"Jeder Zweite sagt, das muss ich mir nicht antun"
Von Christoph Silber
Als Franz Welser-Möst das Cleveland-Orchestra zuletzt im Musikverein dirigierte, saß der ATV-Eigentümer und ehemalige Karajan-Mitarbeiter Herbert Kloiber applaudierend im Publikum. Aber wie kommentiert Kloiber den Rückzug von Welser-Möst, den er immer unterstützt hat, als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper?
"Ich kann diesen Schritt exzellent verstehen", sagt er zum KURIER. Welser-Möst und Meyer (Staatsopernchef Dominique Meyer, Anm.), das war ein Paar wie aus dem 17. Jahrhundert. Sie kannten einander vorher nicht, haben sich, die Chance war ja groß, nicht gemocht und haben ein diametral entgegengesetztes Kulturverständnis."
Irgendwann würde dann "der Klügere nachgeben", sagt Kloiber. "Das war dann sicherlich der, der bessere Optionen hat, sein Leben auch ohne die Staatsoper zu bestreiten."
Großzügigkeit
Kloiber, intensiver Beobachter der internationalen Kulturszene, ortet auch bei Ex-Kulturministerin Claudia Schmied Fehler: "Dass sie dem Operndirektor im Jahr 2011 einen Vertrag bis 2020 gab. Selbst wenn sie diesmal wieder in der Regierung vertreten gewesen wäre, hätte sie dessen Vertragsende nicht miterlebt. So viel Großzügigkeit bei Posten sollte auch in der Kultur nicht herrschen."
Kloiber findet, dass die Staatsoper auch künftig "auf alle Fälle einen Generalmusikdirektor braucht. Sonst wird das Kraut und Rüben." Er sieht aber "im Augenblick ernsthaft niemanden, der die Funktion einnehmen könnte". Wie beim Burgtheater sei es "mit dem Blick von außen auf diese früher leuchtturmartigen Institutionen" so, "dass jeder Zweite sagt, das muss ich mir nicht antun".
Kloiber selbst steht hinter den Übertragungen von Aufführung der New Yorker MET in Kinos weltweit. Über die Internet-Bemühungen der Staatsoper sagt er: "Die mediale Präsenz hat sich, im Vergleich zur MET, vom zögerlichen Nichtstun ins hektische Falschtun gekehrt. Jetzt wird mit teuersten gesponserten Kameras ins Internet übertragen, was vergleichsweise kaum jemand konsumiert."
Festspiele
Was die Zukunft der Salzburger Festspiele betrifft, prophezeit Kloiber: "Bechtolf wird nicht viel anders agieren können, als das Angebot zu reduzieren mit viel weniger Premieren. Nach der Super-Opulenz Pereiras wird nun das Kind mit den halben Bade ausgeschüttet werden."
Man sollte auch "weniger auf Sponsoren schielen als in der Vergangenheit". Es gebe ja auch "Festspiele, die anders funktionieren. Grafenegg etwa, wo das Land und Raiffeisen richtig investieren und nicht alles mit Sponsoren zugedeckt ist."
Kloibers Einschätzung der Situation an der Mailänder Scala: "Ich bin überzeugt, dass Pereira spätestens im Mai alle Herzen dort erobert haben wird." Daher werde er dort Intendant bleiben, "solange er will. Und falls nicht, kann er in Manaus, wo er ein Haus hat, ähnlich wie Fitzcarraldo die Oper wieder aufbauen."