Hans-Kelsen-Ausstellung: Der Designer der Demokratie
Alt-Bundespräsident Heinz Fischer hat ihn noch als „angenehmen Menschen“ in Erinnerung, den Architekten des Bundesverfassungsgesetzes: Hans Kelsen (1881-1973), einer der bedeutendsten Rechtswissenschafter des 20. Jahrhunderts, hat unser Land, seine Rechtsordnung und Rechtskultur weit über seine mehr als 300 Werke hinaus beeinflusst.
An ihn und „die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung“ erinnert zum 100-Jahr-Jubiläum eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien im Palais Eskeles in der Dorotheergasse.
Sie soll das Leben und Denken des Professors, der im Staats- und Völkerrecht sowie als Rechtstheoretiker Bedeutendes geleistet hat, und vor allem die Erfolgsgeschichte unserer Verfassung stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. „Dass die Verfassung nicht ein Stück ist, dass das Gesetz nur ein Teil davon ist, dass es Teile aus drei Jahrhunderten gibt, wie eine Collage – manche nennen es auch ,Flickwerk’, dafür besteht kein Bewusstsein“, sagt Kuratorin Adina Seeger im KURIER-Gespräch.
Kelsen – von 1918 bis 1930 Professor an der Universität Wien – wurde nach dem Ende der Monarchie von Staatskanzler Karl Renner mit der Arbeit an einer Bundesstaatsverfassung für die junge Republik beauftragt. Er entwickelte das – später so bezeichnete – österreichische Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit, das weltweit Nachahmung fand.
Struktur der Demokratie
Kelsen – ein genauer Formulierer und Meister der Logik, eine wichtige Voraussetzung zur Umsetzung des gewaltigen Projekts – hatte eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie vor Augen, die für ihn „einzig mögliche reale Form (…), in der die Idee der Demokratie innerhalb der sozialen Wirklichkeit von heute erfüllt werden kann“.
Und worin liegt die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gelobte „Eleganz und Schönheit“ im Gesetzeswerk?
Seeger: „Sicher in der Schnörkellosigkeit und dass er ohne Pathos auskommt. Was wohl daran liegt, dass Kelsen sehr vom Rationalen geleitet war.“
In seiner Rechtstheorie, der „reinen Rechtslehre“, forderte er dazu auf, das Recht präzise zu beschreiben, aber von politischen und naturrechtlichen Elementen freizuhalten. Ziel der Rechtslehre ist es demnach, ausschließlich die positive Rechtsordnung zu beschreiben, aber nicht darüber zu urteilen, wie das Recht sein oder gemacht werden sollte.
Graphic Novel
Und wie war der Mensch hinter dem Juristen?
Dazu ist einiges in der Graphic Novel der Comic-Zeichnerin Pia Plankensteiner zu erfahren: In Bild und Text erzählen da Kelsens Lieblingsmehlspeisen, Baiser und Schwarzwälder Kirschtorte, mit viel Witz und Ironie aus seinem bewegten Leben zwischen Europa und den USA. Und eine Zigarre – Kelsen war ein passionierter Zigarrenraucher – erläutert die rechtshistorischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge.
1945 sagte Kelsen, als er nach Stationen in Wien, Köln, Genf und Prag die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt: „Die größte Freude meines Lebens war, als erster Professor von Hitler entlassen worden zu sein.“
Nach 1945 erhielt der mittlerweile 64-Jährige keine offizielle Einladung zu einer Rückkehr nach Österreich. Auf seine Mitarbeit an der Überleitung zur und Wiederinkraftsetzung „seiner“ Bundesverfassung wurde verzichtet. Die Universität Wien zeigte kein Interesse, ihren bedeutendsten Rechtsgelehrten zurückzugewinnen. Erst kurz vor seinem Tod gründete Österreichs Regierung in Anerkennung seiner Verdienste ein Institut, das seinen Namen trägt.
INFO: Bis 5. April im JMW, 1., Dorotheerg. 11, So-Fr 10-18 Uhr; Graphic Novel, 19 €, Manz Verlag. www.jmw.at