocker ("Schlurfraketen") sorgen für Aufregung, weil sie auf der Tanzfläche rempeln.

Brödl und Rossacher mischen pädagogisches Anliegen ("Anti-Baby-Pille") mit dem Versuch, etwas Wildes, Aufmüpfiges in ihr Jugendporträt zu mischen – ein Konflikt zwischen den Generationen spielte sich auch hinter den Kulissen zwischen den Sendungsmachern – Brödl war 23, Rossacher 25 – und den ORF-Verantwortlichen ab. Übrigens: Ein gerührter Hannes Rossacher beteuerte vor der Premiere dem Publikum, dass auch Christoph Waltz eine kleine Rolle in "Draußen in der Stadt" spielen würde. Manche Zuschauern wollten Waltz auch erkannt haben. Aber ganz sicher war sich niemand.