Kultur

Großes Kino: Wo sich die Filmwirtschaft abspielt

Wer sich nicht zu den topinformierten Cineasten zählt, kennt das Problem: Kaum hört man von einem Film, läuft er auch schon nicht mehr im Kino. „Jährlich kommen in Österreich zwischen 400 und 500 neue Produktionen ins Kino, viele davon überleben das erste Wochenende nicht“, sagt Werner Müller, Geschäftsführer der Sparte Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). In ganz Europa würden jährlich mehr als 1500 Filme an den Start gehen und damit in etwa doppelt so viele wie in den USA. Zeit, um auf Zuseher zu warten, bleibt da keine. Die wenigsten Spielfilme schaffen es, ihre Produktionskosten einzuspielen.

Ohne staatliche Förderungen würde es in den Kinosälen ziemlich finster ausschauen. Selbst Star-Regisseure wie Woody Allen sind in der Branche dafür bekannt, dass sie ihre Drehbücher flexibel anpassen. Sprich, drehen, wo sie Rahmenbedingungen, also Incentives wie Rückvergütungen, passen. Müller: „Bei Liebesfilmen ist es letztlich relativ egal, ob eine Szene vor der Sagrada Família oder vor dem Kolosseum gedreht wird.“ Also, ob der Film letztlich Vicky Cristina Barcelona oder Vicky Cristina Rom heißt. Umso wichtiger ist es, dass die strukturellen Bedingungen passen. "Schönbrunn und die Alpen sind schon ein filmischer Anreiz, in Österreich zu drehen", so Müller, "aber gute Locations alleine reichen sicher nicht."

Nomaden

Auf der Suche nach guten Rahmenbedingungen reisen Filmschaffende von Land zu Land. Städte wie Prag und Budapest haben bombastische Filmstudios hochgezogen, in den Bavaria-Filmstudios in München wurden ganze Straßenzüge aus dem 19. Jahrhundert nachgebaut. „Bei solchen Investitionen hat das Studio natürlich größtes Interesse, einen Auslastungs- und Deckungsgrad zu erreichen.“ Sprich: Möglichst viele in- und ausländische Filmproduktionen anzuziehen.

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Ein Geschäft, das auch Johannes Koeck vertraut ist. Der Chef der Cine Tirol Film Commission bezeichnet sich selbst als „Filmfischer in Tirol“. Er sorgt dafür, dass in den Tiroler Bergen möglichst viele Filme gedreht werden, was die Wirtschaft vor Ort ankurbelt. Allein für die zwölf Staffeln von „Der Bergdoktor“ wurden vor Ort mehr als 115 Millionen Euro ausgegeben, davon 46 Millionen für Unterbringung und Verpflegung. Dazu kommen die vielen Touristen. Unter ihnen war zuletzt auch Yusuke Yahagi, ein japanischer Herzchirurg, der in Texas arbeitet und Fan von Arztserien ist, speziell vom Bergdoktor, erzählt Koeck, der für den weit gereisten Fan ein Treffen mit Hauptdarsteller Hans Sigl organisiert hat. Dass dieser in Ellmau in der Region Wilder Kaiser spielt, war nicht von vornherein so. Erst ab der zweiten Staffel wurden die echten Ortsnamen ins Drehbuch reinverhandelt. Die Gästenächtigungen in der Region stiegen in der Folge um durchschnittlich 27 Prozent im Jahr.

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Filmland Nigeria

Damit die Erfolgsgeschichte der Tiroler Filmwirtschaft weitergeht, tourt Koeck weiter zu Filmfestivals rund um die Welt. „Los Angeles, Schanghai, Berlin – man muss sich überall dort präsentieren, wo sich die Filmschaffenden treffen.“

Dieses Jahr will Koeck erstmals an einem Filmfestival in Lagos, Nigeria teilnehmen. „In Nigeria werden mittlerweile rund tausend Kinospielfilme im Jahr produziert, also etwa doppelt so viele in Hollywood.“ Die Produktionskosten sind freilich deutlich niedriger. Nollywood ist zur Nummer zwei hinter dem indischen Bollywood aufgestiegen. „Dort werden jährlich zwischen 1200 und 1800 Kino-Spielfilme produziert und damit etwa doppelt so viele wie in Hollywood“, erläutert Koeck. Immerhin 86 Bollywood-Produktionen haben seit 1998 auch in Tirol Station gemacht und damit den Filmstandort aufgewertet.

Marijana Stoisits von der Vienna Film Commission betont währenddessen, dass „von den 1,5 Milliarden Euro an Erlösen und Erträgen, die die Filmwirtschaft österreichweit erzielt, der allergrößte Teil auf Wien entfällt“. Anders als in anderen europäischen Großstädten gäbe es in Wien grundsätzlich keine Einschränkungen für Dreharbeiten. „Dass es Bezirke gab, in denen es schwer war, zu drehen, ist Gott sei Dank lang Geschichte.“

Im Kino haben österreichische Produktionen übrigens einen Marktanteil von lediglich sechs Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 20, in Dänemark 40 Prozent. Wobei der hohe Wert in Dänemark auch am isolierten Sprachraum liegt und daran, dass viele ausländische Filme in Dänemark nicht synchronisiert werden.