Kultur

Hubert Sauper: "Jeder denkt, dass er nett ist"

Wenn Hubert Sauper mit seinem Flugzeug irgendwo im Sudan landet, halten das manche Bewohner für einen surrealen Witz. Der kleine, selbst gebastelte Flieger sieht einfach gar zu lächerlich aus. Ein Sudanese will sich den Bauch halten vor lachen, als er hört, welch weite Strecken Sauper mit seinem Brummer schon zurück gelegt hat. Mit dem Ding da? Unmöglich.

Das sei Teil seines Konzepts gewesen, sagt der in Paris lebende Kärntner Filmemacher im KURIER-Interview: "Das Flugzeug sieht so zerbrechlich aus, dass sich die Leute automatisch dafür interessieren. Dann kann man mit ihnen eine Runde drehen wie auf einem Kamel – und wird danach zum Essen eingeladen. Auf diese Weise entstanden viele Beziehungen."

"We Come As Friends" heißt Sauper neue, überwältigende Doku (Kinostart: Freitag), die kürzlich als beste Doku für den europäischen Filmpreis 2014 nominiert wurde und bereits mehrfach Auszeichnungen erhielt. Sechs Jahre arbeitete der Regisseur an diesem Film, dem Nachfolgeprojekt für seine Oscar nominierte Doku "Darwin’s Nightmare" (2005).

Sauper hatte sich den Sudan im Herzen Afrikas deswegen als Schauplatz ausgesucht, um seine brennende Globalisierungskritik schlüssig auf den Punkt zu bringen: Seit 7000 Jahren werde der Sudan kolonialisiert, erzählt er, 2011 kam es zu einer Teilung des Landes und zur Gründung des Staates Südsudan: "Damit wurde eine neue Grenze gezogen, die durch die Ressourcen schneidet. Mir war klar, dass es wieder Krieg geben wird."

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Ground Zero

Tatsächlich stellt sich das geteilte Land als eine Art "Ground Zero" des Neokolonialismus dar. Chinesen bohren dort nach Öl und schauen sich in ihrer Freizeit Star-Trek-Filme an. Ein UN-Beauftragter erzählt, dass seine Tochter die Eröffnung eines Safari-Parks plant. Investoren vor Ort schwärmen von einer Profit bringenden "Win Win"-Situation. Und texanische Missionare streifen kleinen Babys weiße Socken über die Füße, damit sie "vor Gott nicht nackt sein müssen."

Sie alle suchen nach Lösungen für ein Land, das von blutigen Glaubenskriegen und Kämpfen um Ressourcen gebeutelt wird. Sie alle wollen der desolaten Bevölkerung helfen – wie etwa George Clooney, der als prominenter Unterstützer im Film auftaucht: "Er will das Beste für alle und ist doch Teil des Systems", meint Sauper: "Er gibt sein Gesicht her, um Hilfsgüter zu organisieren. Und weil Clooney im Fernsehen ist, geben die US-Hilfsorganisationen viel Geld für den Sudan aus – aber dafür nicht für Äthiopien."

Überhaupt wären die meisten Menschen, die sich im Sudan einsetzten, von guten Absichten beflügelt: "Jeder dort denkt von sich, dass er nett ist", sagt Sauper: "Sogar die Kriegsherren behaupten, sie wollen nur das Beste. Und jeder versteht sich als Teil einer Lösung des Problems: Man bringt Hilfsgüter oder Demokratie oder Jesus Christus oder neue Straßen oder Verträge mit Ölfirmen – wie schon der Titel sagt: ,We come as friends‘. Und dabei ist das die fundamentalste Lüge unserer Zivilisation, auf der ein großer Teil unseres Reichtums aufbaut."

Er selbst sei natürlich ebenfalls Teil dieser Zivilisation, reflektiert Hubert Sauper seine eigene Position, "aber ich versuche, die Mechanismen zu analysieren."

Immer wieder stößt er mit seinem Flieger vom Himmel herab und landet inmitten einer Misere. Mit bewusst naiven Fragen lockt er seine Interview-Partner aus der Reserve und fördert teils bizarre Szenerien zutage.

Die meisten Zuschauer wären von seinem Film schokiert, sagt Hubert Sauper. Und immer wieder tauche die Frage auf: "Was kann man tun?" Aber auch er kenne keine definite Antwort: "Ich wäre ein Reserveprophet, wenn ich behaupten würde, die Lösung zu wissen. Deswegen mache ich Filme – damit sich die Frage aufteilt und mehrere Leute versuchen, eine Antwort zu finden."