Kultur

"Im Herzen der See": Schifferl versenken

Regisseur Ron Howard kann mehr sein als nur solider Hollywood-Routinier. Das bewies er zuletzt mit dem zügigen Formel-1-Drama "Rush" rund um Niki Lauda. Doch bereits bei seinem neuen "Boat-Buster", einem Walfischabenteuer auf den Spuren von Moby Dick, erweist er sich wieder als Fadisierer. Nicht den berühmten Roman hat Howard verfilmt, sondern jene historischen Ereignisse, die Herman Melville zu seinem Klassiker inspirierten. "Moby Dick", der 1851 erschien, muss erst geschrieben werden.

Doch die spannende Vorgeschichte zum Mythos des weißen Wals verdünnt sich bei Howard zum konventionellen Seemannsgarn.

Zuerst wird viel Whiskey getrunken: Der zarte Ben Wishaw als Schriftsteller Melville sucht den letzten Überlebenden der Besatzung des Walfangschiffes "Essex" auf. Von ihm möchte er von den grässlichen Begegnungen mit dem legendären Dämonenwal erfahren, die damals die Runde machten.

Es dauert, ehe der Mann (ein wehleidiger Brendan Gleeson) mit der ganzen Wahrheit herausrückt und in Rückblenden von den Walfangfahrten und schließlich dem fatalen Zweikampf mit dem Riesenwal erzählt.

Howard setzt auf Genre-übliche Schauwerte: Gewaltige Stürme, splitternde Schiffsmaste – und Wellen, die beeindruckend hoch steigen. Doch keine Sekunde hat man das Gefühl, sich auf offener See und nicht im Computer zu befinden. Guckkasten in 3-D anstelle epischer Breite.

Der weiße Wal selbst macht es wie Spielbergs weißer Hai: Er lässt sich lange nicht blicken – oder nur in kleinen Portionen. Wenn endlich seine gebieterische Schwanzflosse auftaucht und wuchtig das Meer zerteilt, hat man sich seinen Anblick redlich verdient.

Allerdings steht kein monomanischer Kapitän Ahab am Ruder der "Essex" und schwört dem Killerfisch ewige Rache, sondern ein reicher Schnösel. Angeberisch kommandiert er die Mannschaft herum und liefert sich mit seinem ersten Offizier – einem grimmigen Chris Hemsworth – klassenkämpferisches Hickhack.

Nun macht es Ron Howard Ehre, auch unheroische Momente des Walabenteuers in zäher Ausführlichkeit erzählen zu wollen. Er habe eine Art historische Doku angestrebt, beteuerte er in Interviews. Wie Angelina Jolie in "Unbroken", lässt auch er die Besatzung monatelang hilflos auf offener See treiben, nachdem der Wal das Schiff versenkt hat. Die Lage spitzt sich zu, der Proviant ist aufgebraucht, Menschenfleisch steht auf dem Speiseplan. Selbst der sonst so schöne Chris Hemsworth verschwindet langsam hinter einem langen Zottelbart.

Tatsächlich aber nehmen diese langatmigen Szenen der ohnehin schon schwachen Handlungsdynamik den letzten Wind aus den Segeln. Zumal sich trotz Detailtreue keine rechte Emphase für das Schicksal der nur flüchtig skizzierten Männer einstellen will. Im Gegenteil: Man freut sich geradezu, wenn endlich wieder der Wal auftaucht und mit seiner Flosse Schwung in die lahme Handlung bringt.

Von archetypischen Gefühlen oder gar einem monumentalen Zweikampf zwischen Mensch und Natur keine Rede. Dazu brauchte es schon eines Herman Melville, um aus der Walfisch-Anekdote Weltliteratur wie "Moby Dick" zu machen: "Nennt mich Ismael."

Aber nicht Ron Howard.

INFO: USA 2015. 121 Min. Von Ron Howard. Mit Chris Hemsworth, Benjamin Walker.

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"Ich und Earl und das Mädchen" hört sich schon weit weniger charismatisch an als der schöne englische Reimtitel: "Me and Earl and the Dying Girl" – ein Publikums-Hit auf dem heurigen Sundance-Filmfestival – versteht sich als schrullige Coming-of-Age-Dramedy.

"Ich" ist ein Highschool-Junge namens Greg, der sich von seinen Mitschülern möglichst abseits hält; mit "Earl", seinem besten Freund, dreht er Amateurfilmchen; und "das Mädchen" ist die krebskranke Schulkollegin Rachel.

Greg gehört zu den typischen Nerd-Boys, die das Erwachsenwerden nur mithilfe einer besonderen Leidenschaft überstehen. Bei ihm ist es das Filmemachen. Er verfertigt Remakes von Klassikern: "Death in Venice" wird zu "Death by Tennis", "Clockwork Orange" zu "Sockwork Orange." Außerdem kann er perfekt den Akzent von Werner Herzog nachahmen.

Ein wenig unbalanciert tastet sich Regisseur Alfonso Gomez-Rejon durch das Terrain von Teenage-Angst, während er gleichzeitig eine überschlaue Hommage an das Filmemachen abliefern möchte. Trotz Kitschalarm weitgehend unterhaltsam.

INFO: USA 2015. 105 Min. Von Alfonso Gomez-Rejon. Mit Thomas Mann. Olivie Cooke.

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Christoph Waltz persönlich erklärte den Amerikanern in einer TV-Show, wer Krampus ist: Ein Zottelbock mit roter Zunge, der Kinder mit der Rute schlägt. In der US-Horror-Version ist der "Assistent von Nikolaus" (Waltz) ein riesiger Paarhufer mit schlechten Zähnen. Er taucht zu Weihnachten auf und lehrt eine zerstrittene Großfamilie das Fürchten.

Während sich zuerst niemand erklären kann, wer Krampus sein soll, liefert Omi – gespielt von der österreichischen Schauspielerin Krista Stadler – die Erklärung: In kunstvollem Vorarlbergerisch, das in der deutschen Synchronfassung ins Hochdeutsche übersetzt wird. Michael Dougherty liefert eine krude Mischung aus Horrorkomödie à la Gremlins und chaotischem Faschingsumzug. Ein wahrer Perchentlauf startet durch das Wohnzimmer: Horror-Clowns springen aus Schachteln, fies grinsende Puppen stürzen sich auf Familienmitglieder, digital animierte Lebkuchenmännchen feuern Nägel auf den Vater. Vielleicht war alles bloß ein böser Traum, aber die Botschaft bleibt klar: Vertragt euch zu Weihnachten, sonst kommt der Krampus.

INFO: USA 2015. 98 Min. Von Michael Dougherty. Mit Toni Collette, Adam Scott, Krista Stadler.

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"Kekse, die nach Scheiße schmecken", ist das Erste, was Timo zum Thema Weihnachten einfällt. Und weil er ein Problem mit "Anger-Management" hat, verbringt er mit drei anderen Jugendlichen Weihnachten unter der Aufsicht eines Psychiaters. Mit ihm bearbeiten sie gemeinsam ihre Traumata.

Gut gespieltes deutsches Betroffenheitskino über Jugendpsychiatrie, das an "Einer flog über das Kuckucksnest" erinnert: Es ist die böse Krankenschwester, die liberale Anstrengungen zunichtemacht.

INFO: D 2015. 98 Min. Von Theresa von Eltz. Mit Paula Beer, Jella Haase, Jannis Niewöhner.

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