Kultur

"Hagenbund" im Leopold Museum: Der Zeit ihre Vermarktungsgenies

Dass Kunst auch Marketing bedeutet, ist eine Binsenweisheit: Um in den Köpfen, den Medien, den Galeriewänden und den Museumsprogrammen Bestand zu haben, sind starke, gern auch streitbare Persönlichkeiten, wiedererkennbare Ästhetiken und markante Bauten, quasi als Flagshipstores, immer hilfreich. Die Wiener Secession konnte einst diese Checkliste erfüllen, folgende Generationen taten das ihre dazu, dass die Welt heute bestimmte Bilder im Kopf hat, wenn von „Wien um 1900“ die Rede ist. Der Humus, auf dem neben dem „Krauthappel“ und Klimts Sonnenblumen noch viel mehr gedieh, senkte sich dabei nach und nach ab.

Das Leopold Museum erfüllt nun die löbliche, wenn auch nicht immer dankbare Aufgabe, in diesem Boden umzustechen: Die aktuelle Ausstellung mit dem schlichten Titel „Hagenbund“ rückt die zentrale Künstlergemeinschaft Wiens in den Fokus, die die Entwicklung „von der gemäßigten zur radikalen Moderne“ (so der Untertitel) in der österreichischen Hauptstadt entscheidend mitbestimmte.

Schwerer fassbar

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Der Hagenbund, 1899 gegründet und nach einem Gasthaus in der Gumpendorfer Straße benannt, war deutlich langlebiger als die Secession, umfasste mehr Künstler und eine breitere Stilpalette – und ist damit, siehe Checkliste oben, schwerer fassbar. Einen zentralen Ausstellungsort hatte der Bund allerdings – die heute nicht mehr existierende Zedlitzhalle, eine umgebaute Markthalle nahe dem Stadtpark, war von 1902 zehn Jahre lang das Hauptquartier, 1912 wurde die Vereinigung allerdings delogiert und kehrte erst 1920 wieder zurück. Verantwortlich für die Adaptierung war übrigens Joseph Urban, der später in die USA emigrierte und sich in Florida mit einem Gebäudekomplex namens Mar-a-Lago – heute Hauptsitz von Donald Trump – verwirklichte.

Drei Kuratoren – neben Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger im Team mit Stefan Üner und Dominik Papst – arbeiteten daran, diese doch etwas unebene Geschichte im Ausstellungsformat aufzubereiten. Sie führt entlang von inhaltlichen Schwerpunkten durch einen Parcours, an dessen Beginn Schieles vergeistigtes Werk „Eremiten“ steht, das bereits 1912 Blickfang einer Hagenbund-Ausstellung war. Das Geistige, Religiöse, Symbolbeladene hatte in der Kunst jener Zeit viel Platz, daran erinnern etwa die heute leicht skurril anmutenden Werke des Paars Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan (1906–’07), aber auch die drastische Kreuzigungsszene von Hans Sidonius Becker (1930–’34), eine der Entdeckungen der Schau. Nicht nur die Wurzeln der Wiener Moderne à la Klimt und Schiele lassen sich in dieser Schau finden, auch jene des heute weitgehend ins Abseits geratenen „Phantastischen Realismus“ sowie viele Tendenzen, die in der Zwischenkriegszeit als Spielarten der „Neuen Sachlichkeit“ oder des Surrealismus entstanden.

Mit Carry Hauser, Lilly Steiner, Otto Rudolf Schatz oder Georg Jung zeigt das Leopold Museum hier einige Positionen, die abseits der Fachwelt vielleicht weniger geläufig sind, mit herausragenden Werken. Der Hagenbund – der in seinen Ausstellungen wohl auch oft Frauen inkludierte, sich mit „korrespondierenden“ Mitgliedschaften für Künstlerinnen aber doch um echte Gleichberechtigung herumwand – war für solche Persönlichkeiten aber eher Bühne, nicht Merkmal der Identität.

Die Zusammenschau im Leopold Museum behauptet auch nicht wirklich, dass der Bund stilprägend war. Die Materialfülle führt eher aus, was sich hinter dem Spruch „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ einst verbarg. Den griffigen Slogan hat dann allerdings auch die Secession gekapert.