Kultur

Höhenflug mit dem ersten Roman

Eine Vorliebe für Vögel kann man Teresa Präauer (geb. 1979) kaum absprechen: 2009 veröffentlichte sie Ein-Satz-Texte und Zeichnungen unter dem Titel "Taubenbriefe von Stummen an anderer Vögel Küken" und 2010 machte sie mit Illustrationen für Wolf Haas’ "Die Gans im Gegenteil" auf sich aufmerksam. Nun lieferte die in Linz geborene und in Wien lebende Künstlerin mit "Für den Herrscher aus Übersee" (Wallstein Verlag, 17,40 €) ihr Prosadebüt ab. Und wieder dreht sich vieles um Vögel und – ums Fliegen. Was sie daran fasziniert: "Fliegen ermöglicht einen Perspektivenwechsel. Ein Höher-Steigen, Tiefer-Steuern, dadurch werden riesige Dinge auf der Welt von oben gesehen winzig klein wie Käfer – das hat so etwas Grotesk-Komisch-Anarchisch-Poetisches," sagt Teresa Präauer im KURIER-Interview.

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Mit diesen vier Wörtern könnte man auch ihren Roman beschreiben. In dem fabulierfreudigen und bilderreich geschriebenen Buch verbringen zwei Geschwister, deren Eltern auf Weltreise sind, ihre Zeit auf dem Hof des Großvaters: mit dessen Geschichten vom Fliegen und wie er dabei in Übersee die "Japanerin" kennengelernt hat, und mit skurrilen (Flug-)Experimenten.

Biografisch sieht Präauer zur Fliegerei keinen direkten Bezug, außer "das auf die Nase fliegen, sich wieder Aufrappeln und wieder versuchen, an Höhenmetern zu gewinnen – da hab` ich gute Erfahrungen damit." Derzeit zeigt das Altameter bei ihr eindeutig nach oben. "Für den Herrscher aus Übersee" erscheint nun in zweiter Auflage. Und auf der Frankfurter Buchmesse wurde Teresa Präauer vom ZDF mit dem mit 10.000 Euro dotierten aspekte-Literaturpreis fürs beste literarische Debüt ausgezeichnet.

KURIER: Ihr Debütroman beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Fliegen. Haben Sie auch einen biografischen Bezug dazu?

Teresa Präauer: Außerhalb der Literatur oder der Bilder, die ich mir dazu vorstelle und der Filme, die mir dazu einfallen, interessiert mich das Fliegen selbst eigentlich überhaupt nicht. Das ist für mich wie in einen Bus einzusteigen, ein Mittel zum Zweck. In den Pionierzeiten waren das ganz kühne Abenteurer, die hatten ganz irrsinnige Vorstellungen davon, wie das Fliegen alles revolutionieren wird. Bevor der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist, galt das als Projekt des Friedens. Und das find ich dann so spannend, dass es verknüpft ist mit Illusionen, aus denen etwas Utopisch-Herrliches aber auch etwas Lächerliches werden kann.

Wie war dieses Projekt des Friedens gedacht?
Alle, die versucht haben, in Ein-Mann-Flugzeugen oder Ein-Frau-Flugzeugen unterwegs zu sein, dachten, dass man von der Luft aus die Welt ganz anders sieht. Es hat, denke ich, zunächst gar nicht die Idee gegeben, damit Bomben zu transportieren, weil sich diese Tragfähigkeit erst entwickeln musste. Ich habe Zeitzeugenberichte gelesen: Die ersten Frauen, die geflogen sind, waren ja tollkühn Ende nie, es war immer ein Spiel mit Leben und Tod. Die haben sich nie vorstellen können, dass es nicht ausschließlich etwas Traumhaftes sein könnte, sich in den Lüften zu bewegen. Dann ist es aber sehr schnell für andere Zwecke verwendet worden.

Man spricht bei  manchen Unternehmungen auch von der "Eroberung des Nutzlosen" – Regisseur Werner Herzog hat diese Phrase für seinen Film "Fitzcarraldo" verwendet, Reinhold Messner fürs Bergsteigen. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Diesen Begriff finde ich schön. Was auch interessant ist: Eroberung ist wieder so ein herrschaftlicher Begriff und das Nutzlose steht für das Kleine und Lächerliche. Das Große, das Kleine und die Macht kommen zusammen. Das Auslachen der Macht hat etwas Karnevaleskes – das finde ich interessant. Wenn wir über den Traum vom Fliegen reden: Daran interessiert mich nicht so sehr der Traum, oder das Fliegen, sondern: Ich finde es so interessant, dass Menschen Utopien haben. Und dass sie es immer wieder versuchen, auch wenn sie scheitern.

Wie sehen Sie die Beziehung zwischen den Kindern und dem Großvater?
Der Großvater ist liebevoll, aber gleichzeitig brutal und einer, der sich total reinwirft in das Projekt. Wir probieren alles aus, koste es, was es wolle! Und immer mit Tendenz zum Absturz, aber es ist neben dem großen Ernst auch ein großer Spaß. Wer jetzt wen zieht oder erzieht oder fliegen lässt, das wechselt immer wieder. Der Großvater ist kein Erziehungsberechtigter, auf den man zählen kann. Das ist eigentlich auch das Schöne für die Kinder, während sie bei ihm sind.

Sind eigene Kindheitserinnerungen im Buch verarbeitet?
Es ist eine Mischung aus Erlebtem, Erdachtem, Ersehntem, Befürchtetem. (lacht)

Sie spielen im Buch sehr viel mit Realität . . .
Für mich gibt es viele Ebenen von Realität, die völlig gleichberechtigt sind. Im Film werden diese radikalen Schnitte vorgezeigt, sie funktionieren und der Mensch geht auch blicktechnisch und verstandesmäßig mit. In der Literatur kann das genauso funktionieren, wenn man Lust darauf hat.

Als Leser kann man sich seine eigenen Bilder konstruieren. Bekommen Sie da auch Rückmeldungen?
Ja schon. Und sie bauen auch ihre eigenen Geschichten ein. Sie vergessen zum Teil, was von mir ist und was von ihnen. Da werden dann Apfelbäume hineingedichtet, manchmal sind es zwei Brüder, manchmal eine Schwester und ein Bruder. Ich lasse manche Dinge eigentlich ziemlich in Schwebe, ohne dass es ein "Geheimnis" ist, das dann gelüftet wird. Es ist einfach ein weiterer Möglichkeitsraum.

Aus der Bildenden Kunst zur Literatur

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Wie kommen Sie zu Ihren Bildern, wie ist Ihre Arbeitstechnik?
Es ist ein sich vorwärts oder entlang Hanteln, oder eine Naht, die an einer langen Linie entlangfährt und wo man immer wieder einen Stich macht. Ich schreibe immer recht kurze Textstellen, und überarbeite diese so lange, bis sie für mich stimmen. Es ist kaum mehr möglich, da noch einzugreifen, durch die Montagewechsel und weil alles auf einander bezogen ist. Oft stelle ich mir zuerst gewisse Bilder vor. Es ist wie die Geburt der Geschichte aus der Sprache und nicht umgekehrt. Es ist auch die Lust am Fabulieren und einen Ton zu imitieren. Zum Beispiel der Großvater, der immer diesen recht patriarchalen Herrschergestus hat - da ist es mir eine Freude, das sprachlich auszuformulieren und so, im Beiwagerl, ergibt sich dann die Geschichte.

Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?
Das war schon ein längerer Arbeitsprozess. Es waren drei Jahre, in denen mich diese wahnsinnigen Flieger und Bruchpiloten begleitet haben.

Sie kommen eigentlich von der Bildenden Kunst. Wie kam es nun zur literarischen Entwicklung und bis zum Debütroman?
Die Sprache und die Bilder kamen bei mir immer zusammen in einzelnen Arbeiten. Seit ich künstlerisch arbeite, gehören diese Bereiche zusammen. Für mich sind es eigentlich zwei ganz ähnliche Denkweisen, ich denke auch in der Sprache sehr bildhaft und mit Augenzwinkern. Das Schöne in der Bildenden Kunst ist: Man kann alles verwenden; Ein Teil, das weggeworfen worden ist, kann man verwenden und in einen Kontext stellen, sodass es wieder eine Bedeutung hat. Dieses Found Footage-Verfahren interessiert mich sehr. Ich glaube, dass extrem viel vorhanden ist, das man collagieren und in eine Form gießen kann. Es sind für mich häufig Anklänge an Filmszenen, Liedtexte; das muss der Leser gar nicht merken. Für mich ist das aber so, dass ich da in mich Hineinkichern muss. Denn das erzeugt so ein Pathos, das gleichzeitig wieder lächerlich gemacht wird.

Wie ist die Figur der Japanerin entstanden?
Sie ist wieder über das Betrachten von Bildern entstanden. Ich bin fasziniert von alten Holzschnitten, wo Geishas dargestellt sind, Damen mit ihren Riesenfrisuren, die Farben der voluminösen Kleider und dennoch diese ornamentale, flächige Musterzeichnung. Das hat mich visuell so fasziniert, dass ich unbedingt eine entführen und in den Text hineinbringen musste. Und für die Biografie des Großvaters ist es natürlich sehr wichtig, dass etwas ganz Exotisches dabei ist, weil er hat ja mindestens die Welt gesehen.

In anderen Kulturen ist der Respekt vor älteren Menschen bzw. deren Weisheit stärker ausgeprägt als im Westen...
Wer jetzt gerade alt und jung ist in der Konstellation im Buch, ist je nach Situation unterschiedlich. Der Großvater verhält sich ja oft wie ein ungezogener Fratz, die Kinder sind eigentlich altklug und weise wie Methusalems. Man sollte diese Grenzen für sich und im Alltag nicht so stark ziehen und mehr an diese Austauschbarkeit glauben. Es gibt total wache, alte Menschen, es gibt wiederum junge Menschen, die schon so fertig sind mit dem Leben, dass man keine interessanten Dinge mehr mit ihnen besprechen kann.

Keine Lust, abgebrüht und routiniert zu werden

Man hat bei Ihren Lesungen das Gefühl, dass es Ihnen selbst sehr viel Spaß macht, die eigenen Ideen noch einmal nachzuvollziehen…
Ja, ich versuche es dann wieder so zu lesen, als würde ich es zum ersten Mal lesen. Und ich hoffe, dass mir das noch lange gelingen wird, dass ich nicht so fadisiert, abgebrüht und routiniert werde. Ich denke, wenn es mich selber erfreut und verwundert, dann überträgt sich das im besten Fall auf die Zuhörer.

Bei einer Ihrer Lesungen war kürzlich Friederike Mayröcker zu Gast. Was können Sie von ihr mitnehmen?
An ihr gefällt mir, dass sie etwas macht, das vielen gefällt, das aber überhaupt kein Mainstream ist, sondern radikal.

Junge österreichische Autoren und Autorinnen machen derzeit von sich reden. Gibt es da auch eine Szene, viel Austausch oder ist doch jeder sein eigener Einzelkämpfer?
Ich sehe mich doch eher aus der Bildenden Kunst auf "Sonderflug" in die Literatur kommend. Ich glaube, es gibt keine sogenannte Szene, sicher aber einzelne Freundschaften.

Sind wichtige Aktionsgemeinschaften wie das Forum Stadtpark aus der Mode gekommen?
Es gibt natürlich die Grazer Autorenversammlung, die sich daraus entwickelt hat, und einzelne Verbände, sicher auch Orte, wo man sich austauscht. Ich kenne auch einige Leute, aber ich sehe mich schon eher in einem leichtmotorigen Ein-Frau-Flugzeug unterwegs. (lacht)

Würde Sie auch die Teilnahme am Bachmannpreis reizen?
Es ist sicher eine gute Bühne, um mehr Aufmerksamkeit für einen Text zu bekommen, der noch nicht bekannt ist. Nachdem mir das aber jetzt auch auf diesem Wege gelungen ist, bin ich froh, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen ist.

Würden Sie es etwa als unangenehm empfinden, dem Urteil der Jury ausgesetzt zu sein?
(überlegt) Ich würde sagen, man müsste es einfach sportlich nehmen. Wenn man es schafft, sich dort zu amüsieren, ist man am richtigen Ort.

Wie lesen Sie am liebsten bzw. wie sollte man dieses Buch lesen?
Ich find es auch sehr schön, im Stillen für mich zu lesen. "Für den Herrscher aus Übersee" ist auch ein Buch, das man in Ruhe lesen kann. Leute haben mir erzählt, sie haben das Buch zweimal gelesen, da kriegt man natürlich neue Zusammenhänge mit. Man kann es aber auch locker-flockig lesen und sich einfach unterhalten lassen. Ich stelle mir vor, dass man vier Stunden am Fensterbankerl sitzen kann, die Füße nach oben, und einfach nur mit dieser Welt beschäftigt ist. Aber, ich finde, man könnte auch jeden Tag nur einen Satz lesen. (lacht)

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