Iggy Pop in Wien: Rohe Punk-Energie fegt alle Zweifel weg
Es ist schon ein eigenartiges Gefühl: Man sitzt in den Plüschsesseln des Wiener Konzerthauses, blickt auf die Orgel und wartet darauf, dass mit Iggy Pop auf der Bühne darunter jene Legende loslegt, die als "Pate des Punk" gilt. Gedanken, wie das zusammenpasst und ob der 75-Jährige noch diese wütende Brachial-Energie auf die Bühne bringen kann, die ihn berühmt gemacht hat, tauchen da unweigerlich auf. Aber es dauert nicht einmal einen halben Song, bis der als James Osterberg geborene Amerikaner, die Zweifel mit genau dieser Energie weggefegt hat.
Sofort hat er nach einem atmosphärischen Ambient-Intro zum Song „Five Foot One“ die Leute von den Sesseln und sich die Jacke von Leib gerissen, zeigt den nicht mehr ganz so drahtigen Oberkörper und all die gewohnten rebellischen Gesten, spukt auf die Bühne, flucht und verrenkt sich wie anno dazumal. Aber vor allem schleudert er Hits wie „The Passenger“ und „Lust For Life“ nach wie vor mit soviel Drive in das Konzerthaus, wie immer in der mittlerweile schon 60-jährigen Karriere.
Dazwischen schiebt er Songs aus dem Jazz-Ambient-Poetry-Album „Free“ von 2019, die sich wunderbar in das Set einfügen und es in Balance halten. Diese Gegenpole zu der geballten Punk-Power machen noch mehr Lust auf die nächsten Energie-Eruptionen von Songs wie "Search And Destroy" oder "I Wanna Be Your Dog".
Einige der Jazz-Musiker, mit denen Pop für "Free" gearbeitet hat, hat er auch auf dieser Tournee dabei. Die zwei Bläser bereichern aber auch so manchen der Punk-Klassiker. Und auch Sarah Lipstate, die ihre Gitarre gerne mit dem Geigenbogen streicht, setzt dabei neue Akzente.
Schade ist ist einzig und alleine, dass viele dieser Feinheiten im schlechten Sound untergehen. Zuweilen sind von der siebenköpfigen Band neben Pops Stimme nur mehr Trompete, Schlagzeug und ein Dröhnen zu hören. Gut, es ist bestimmt auch schwer, derart wuchtige Sound-Attacken in diesem Saal mit so sensibler Akustik, richtig in Szene zu setzten. Und irgendwie ist es auch egal. Denn die Energie stimmt. Sie stimmt bis zum Schluss des Sets. Und dafür ist man schließlich gekommen.